Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Hendrik Riedel

Meldepflichten: Absicht zum Einsatz von Finanzinstrumenten sollte zählen

Porsche/VW, Schaeffler/Conti: Einführung des Missbrauchstatbestands möglich

Meldepflichten: Absicht zum Einsatz von Finanzinstrumenten sollte zählen

– Herr Riedel, die extremen Kursreaktionen der VW-Aktie nach Bekanntwerden der tatsächlich bestehenden Optionen bei Porsche sowie der nicht offengelegte Beteiligungsaufbau bei Continental mit Hilfe ähnlicher Finanzinstrumente im Fall des Übernahmeangebots der Schaeffler-Gruppe haben zu kontroversen Diskussionen über die Notwendigkeit verschärfter Meldepflichten geführt. Reichen diese aus? Die Fallgestaltung bei Schaeffler/Continental wird nicht von den derzeitigen Meldepflichten erfasst. Bei dem ermittelten Sachverhalt ist das Ergebnis der Aufsicht BaFin richtig. Schaeffler musste ihre über Cash-Equity-Swaps aufgebauten Positionen nicht offenlegen. Die BaFin hat in dem Zusammenhang auch auf die entscheidenden Kriterien nach heutiger Rechtslage hingewiesen. Eine Zurechnung – und damit Meldepflicht – wäre nur gegeben, wenn Schaeffler einseitig Lieferung der zur Absicherung des Swap-Geschäfts erworbenen Conti-Aktien hätte verlangen können oder wenn Banken den Aktienerwerb koordiniert und Schaeffler Kontrolle darüber gehabt hätte. Beides war jedoch nicht der Fall. Im Ergebnis fallen auch die von Porsche eingesetzten cashgesettelten Optionen aus dem gleichen Grund nicht unter die Meldepflichten. – Ist damit denn noch die für einen funktionierenden Kapitalmarkt erforderliche Transparenz gewährleistet? Die Fälle zeigen eine Lücke auf. Diese ließe sich jedoch nicht einfach durch eine Erweiterung der Meldepflicht auf bestimmte Finanzinstrumente schließen. Praktisch bestünde das Problem, die relevanten Finanzinstrumente richtig und umfassend zu definieren. Bereits das ist schwierig. Ferner wäre zu erwarten, dass neue Finanzinstrumente geschaffen werden, die wiederum nicht unter die Definition der meldepflichtigen Instrumente fielen. Der Katalog meldepflichtiger Instrumente müsste ständig erweitert werden. – Mit einer Einbeziehung bestimmter Finanzinstrumente in die kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten käme man also nicht weiter?Nein. Es wird deshalb diskutiert, stattdessen auf das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien abzustellen. Aber auch dies lässt sich schwer definieren. Hinsichtlich der gegebenenfalls erheblichen Rechtsfolgen – Verlust von Aktienrechten nach Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie Pflichtangebot nach dem Übernahmegesetz (WpÜG) – darf es jedoch keine Unklarheiten geben. – Die bisher eindeutigen Voraussetzungen für die Meldepflichten nach WpHG sollten nicht verwässert werden?Ja. So dürfte zwar in den Fällen von Schaeffler/Conti und Porsche/VW jeweils ein erheblicher wirtschaftlicher Anreiz für die Vertragspartner des Swap-/Optionsgeschäfts bestehen, Aktien zu liefern, statt Geld zu zahlen. Es besteht jedoch weder bei Schaeffler noch bei Porsche ein Anspruch auf Lieferung von Aktien. Es müsste also jeweils im Einzelfall entschieden werden, ob ein derart starker wirtschaftlicher Anreiz zur Aktienlieferung besteht, dass der anderen Seite – hier also Schaeffler bzw. Porsche – diese Aktien als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen sind. – Ist das praktisch möglich?Nein. Das würde zu erheblicher Unsicherheit hinsichtlich bestehender Meldepflichten führen. – Lassen sich also derartige Gestaltungen rechtlich nicht erfassen? Doch. Die wesentliche Frage ist, was man regeln möchte. Es geht nicht darum, noch mehr Meldepflichten für alle möglichen Instrumente einzuführen. Es sollte vielmehr auf die Absicht abgestellt werden, mit der bestimmte Instrumente eingesetzt werden. Man könnte also einen Missbrauchstatbestand im WpHG – und auch im WpÜG – einführen, wonach auch dann eine Zurechnung von Aktien und eine Meldepflicht vorliegen, wenn Finanzinstrumente oder andere Vereinbarungen offenbar zu dem Zweck eingesetzt werden, Meldepflichten oder Zurechnungstatbestände zu umgehen. Eine Definition der Instrumente wäre nicht erforderlich. Es käme nur auf deren Verwendung an. Man könnte diesbezüglich die Beweislast umkehren. Der Betroffene müsste gegenüber der BaFin nachweisen, dass die Instrumente einem anderen Zweck als der Vermeidung von Meldepflichten dienen. Hendrik Riedel ist Rechtsanwalt bei GSK Stockmann & Kollegen.Die Fragen stellte Walther Becker.