Recht und Kapitalmarkt

Mehr Transparenz bei Cash-Equity-Swaps

Auslegungsschreiben der Finanzmarktaufsicht würde für mehr Klarheit sorgen

Mehr Transparenz bei Cash-Equity-Swaps

Von Christoph H. Seibt *) Der gegenüber dem Kapitalmarkt nicht offengelegte Beteiligungsaufbau vor dem Übernahmeangebot der Schaeffler-Gruppe für Continental und die hierauf bezogenen Untersuchungsergebnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) haben bei deutschen und ausländischen Fonds, Aktionärsvereinigungen, aber auch bei Unternehmensleitungen börsennotierter Unternehmen zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. So haben sich Dax-Finanzvorstände gemeinsam an den Bundesfinanzminister gewandt und eine gesetzliche Verbesserung kapitalmarktrechtlicher Transparenz- und Meldepflichten angeregt (vgl. BZ vom 29. August). Zuvor hatten einzelne Institutionen und Personen inhaltlich vergleichbare Depechen an das Ministerium gerichtet. Dax-Finanzchefs analysieren In dem Schreiben analysieren die Dax-Finanzvorstände, dass das deutsche Kapitalmarktrecht auch nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes eine Intransparenz der Aktionärsstruktur und des Beteiligungsaufbaus zulässt. Dies werde in anderen etablierten Kapitalmärkten als nicht akzeptabel angesehen und gehe zu Lasten der Anleger und weiterer Marktteilnehmer sowie des Zielunternehmens selbst. Über Cash-Equity-Swaps – in der Grundform Kurssicherungsgeschäfte, die durch Geldleistung und keine Aktienlieferung abgewickelt werden – könnten Investoren offensichtlich wirtschaftlich hohe Positionen an einem Börsenunternehmen aufbauen, ohne dass dies der Kapitalmarkt erfahre. Selbst bei Namensaktien sei es immer noch akzeptierte Praxis, dass die Positionen wirtschaftlicher Eigentümer hinter Street-Names-Vorschaltgesellschaften verschleiert werden könnten. In Anlehnung an ausländische Kapitalmarktrechte (Schweiz, Großbritannien, USA) regen die Finanzvorstände an, die Melde- und Zurechnungsvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) im Interesse effizienter Kapitalmärkte auf weitere Gestaltungen zu erweitern und zusammengefasst zu behandeln. Erfasst werden sollten alle Gestaltungen, “mit denen jemand allein oder gemeinsam mit anderen Aktien oder andere Wertpapiere eines Unternehmens direkt oder indirekt erwirbt oder durch die Wirkung der Abreden wirtschaftlicher Eigentümer solcher Papiere wird”, sowie solche, “bei denen das Recht erworben wird, solche Papiere binnen eines Zeitraums von zwei Jahren zu erwerben oder deren wirtschaftlicher Eigentümer zu werden”. Dieser Vorstoß, aber auch die Einzelschreiben von Fonds und Aktionärsschutzvereinigungen, ist auch eine Reaktion auf die Entscheidung der BaFin vom 21. August, in der die Aufsicht zur Überraschung weiter Kreise von Praxis und Wissenschaft mitgeteilt hatte, “nicht feststellen zu können”, dass Schaeffler gegen kapitalmarktrechtliche Meldepflichten verstoßen hat. Aus den Auskünften und Unterlagen, die sie eingeholt habe, hätte die BaFin nicht entnehmen können, dass es zurechnungsrelevante Abreden gegeben habe, etwa dass eine Bank als Koordinatorin von Swap-Geschäften für Schaeffler fungierte oder dass zur Absicherung erworbene Aktien in ein späteres Übernahmeangebot eingeliefert werden müssten. Erinnerung an die BörseDiese BaFin-Mitteilung erinnert in ihrer Sachverhaltsorientierung, Hinweisen auf Ermittlungsbemühungen und im sprachlichen Duktus an die Mitteilung zum Machtkampf um die Deutsche Börse 2005, in der ein abgestimmtes Verhalten von Hedgefonds nicht festgestellt werden konnte. Sie scheint zu implizieren, dass die BaFin bei bestimmten (aber hier eben nicht nachweisbaren) Sondergestaltungen von Equity-Swap-Geschäften davon ausgeht, dass diese bereits den Melde- und Zurechnungsvorschriften unterfallen. Die Initiative der Dax-Finanzvorstände ist in ihrer Zielsetzung unterstützenswert: Es geht darum, rechtssichere und international harmonisierte Offenlegungs- und Zurechnungsstandards zu entwickeln, ohne durch gesetzliche Neuregelungen bloße Sicherungsgeschäfte zu erfassen, die auch keinen potenziellen Unternehmenseinfluss vermitteln. Bei einer zu weit gefassten Einbeziehung von Standard-Finanzprodukten wird allerdings das Ziel einer aussagekräftigen Kapitalmarkttransparenz ebenfalls verfehlt, und es entsteht eine neue Unübersichtlichkeit. Kein SchnellschussDer Kapitalmarkt braucht daher auch keinen gesetzgeberischen Schnellschuss, sondern eine sorgfältige Analyse der Sachverhalte, bei denen trotz Trennung von wirtschaftlichem Aktienwert und Stimmrechten ein Unternehmenseinfluss vermittelt wird bzw. werden kann und somit die Interessen der Anleger, sonstiger Marktteilnehmer und des Zielunternehmens erheblich betroffen sind.Das ist beispielsweise der Fall, wenn die konkreten Swap-Geschäfte aufgrund der Vertragsbedingungen in der Abwicklung wirtschaftlich nahezu zwingend zur Aktienlieferung führen. Solche Sondergestaltungen unterfallen bei europarechtskonformer Auslegung schon heute den Melde- und Zurechnungsnormen des WpHG und WpÜG. Dies sollte aus Gründen der Rechtssicherheit in einem Auslegungsschreiben der BaFin festgehalten werden. Wenn die BaFin dann darüber hinaus zur Behandlung dieser komplexen Sachverhalte noch stärker die gesamte Breite ihrer Ermittlungsbefugnisse und rechtsdurchsetzenden Sanktionen nutzt, bedarf es keiner (klarstellenden) Gesetzesänderung mehr, um das Ziel der Dax-Finanzvorstände zu erreichen. In prozessualer Hinsicht könnte erwogen werden, Zielunternehmen in Übernahmeverfahren eine gesetzliche Verfahrensbeteiligung zuzubilligen, um die Ermittlung kritischer Beteiligungssachverhalte durch die BaFin effektiver zu gestalten. *) Prof. Dr. Christoph H. Seibt ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer sowie Honorarprofessor an der Bucerius Law School. Er berät Continental beim Übernahmeangebot durch die Schaeffler-Gruppe.