Recht und Kapitalmarkt

Meldepflichten für Stimmrechte werden unterschätzt

Strabag unterliegt vor dem Landgericht Köln - Erhebliche Rechtsfolgen bei Missachtung des Wertpapierhandelsgesetzes

Meldepflichten für Stimmrechte werden unterschätzt

Von Patrick Oliver Nordhues *) Das Urteil kam für die österreichische Strabag SE zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Mitten im Börsengang der neuen Konzernholding in Wien im Oktober 2007 musste die deutsche Tochtergesellschaft Strabag AG in Köln eine empfindliche juristische Niederlage hinnehmen. Minderheitsaktionäre hatten zentrale Beschlüsse der Hauptversammlung der Strabag AG aus dem Jahr 2006 vor dem Landgericht Köln angefochten, unter anderem mit dem Argument, die Mehrheitsaktionäre der Strabag AG hätten gegen kapitalmarktrechtliche Meldepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verstoßen. KonsequenzenDas Landgericht Köln (Urteil vom 5. Oktober 2007, Az. 82 O 114/06) entschied zugunsten der Anfechtungskläger und erklärte die angefochtenen Beschlüsse der Hauptversammlung für unwirksam. Sollte das Urteil Bestand haben, so ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die Strabag AG. So könnte sich insbesondere die Bilanz der Strabag AG für das Geschäftsjahr 2006 als unwirksam erweisen, da unter anderem die Wahl des Abschlussprüfers für dieses Geschäftsjahr für unwirksam erklärt wurde. Auch könnten die Hauptaktionäre ihre Dividendenansprüche verlieren.Der Fall Strabag AG verdeutlicht, dass die gesetzlichen Vorgaben des WpHG zu den Meldepflichten der Aktionäre immer noch nicht in ausreichendem Maße beachtet werden. Grundsätzlich ist nach dem WpHG derjenige, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, überschreitet oder unterschreitet (Meldepflichtiger), verpflichtet, dies der Gesellschaft sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen, anzuzeigen. Die börsennotierte Gesellschaft ihrerseits ist verpflichtet, die Mitteilung zu veröffentlichen und der BaFin hierüber einen Beleg zu übersenden.Erheblich an Komplexität gewinnt diese Meldepflicht durch die im WpHG enthaltenen Zurechnungsvorschriften, wonach dem Meldepflichtigen unter bestimmten Umständen Stimmrechte aus Aktien zugerechnet werden, die einem Dritten gehören, auf die der Meldepflichtige aber entsprechenden Einfluss nehmen kann. Eine solche Zurechnung erfolgt z. B. für Stimmrechte aus Aktien, die von Tochtergesellschaften oder für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Dies bedeutet insbesondere für Konzernsituationen, in denen z. B. eine Beteiligungsholding die Aktien an der börsennotierten Gesellschaft hält, dass die Stimmrechte aus diesen Aktien auch den jeweiligen Gesellschaftern der Beteiligungsholding (und wiederum deren Gesellschaftern) zugerechnet werden. Dies führt zu einer doppelten bzw. mehrfachen Meldepflicht, wobei allerdings die Abgabe einer gemeinsamen Meldung nach WpHG zulässig ist. Sinn und Zweck dieser Zurechnungsnormen ist die Offenlegung der wahren Machtverhältnisse. Gerade in verschachtelten internationalen Konzernstrukturen mit einer Vielzahl zwischengeschalteter Holdinggesellschaften können so zahlreiche Gesellschaften meldepflichtig werden. VerflechtungsfallAuch in dem oben zitierten Fall der Strabag AG wurden internationale Konzernverflechtungen nicht offengelegt. So steht an der Spitze des Strabag-Konzerns eine Beteiligungsgesellschaft, an der mehrere Großaktionäre, unter anderem Konzernchef Dr. Haselsteiner, zusammen über 50 % der Aktien halten. Das LG Köln kommt in seinem Urteil zu dem Schluss, dass diese Großaktionäre beherrschenden Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft haben und ihnen damit auch die Stimmrechte aus den von der Strabag SE gehaltenen Aktien an der Strabag AG zuzurechnen seien. Damit sind auch die Meldepflichten nach WpHG einschlägig.Ferner entschied das LG Köln, dass die Umfirmierung der Mehrheitsaktionärin der Strabag AG, der “Bauholding Strabag SE” in “Strabag SE”, eine erneute Meldepflicht auslöste. Entgegen der in der Literatur vorherrschenden Ansicht ist das LG Köln der Ansicht, dass aus Gründen der Transparenz selbst in Fällen von marginalen Firmenänderungen eine erneute Meldepflicht entsteht. Dabei konnte sich die Strabag SE auch nicht dadurch entlasten, dass sie nach einer entsprechenden Auskunft der BaFin davon ausging, keiner Meldepflicht aufgrund der Umfirmierung zu unterliegen.Die Rechtsfolgen für ein Unterlassen oder fehlerhaftes Erfüllen der Meldepflicht sind erheblich: Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bußgeldbewehrt sind. Die schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflicht nach WpHG stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld bis zu 200 000 Euro geahndet werden kann. Schuldhaft ist dabei grundsätzlich nur vorsätzliches oder leichtfertiges Verhalten. Die fahrlässige Pflichtverletzung löst somit kein Bußgeld aus.Schwerer wiegt dagegen, dass auch die fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht zum Verlust der Rechte aus der Aktie führt. Danach bestehen die aus der Aktie folgenden Mitgliedschaftsrechte grundsätzlich für die Zeit nicht, für die das Unternehmen seine Meldepflichten nicht erfüllt (zeitweiliger Rechtsverlust). Dieser Rechtsverlust tritt konzernweit ein, d. h., der Rechtsverlust tritt auch bei Aktien ein, die einem Tochterunternehmen gehören, falls das Mutterunternehmen seine Meldepflichten nicht erfüllt. Der Rechtsverlust erfasst grundsätzlich auch das im Aktiengesetz vorgesehene Recht auf Dividende. Ein Verlust des Dividendenrechts kann nur dann vermieden werden, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt wird. Verlust der StimmrechteDer Rechtsverlust führt auch dazu, dass der Meldepflichtige seine Stimmrechte aus den Aktien nicht mehr ausüben darf. Geschieht dies dennoch, ist ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss anfechtbar, falls sich die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimmen auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Bei der Strabag AG ergab sich nach Abzug der fehlerhaft abgegebenen Stimmen der Mehrheitsaktionärin ein anderes Abstimmungsergebnis für die gefassten Beschlüsse (u. a. Entlastung, Wahl des Abschlussprüfers sowie Satzungsänderung). Besonders pikant ist hier die Unwirksamkeit der Wahl des Abschlussprüfers. Das Aktiengesetz sieht dazu vor, dass ein festgestellter Jahresabschluss grundsätzlich nichtig ist, wenn er von Personen geprüft wurde, die nicht zum Abschlussprüfer bestellt worden sind. Hierunter ist auch eine Unwirksamkeit der Bestellung aufgrund erfolgreicher Anfechtung zu verstehen. Allerdings sieht das Aktiengesetz eine Heilung der Nichtigkeit nach Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger vor, sofern nicht innerhalb dieser Frist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses geltend gemacht wird. VerschärfungDurch die geplante Änderung des WpHG aufgrund des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) werden die Konsequenzen des Stimmrechtsverlusts noch verschärft: Zukünftig soll aus der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der gesetzlichen Mitteilungspflicht ein Verlust der Aktionärsrechte für sechs Monate folgen. Entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes beginnt der Lauf dieser Sechs-Monats-Frist erst mit der Erfüllung der Meldepflicht. D. h., auch wenn der Meldepflichtige die erforderliche Meldung nachholt, stehen ihm erst nach Ablauf von sechs Monaten die Stimmen aus den betroffenen Aktien wieder zu.*) Dr. Patrick Oliver Nordhues ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf.