Recht und Kapitalmarkt

M & A in der Firmenkrise steht unter hohem Zeitdruck

Schmaler Grat zwischen günstigem Einstieg und tiefem Absturz - Transaktionsstruktur kann Risiken begrenzen

M & A in der Firmenkrise steht unter hohem Zeitdruck

Von Christian C.-W. Pleister und Thomas Hoffmann *) Der Markt für Fremd- und Eigenkapitalengagements bei Krisenunternehmen in Deutschland boomt. Auf Restrukturierung spezialisierte Finanzinvestoren drängen vehement ins Geschäft mit notleidenden Schuldnern. Hohe Renditen locken, wenn nach einer Sanierung innerhalb von zwei bis fünf Jahren ein lukrativer Exit durch einen Börsengang oder der Weiterverkauf an einen strategischen Investor oder anderen Finanzinvestor gelingt. In diesem Jahr könnte der Markt neue Rekorde erreichen.Transaktionen im Bereich “Distressed-M & A” stehen unter hohem Zeitdruck. Das Unternehmen kann zusammenbrechen. Damit verbunden ist die Gefahr, dass Kunden verloren gehen. Während das Unternehmen einen schnellen Einstieg des Investors zur Überwindung der Krise anstrebt, muss dieser das Zielunternehmen einer Unternehmensprüfung (Due Diligence) unterziehen. Gerade in Restrukturierungsfällen ist eine umfassende finanzielle, rechtliche und steuerliche Due Diligence unerlässlich, zumal, wenn die Investoren nicht eigenes Geld, sondern Anleger- oder Aktionärsvermögen verwalten.Der Zielkonflikt zwischen schnellem Einstieg und sorgfältiger Prüfung kann nur durch die Strukturierung des Investment-Prozesses gelöst werden. Mit einem transparenten, fairen Bieterprozess lassen sich zeitraubende Auseinandersetzungen über den Verfahrensablauf vermeiden. Je besser die benötigten Informationen für die Interessenten aufbereitet sind, desto schneller ist die Prüfung beendet. Vor diesem Hintergrund sind gerade auch in der Krise Aufwand und Kosten der Einrichtung eines Datenraumes durch den Verkäufer (Vendor Due Diligence) gerechtfertigt. Um Belastungen des ohnehin schwierigen operativen Geschäfts zu vermeiden, sollte dies möglichst extern geschehen. Selbst Insolvenzverwalter, die bestrebt sind, das Unternehmen zwecks Fortführung und Erhalt von Arbeitsplätzen zügig an einen Investor zu übergeben, greifen heute vermehrt auf solche Mittel der äußeren Prozesssteuerung zurück. Ein gut aufbereiteter Datenraum erhöht zudem das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen. Nicht zuletzt lassen sich durch einen strukturierten Verkaufsprozess die Verkaufserlöse steigern. Einstiegsvarianten Ist die Grundentscheidung des Investors für das Engagement gefallen, stellt sich die Frage, auf welche Weise der Einstieg erfolgen soll und wie dieser mit der Sanierungsplanung verknüpft wird. Drei Einstiegsvarianten sind typisch: Der Anteilserwerb (share-deal), der Erwerb von einzelnen Betrieben (asset-deal) und schließlich der Einstieg über den Kauf von Forderungen. Zu differenzieren ist zunächst, ob der Einstieg und die Sanierung außergerichtlich (out-of-court restructuring) oder mit den Mitteln des Insolvenzrechts (in-court restructuring) erfolgen soll. Bei der außergerichtlichen Sanierung, zeitlich vor dem Insolvenzantrag, steht zunächst der Kauf des Rechtsträgers von den bisherigen Gesellschaftern im Vordergrund. Sinnvollerweise erfolgt dies in Abstimmung mit den Gläubigern, da diese in den nachfolgenden Sanierungsprozess miteingebunden werden müssen. Besonderheiten ergeben sich, wenn die Gesellschaftsanteile an einen Gläubiger verpfändet sind: Dann ist sogar ein Erwerb gegen den Willen der Gesellschafter möglich, nämlich im Wege der Pfandverwertung durch öffentliche Versteigerung (§§ 1273 Abs. 2, 1235 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) wie bei der LambdaNet AG. Der Erwerb des Rechtsträgers ist wirtschaftlich aber nur sinnvoll, wenn der Restrukturierungsplan erfolgreich umgesetzt werden kann. Das muss im Voraus geklärt werden. Wird der Geschäftsbetrieb oder ein Teil des Geschäftsbetriebs vor der Insolvenz im Wege eines Asset- Deals erworben, kann die Insolvenzgefahr vermieden werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass der Erwerb bei einer späteren Insolvenz des Krisenunternehmens nicht per Insolvenzanfechtung rückgängig gemacht werden kann. Deshalb muss dem in der Krise befindlichen Rechtsträger eine gleichwertige Gegenleistung für den übertragenen Geschäftsbetrieb unmittelbar und innerhalb von vier Wochen zufließen (sog. “Bargeschäft”). In der Praxis wird die Gleichwertigkeit häufig mit einem Gutachten eines Wirtschaftsprüfers abgesichert, das den Kaufpreis rechtfertigt. Schließlich kann der Einstieg über den Erwerb von Gläubigerforderungen erfolgen. Ziel des Forderungserwerbs ist es in der Regel, Druck auf die Mehrheitsgesellschafter auszuüben, um entweder deren Anteile direkt zu erwerben oder aber die Zustimmung zu einer Sachkapitalerhöhung zu erlangen, bei der die erworbene Forderung gegen Ausgabe neuer Anteile an den Investor in die Gesellschaft eingebracht wird. Um die erwünschten Mehrheitsverhältnisse herzustellen, kann zudem eine Kapitalherabsetzung vorab durchgeführt werden. Dies ist regelmäßig wegen der aufgelaufenen Verluste im vereinfachten Verfahren möglich, das heißt ohne Gläubigereinbeziehung und Wartefrist (§§ 229 ff. Aktiengesetz; §§ 58a ff. GmbH-Gesetz). Problematisch ist jedoch die Werthaltigkeit der Forderung, die für die Sacheinlage erforderlich ist. Sie muss durch ein Wirtschaftsprüfergutachten belegt werden. In der Krise wird die Forderung aber oft nicht voll werthaltig sein. Ferner ist insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften eine sorgsame Vorbereitung der Maßnahmen erforderlich, die von der Hauptversammlung beschlossen werden sollen. Denn selbst wenn sich der Investor mit den Hauptgesellschaftern geeinigt hat, drohen bei formalen Fehlern Anfechtungsklagen von Kleinaktionären oder “Berufsklägern” wie bei der Senator Entertainment AG. InsolvenzplanIst ein Insolvenzantrag gestellt, ändern sich die Rahmenbedingungen für einen Einstieg grundlegend: Wichtigster Ansprechpartner wird in der Regel der (vorläufige) Insolvenzverwalter. Der Erwerb von Anteilen an einer insolventen Gesellschaft ist nur sinnvoll, wenn die Gesellschaft wieder aus der Insolvenz herausgeführt werden kann. Dafür bietet sich der Insolvenzplan an, wie bei der Drogeriekette “Ihr Platz”. Der Insolvenzplan kann auch mit einer Kapitalerhöhung verbunden werden, die durch den Investor gezeichnet wird. Das geschieht meist nach vorhergehender vereinfachter Kapitalherabsetzung. Mit dem eingezahlten Kapital werden die Gläubiger nach der in einem Insolvenzplan vorgesehenen Quote befriedigt; das operative Geschäft wird fortgeführt. Kapitalerhöhung und Insolvenzplan sind dabei gegenseitig bedingt: Der Investor zahlt auf die neuen Aktien nur ein, wenn die Gläubiger dem Insolvenzplan zugestimmt haben. Außerdem muss das Insolvenzgericht den Plan bestätigt und das Insolvenzverfahren nach Rechtskraft des Plans aufgehoben (§ 258 Insolvenzordnung, InsO) haben. Bei einer gut geplanten Insolvenz mit vorbereitetem Insolvenzplan (pre-packaged plan) kann das Verfahren in wenigen Monaten zum Abschluss gebracht werden wie bei der Herlitz AG. Die häufigste Lösung ist jedoch der Asset-Deal, in dem der Betrieb oder Teile davon aus der Insolvenzmasse auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden (“übertragende Sanierung”). Zu beachten ist, dass auch in der Insolvenz Arbeitsverträge gemäß § 613a BGB auf den Übernehmer des Betriebs übergehen – oft die höchste Einstiegshürde. Schließlich ist der Erwerb von Forderungen gegen ein insolventes Unternehmen möglich. Wichtig ist, dass betragsmäßig die Mehrheit der – wertberichtigten – Forderungen erworben wird. Durch einen Rangrücktritt kann die Überschuldung beseitigt werden. Entfällt damit der Insolvenzgrund, kann der Investor im Eröffnungsverfahren den Eröffnungsantrag zurücknehmen, so geschehen bei der Intertainment AG. Oder er kann nach Insolvenzeröffnung die Einstellung des Verfahrens beantragen (§ 212 InsO). MaßgeschneidertZunehmend kombinieren Investoren die verschiedenen Transaktionsvarianten zu einer maßgeschneiderten Struktur. So kaufen sie zuerst die Forderungen auf, dann erwerben sie den Geschäftsbetrieb in einem Asset-Deal vom Insolvenzverwalter. Als Gläubiger kann der Investor mehr bieten als andere Kaufinteressenten, denn er bekommt einen Teil des Kaufpreises über die Quote zurück. Mit solchen Strukturen lassen sich Risiken begrenzen und gleichzeitig die Rendite steigern. *) Dr. Christian C.-W. Pleister ist Partner im Berliner Büro, Dr. Thomas Hoffmann ist Partner im Frankfurter Büro von Nörr Stiefenhofer Lutz Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer.