Recht und Kapitalmarkt

Mehr Markttransparenz fordert einen hohen Preis

Vorschriften der Mifid für alternative Handelssysteme sollen Innovationen fördern - Signifikante Kosten für Quotierungspflicht

Mehr Markttransparenz fordert einen hohen Preis

Von Peter Scherer und Holger Schelling *) Die Verbesserung der Markttransparenz ist eines der zentralen Anliegen der EU-Richtlinie zu Märkten in Finanzinstrumenten (Mifid). Mehr Markttransparenz soll den europaweiten Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Handelsplätzen intensivieren und somit Innovationen fördern sowie die Effizienz des Preisbildungsprozesses stärken. Verbesserungsbedarf sieht die EU vor allem im Bereich des Handels außerhalb der geregelten Märkte und multilateralen Handelsplattformen (MTF). Die Transparenzvorschriften werden zunächst nur für Aktien gelten, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Die EU-Kommission führt jedoch gegenwärtig ein Konsultationsverfahren zu der Frage durch, ob diese Vorschriften auch auf andere Gattungen von Finanzinstrumenten ausgedehnt werden sollten. Den erhofften Vorteilen für den Anleger stehen jedoch die zu erwartenden hohen Kosten für die betroffenen Wertpapierfirmen – und damit möglicherweise auch für die Kunden – sowie eine erhebliche Rechtsunsicherheit gegenüber. VeröffentlichungspflichtenDie Richtlinie, die bereits 2004 in Kraft getreten ist, aber noch durch zwei erst als Entwurf vorliegende Rechtsakte präzisiert und schließlich in nationales Recht umgesetzt werden muss, wird als Novum für deutsche Wertpapierfirmen die Pflicht zur Veröffentlichung von Geschäften vorsehen, die außerhalb eines geregelten Marktes oder einer multilateralen Handelsplattform abgeschlossen werden. Künftig müssen zahlreiche Informationen, wie zum Beispiel der Handelspreis, die Anzahl der gehandelten Aktien und die Handelszeit veröffentlicht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Handel auf eigene Rechnung oder im Namen eines Kunden erfolgt. Dabei sieht das europäische Recht vor, dass die Veröffentlichung der Geschäfte möglichst auf Echtzeitbasis und in einer Weise erfolgen soll, die anderen Marktteilnehmern einen leichten Zugang zu den Daten ermöglicht. Zur Veröffentlichung kann sich die Wertpapierfirma des Kommunikationssystems eines geregelten Marktes bedienen, an dem die jeweilige Aktie gehandelt wird. Alternativ kann auch ein eigenes Kommunikationssystem oder das eines Dritten verwendet werden. Sichergestellt muss aber auf jeden Fall sein, dass alle Marktteilnehmer zu angemessenen Bedingungen Zugang zu den veröffentlichungspflichtigen Informationen erlangen können. Keine Konsolidierung Eine Konsolidierung der veröffentlichten Daten mehrerer Wertpapierfirmen sieht die Mifid allerdings nicht vor. Erforderlich ist lediglich, dass die Veröffentlichung in einer Weise erfolgen soll, die eine Konsolidierung der Daten mit vergleichbaren Informationen aus anderen Quellen “erleichtert”. Dennoch führte das Committee of European Securities Regulators (CESR) kürzlich eine Konsultation zu der Frage durch, ob es weiterer rechtlicher Maßnahmen bedarf, insbesondere ob ein System zur Konsolidierung der anfallenden Daten zu schaffen sei. Die wohl überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an der Konsultation sprach sich jedoch gegen eine weitere Regulierung aus. Zutreffend wurde dabei darauf hingewiesen, dass der Markt selbst ein der Nachfrage nach konsolidierten Informationen entsprechendes Angebot schaffen wird. Zu der Pflicht, Geschäfte nach dem Handel zu veröffentlichen, tritt eine Quotierungspflicht für sogenannte “systematische Internalisierer” hinzu. Hierbei handelt es sich um Wertpapierfirmen, die außerhalb eines geregelten Marktes oder einer multilateralen Handelsplattform in systematischer Weise Internalisierung, also die Abwicklung von Kundenorders gegen den eigenen Handelsbestand, betreiben.Soweit sie die Internalisierung mit Aktien betreiben, die an einem geregelten Markt gehandelt werden, sind sie künftig verpflichtet, verbindliche Angebote (Quotes) abzugeben. Hierbei handelt es sich somit nicht nur um eine Transparenzvorschrift, vielmehr sieht das europäische Recht hier einen Kontrahierungszwang vor. Zwar können systematische Internalisierer selbst entscheiden, wem sie Zugang zu ihren Kursangeboten gewähren wollen. Einem Marktteilnehmer darf der Zugang aber nur verweigert werden, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt. Wie die Beweislastverteilung im Fall einer Ablehnung eines Marktteilnehmers ausgestaltet sein wird, hängt von den Einzelheiten in den nationalen Umsetzungsmaßnahmen ab. Es spricht jedoch viel dafür, dass den systematischen Internalisierer zumindest eine sogenannte “sekundäre Beweislast” treffen wird, das heißt, dass er im Streitfall seine Geschäftspolitik sowie die Gründe darlegen muss, weshalb er einen bestimmten Marktteilnehmer als Kunden ablehnt oder eine bestehende Geschäftsbeziehung abgebrochen hat.Die Quotierungspflichten gelten allerdings nur für liquide Aktien. Darunter sind Aktien mit einem Free Float von mindestens 500 Mill. Euro zu verstehen, wobei die durchschnittliche tägliche Anzahl an Transaktionen mindestens 500 oder das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen mindestens 2 Mill. Euro betragen muss. Da es einer Wertpapierfirma kaum möglich ist, hinsichtlich jeder Aktie, in der sie handelt, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, werden die zuständigen nationalen Behörden verpflichtet, mindestens einmal im Jahr eine Liste mit Aktien vorzulegen, die als “liquide” im vorgenannten Sinne gelten. Neben den hohen Kosten, die mit Investitionen in die zur Erfüllung der Quotierungspflicht erforderliche IT-Infrastruktur verbunden sein werden, besteht auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob eine Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer gilt.Schwierig kann die Beurteilung deshalb sein, weil die Definition des systematischen Internalisierers mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Es wird darauf abgestellt, dass die Wertpapierfirma “organisiert, häufig und systematisch” auf eigene Rechnung Kundenaufträge außerhalb eines organisierten Marktes oder einer multilateralen Handelsplattform ausführt. Der momentan aktuelle Entwurf der Umsetzungsverordnung enthält nur wenige Anhaltspunkte zur Definition des systematischen Internalisierers. So wird darauf abgestellt, ob das Internalisieren eine “bedeutende kommerzieller Rolle” im Geschäftsmodell der Wertpapierfirma besitzt und ob es nach Regeln und Verfahren ausgeübt wird, die dem Internalisierer kein eigenes Ermessen überlassen. Noch weniger aussagekräftig ist ein weiteres Kriterium, nämlich ob “diese Tätigkeit ( . . . ) von Personal bzw. mittels eines automatisierten technischen Systems ausgeführt (wird), das zu diesem Zweck vorgesehen ist, und zwar unabhängig davon, ob sich das Personal ausschließlich diesem Zweck widmet bzw. das System ausschließlich darauf abgestimmt ist.” Dies dürfte wohl auf jeden Tätigkeitsbereich einer Wertpapierfirma zutreffen, da es keine Tätigkeit gibt, für die nicht Personal oder eine technische Infrastruktur vorhanden sein muss. Schließlich stellt der Verordnungsentwurf noch darauf ab, ob die Tätigkeit “den Kunden auf regelmäßiger oder kontinuierlicher Basis zur Verfügung” steht. Damit werden die unbestimmten Rechtsbegriffe der Richtlinie jedoch lediglich wiederholt, nicht aber konkretisiert. Neuer TypusDer systematische Internalisierer ist aus der Sicht des deutschen Rechts ein neuer Typus von Marktteilnehmer. Angesichts der weitreichenden Folgen, die mit der Klassifizierung als systematischer Internalisierer verbunden sind, sollten Wertpapierfirmen möglichst frühzeitig prüfen, ob sie mit ihrer aktuellen oder künftigen Geschäftstätigkeit unter die Definition des systematischen Internalisierers fallen können. Unternehmen, für die dies zu bejahen ist, müssen sich sorgfältig überlegen, ob ihnen die Fortführung solcher bisherigen Tätigkeiten den zu erwartenden Aufwand wert ist und, wenn dies bejaht wird, wie sie sich technisch und organisatorisch rechtzeitig vorbereiten können.*) Rechtsanwalt Peter Scherer LL.M. ist Partner, Rechtsanwalt Holger Schelling LL.M. Associate der Kanzlei Clifford Chance.