Mediationsgesetz verfehlt das Ziel
Von Michael Weigel *) Die EuropĂ€ische Kommission unternimmt derzeit erhebliche Anstrengungen, um Verfahren zur alternative Streitbeilegung (ADR) zu fördern. Ziel ist es, dabei die staatlichen Gerichte zu entlasten, um Einsparungen im Justizhaushalt zu ermöglichen. So war ADR etwa eine wesentliche Komponente der Initiative zur Schaffung von Verfahren zur kollektiven Regelung von MassenschĂ€den in Verbrauchersachen. DarĂŒber hinaus ist eine Konsultation zur alternativen Streitbeilegungsmöglichkeit in Bezug auf HandelsgeschĂ€fte insbesondere gegenĂŒber Verbrauchern im Gange. Im EinvernehmenBereits vor einiger Zeit hat die EU eine Richtlinie zur Förderung der Streitbeilegung im Wege der Mediation verabschiedet, zu deren Umsetzung die Bundesregierung einen Entwurf fĂŒr ein Mediationsgesetz vorgelegt hat. Aber, was ist eigentlich Mediation? Auch bei staatlichen Gerichten und Schiedsgerichtsverfahren wird seit langem der Versuch unternommen, den Streit zwischen den Parteien durch eine einvernehmliche Regelung zu lösen. Dies nicht zuletzt, um den mit der Abfassung eines Urteils verbundenen Aufwand zu vermeiden.Eine solche einvernehmliche Regelung ist auch das Ziel der Mediation, wobei dem Mediator allerdings nur die Funktion zukommt, wie ein Katalysator die Einigung zwischen den Parteien zu fördern, ohne die Möglichkeit zu haben, wie ein staatlicher oder Schiedsrichter eine fĂŒr beide Seiten treffende Entscheidung zu fĂ€llen, wenn eine Einigung letztlich scheitert. Anders als VergleichsschlĂŒsse in Gerichts- oder Schiedsverfahren beruht die Einigung zwischen den Beteiligten in einem Mediationsverfahren im Erfolgsfalle daher weniger auf der vom (Schieds-) Gericht kundgetanen EinschĂ€tzungen des Prozessrisikos, sondern auf möglichen Synergien oder sonstigen gemeinsamen oder beiderseitigen Zielen, die es beiden Parteien ermöglicht in Bezug auf die zwischen ihnen streitige Rechtsfrage Konzessionen zu machen. Deshalb sind oft auch Personen als Mediator tĂ€tig, die keine juristische, sondern eine psychologische Ausbildung haben.Dazu scheint nur wenig zu passen, dass es auch die sogenannte âgerichtsnaheâ oder sogar âgerichtsinterneâ Mediation gibt. Soweit hier ein Berufsrichter als Mediator agiert, ist er zur Entscheidung ĂŒber den bei Gericht anhĂ€ngigen Rechtsstreit allerdings nicht befugt. Es handelt sich also nicht um den zur Entscheidung eines bereits anhĂ€ngigen Prozesses zustĂ€ndigen Richter, sondern einen anderen, der quasi im Nebenamt handelt.Hintergrund fĂŒr die EinfĂŒhrung der gerichtsnahen Mediation war es, dem mit der Entscheidung eines Falles befassten Richter die Möglichkeit einzurĂ€umen, den Parteien eine Mediation vorzuschlagen, wenn er nach LektĂŒre der Akten den Eindruck hat, dass sich ein Rechtsstreit fĂŒr eine gĂŒtliche Einigung eignet. Gleichzeitig sollte in einem solchen Fall eine neutrale und rechtskundige Institution zur DurchfĂŒhrung der Mediation angeboten werden, die bei einer Einigung auch noch im Stande ist, einen vollstreckungsfĂ€higen, weil dann doch âgerichtlichenâ Vergleich zu produzieren.Die Richter, die eine solche Aufgabe ĂŒbernehmen, sind erfahrungsgemÀà besonders motiviert und haben darĂŒber hinaus auch eine Zusatzausbildung als Mediator absolviert. Trotzdem wird von den BefĂŒrwortern der Mediation zunehmend die Auffassung vertreten, dass das Mediationsverfahren von der Gerichtsorganisation strikt getrennt werden sollten, weil es um etwas konzeptionell völlig anderes gehe, als die richterliche TĂ€tigkeit und die Gerichtsverwaltung durch den Aufbau einer Mediationsorganisation zusĂ€tzlich belastet wird.In dem neu vorgelegten Gesetzentwurf finden sich neben einer Begriffsdefinition einschlieĂlich der gerichtsnahen Mediation, Regeln ĂŒber die Grundlagen des Verfahrens, wie insbesondere die Behandlung von Interessenkonflikten und möglichen BefangenheitsgrĂŒnden sowie eine Verschwiegenheitspflicht des Mediators. Ferner ist im Gesetz eine Aus- und Weiterbildungsverpflichtung des Mediators enthalten.DemgegenĂŒber sind die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Mediatoren im Gesetzestext nicht geregelt. Um diese festzulegen, wurde vielmehr unlĂ€ngst eine Kommission aus Vertretern verschiedener BerufsverbĂ€nde und sonstige Interessengruppen gebildet, der sog. Bundesarbeitskreis Zertifizierung von Mediatorinnen und Mediatoren (BRM). Klar ist derzeit lediglich, dass die BefĂ€higung zum Richteramt, d. h. eine durch zwei Staatsexamen abgeschlossene juristische Ausbildung, wie sie fĂŒr eine TĂ€tigkeit als Richter, Rechtsanwalt oder Notar verlangt wird, fĂŒr die TĂ€tigkeit als Mediator nicht erforderlich sein wird.Trotzdem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass aufgrund einer Mediation zustande gekommene Vergleichsvereinbarungen fĂŒr vollstreckbar erklĂ€rt und dann auch mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden können, selbst wenn die Parteien wĂ€hrend des Mediationsverfahrens nicht anwaltlich vertreten waren und auch sonst kein Jurist mitgewirkt hat.Eine VollstreckbarerklĂ€rung ist bisher auĂer bei gerichtlichen Entscheidungen â unter gewissen Voraussetzungen â nur bei sogenannten Anwaltsvergleichen und notariellen Urkunden möglich. Die Gefahren, die sich ergeben, wenn eine Vereinbarung mit staatlichen ZwangsmaĂnahmen vollstreckt werden kann, ohne dass an ihrem Zustandekommen zumindest ein Volljurist mitgewirkt hat, sind offensichtlich.Der Gesetzentwurf versucht dem dadurch Rechnung zu tragen, dass Mediationsvergleiche erst nach Anhörung des Beteiligten, gegen den sich die Vollstreckung ggfls. richtet, durch ein Gericht fĂŒr vollstreckbar erklĂ€rt werden können, das hierbei den Inhalt auf VollstreckungsfĂ€higkeit ĂŒberprĂŒfen soll. Dies dĂŒrfte ohne Kenntnis der wĂ€hrend des Mediationsverfahrens zutage getretenen HintergrĂŒnde des Streites und dessen Beilegung, die dem Gericht fehlen, jedoch nur schwer möglich sein.DarĂŒber hinaus ist in keiner Weise sicher gestellt, dass die Parteien bei Abschluss des Mediationsvergleichs ĂŒber dessen rechtliche Auswirkungen von einer entsprechend qualifizierten Person belehrt werden, wie es sowohl bei dem Abschluss eines Anwaltsvergleichs als auch bei dem Zustandekommen einer notariellen Urkunde gewĂ€hrleistet ist. Mit den Zielen des Rechtsberatungsdienstleistungsgesetzes, durch das sicher gestellt werden soll, dass die Behandlung von Rechtsfragen â auĂer in eng begrenzten AusnahmefĂ€llen â nur durch entsprechend qualifizierte und gegen SchĂ€den entsprechend versicherte Personen erfolgt, dĂŒrfte dies schwerlich in Einklang zu bringen sein.Andererseits ist den Beteiligten auch wenig mit einem Mediationsvergleich gedient, der u. U. nach langen Verhandlungen geschlossen wurde, wenn das Gericht spĂ€ter die VollstreckbarerklĂ€rung ablehnt, weil der Vergleichsinhalt mangels rechtzeitiger Beteiligung eines Rechtskundigen unwirksam oder so unbestimmt ist, dass das Gericht auch nicht nachtrĂ€glich dafĂŒr sorgen kann, dass der Vergleich einen vollstreckungsfĂ€higen Inhalt erhĂ€lt, so dass die erzielte Einigung letztlich wirkungslos bleibt.Im Hinblick auf die Schwierigkeit, die zuweilen auch Gerichte haben, die in einem Rechtsstreit gefundene einvernehmliche Lösung in einen rechtlich bindenden und hinreichend bestimmten Vergleichstext umzusetzen ist, ist dies keineswegs so weit hergeholt wie es im ersten Moment klingen mag. Gerade im Familien- und Erbrecht gibt es etwa eine Vielzahl von zum Teil zwingenden Vorschriften, mit deren Kenntnis selbst bei Juristen, die nicht auf diesem Gebiet spezialisiert sind, nicht ohne weiteres gerechnet werden kann. Keine ProzesskostenhilfeFerner ist in dem Entwurf des Mediationsgesetzes auch nicht vorgesehen, dass einem Beteiligten an einem Mediationsverfahren hierfĂŒr Prozesskostenhilfe oder eine vergleichbare finanzielle UnterstĂŒtzung gewĂ€hrt werden kann, wenn er dessen bedarf. Dies hat praktisch zur Konsequenz, dass mittellosen Personen die Möglichkeit genommen wird, ihre Rechte in einem Mediationsverfahren zu verfolgen.Die Zielsetzung des Mediationsgesetzes, eine einvernehmliche Lösung von Rechtsstreiten auĂerhalb von Gerichten zu fördern, wird damit in wesentlichen Punkten verfehlt.â-*) Dr. Michael Weigel ist Rechtsanwalt und Partner der AnwaltssozietĂ€t Kaye Scholer in Frankfurt.