Recht und Kapitalmarkt

Mehr Sicherheit bei der Kapitalerhaltung

Reform macht GmbH wieder international konkurrenzfähig - Grünes Licht für Cash Pooling

Mehr Sicherheit bei der Kapitalerhaltung

Von Harald Gesell und Günter Seulen *) Ende Mai hat das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf eines “Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen” (MoMiG) vorgelegt. Es soll das GmbH-Gesetz, aber auch das Aktien-Gesetz, in wesentlichen Punkten reformieren. Die Bundesregierung will die GmbH wieder international konkurrenzfähig machen; ausländische Rechtsformen, vor allem die englische Limited, sind in den vergangenen Jahren zunehmend in Konkurrenz zu der deutschen Rechtsform getreten. Geplant sind insbesondere einschneidende Änderungen im Recht der Kapitalerhaltung bei GmbH und Aktiengesellschaft – damit reagiert Berlin auf die teils sehr restriktive Rechtsprechung des BGH, die in der Praxis bisher zu enormen Schwierigkeiten führt. Der BGH hatte im November 2003 entschieden, dass Darlehen einer GmbH oder einer AG an ihre Gesellschafter (Upstream-Darlehen) nur zulässig sind, soweit sie aus dem freien, das Stamm- bzw. Grundkapital übersteigenden Vermögen erbracht werden können. Die Karlsruher Richter stellen damit das Darlehen einer endgültigen Auszahlung gleich, die nach dem Gesetz nicht aus dem zur Deckung des Stamm- bzw. Grundkapitals erforderlichen Vermögen erfolgen darf. Vor diesem Urteil wurden Upstream-Darlehen dagegen stets für zulässig gehalten, wenn die Rückzahlungsforderung werthaltig ist. Auch beim Cash Pooling wird die in der Unternehmensgruppe vorhandene Liquidität mittels Upstream-Darlehen bei dem Cash-Pool-Führer gebündelt. Mit seinem Urteil hat der BGH das Cash Pooling daher deutlich erschwert. Die Unsicherheit in der Praxis ist seitdem groß, zumal die beteiligten Geschäftsführer bzw. Vorstände im schlimmsten Fall persönlich für die ausgereichten Darlehen haften.Nach dem Gesetzentwurf sollen dagegen Upstream-Darlehen auch dann möglich sein, wenn sie – bei Außerachtlassung des Rückzahlungsanspruchs – das gebundene Vermögen angreifen würden. Voraussetzung ist, dass das Darlehen im Interesse der Gesellschaft liegt. Als Indizien für das Gesellschaftsinteresse nennt der Gesetzentwurf beispielhaft die Marktüblichkeit der Konditionen, die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs und die Möglichkeit der Gesellschaft, sich über die Zahlungsfähigkeit ihres Darlehensnehmers zeitnah zu informieren und das Darlehen ggf. kurzfristig zu kündigen. Cash Pooling hilft den Gesellschaften, externe Finanzierungskosten zu sparen. Ein Gesellschaftsinteresse an dem Cash Pooling wird daher regelmäßig zu bejahen sein, sofern der Rückzahlungsanspruch gegen den Cash-Pool-Führer vollwertig ist. Im Ergebnis lässt der Gesetzgeber das Cash Pooling damit wieder in ähnlichem Umfang zu, wie es vor dem BGH-Urteil anerkannt war. Die Gesetzesänderung wird es daher einem Großteil der betroffenen Gesellschaften wieder ermöglichen, ohne Gesetzesverstöße und Haftungsrisiken am Cash Pooling teilzunehmen. Eigenes RegelwerkAuch für Darlehen des Gesellschafters an die GmbH oder AG plant der Gesetzgeber eine Abkehr von der Rechtsprechung des BGH. Nach geltendem Recht sind solche Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall nachrangig gegenüber den Forderungen von Drittgläubigern, wenn sie “eigenkapitalersetzend” sind, d. h. in einer finanziellen Krise der Gesellschaft gewährt oder stehen gelassen wurden. Außerhalb der Insolvenz dürfen solche Darlehen nur eingeschränkt zurückgezahlt werden. Die Gerichte haben diese Grundsätze über drei Jahrzehnte immer weiter ausgedehnt und zusätzlich ein eigenes Regelwerk entwickelt – die komplexe Rechtslage war zuletzt nur noch für Experten nachvollziehbar. BefreiungsschlagDer Entwurf des MoMiG sieht nun einen Befreiungsschlag vor, mit dem die Regelungen für Gesellschafterdarlehen deutlich vereinfacht würden: Die Einordnung bestimmter Darlehen als “eigenkapitalersetzend” soll fortfallen. Stattdessen sollen künftig alle Gesellschafterdarlehen im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft nachrangig sein. Zahlt die Gesellschaft im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag ein Gesellschafterdarlehen zurück, soll der Insolvenzverwalter das Geld stets zurückfordern können. Frühere Rückzahlungen kann der Gesellschafter dagegen behalten. Diese Regelungen sollen künftig im Grundsatz für alle Gesellschaftsformen gelten, auch für kapitalistisch strukturierte Personengesellschaften wie die GmbH & Co. KG und für ausländische Gesellschaften mit Sitz in Deutschland. Mit dieser klaren Regelung würden viele der bisherigen Rechtsunsicherheiten beseitigt – ein “Federstrich” des Gesetzgebers, der Bände von Gerichtsentscheidungen zur Makulatur werden lässt.Der MoMiG-Entwurf enthält eine Reihe weiterer, bedeutsamer Neuerungen. So soll das Mindestkapital einer GmbH künftig 10 000 Euro statt bisher 25 000 Euro betragen. Ein erster Anlauf der Regierung Schröder zu dieser Änderung vor einem Jahr war an den Neuwahlen gescheitert. Kleinunternehmern soll so der Weg in die GmbH erleichtert werden. Zuletzt wählten diese oft die Rechtsform der Limited – und ließen dabei die damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten außer Acht. Deutsche Gesellschaften sollen künftig ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen können. Bisher können nach der Rechtsprechung des EuGH Gesellschaften in der Rechtsform eines anderen EU-Mitgliedstaates, wie die Limited, ihren alleinigen Verwaltungssitz zwar in Deutschland haben. Noch nicht eindeutig entschieden hat das europäische Gericht dagegen, ob die EU-Mitgliedstaaten den jeweiligen inländischen Gesellschaften trotz der EU-Niederlassungsfreiheit den Wegzug in das Ausland erschweren dürfen. Deutsche GmbHs und Aktiengesellschaften müssen daher bisher sowohl ihren satzungsmäßigen Sitz wie auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland haben. Nach dem MoMiG-Entwurf soll dagegen künftig nur noch der Satzungssitz in Deutschland liegen müssen, die Geschäftstätigkeit kann dagegen auch im Ausland entfaltet werden. Damit werden deutsche Kapitalgesellschaften ähnlich mobil wie die Rechtsformen anderer EU-Staaten. Allerdings müssen die Gesellschaften weiterhin eine Anschrift im Inland benennen, die auch im Handelsregister eingetragen wird und an die zum Beispiel Klageschriften zugestellt werden können.Eine weitere Neuregelung wird vor allem für Unternehmenskäufe wichtig werden: Künftig soll es möglich sein, einen Geschäftsanteil an einer GmbH gutgläubig von einem nichtberechtigten Verkäufer zu erwerben. Voraussetzung: Der Verkäufer ist seit mindestens drei Jahren unwidersprochen in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste eingetragen. Bisher muss der Käufer den Übertragungsweg der Geschäftsanteile bis zur Gründung der Gesellschaft zurückverfolgen, um sicher zu sein, dass sein Vertragspartner auch wirklich der Inhaber ist (sog. “chain of title due diligence”). Mehrere neue Vorschriften sollen sicherstellen, dass die Gesellschafterliste bei jedem Gesellschafterwechsel aktualisiert wird. Umständlich ist allerdings, dass der Erwerber künftig erst dann Gesellschafterrechte ausüben können soll, wenn die Geschäftsführer oder der beurkundende Notar die aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht haben. Mutiger SchrittWeitere im MoMiG-Entwurf vorgesehene Änderungen sollen die Gesellschaftsgründung beschleunigen und Missbräuche im Zusammenhang mit der “Beerdigung” von GmbHs bekämpfen. Hierzu werden unter anderem die Gesellschafter stärker in die Pflicht und ggf. auch in die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft genommen, wenn eine GmbH keine Geschäftsführer mehr hat und führungslos ist. Das gilt insbesondere für die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages. Wird dieser verschleppt, droht neben der zivilrechtlichen auch eine strafrechtliche Haftung.Insgesamt bedarf es sicherlich noch Nachbesserungen in Detailfra-gen. Grundsätzlich ist das Gesetz aber ein mutiger Schritt zur Vereinfachung und Modernisierung des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts und macht die GmbH international wieder konkurrenzfähig.*) Dr. Harald Gesell ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Günter Seulen ist Rechtsanwalt im Kölner Büro von Linklaters.