Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christoph von Bülow

"Meldepflichten ohne Not verschärft"

Acting in Concert außerhalb der Hauptversammlung kann künftig zur Stimmrechtszurechnung führen

"Meldepflichten ohne Not verschärft"

– Herr von Bülow, welche Neuerungen beim Acting in Concert bringt das Risikobegrenzungsgesetz? Zukünftig kann auch ein abgestimmtes Handeln zwischen Aktionären außerhalb der Hauptversammlung zur Stimmrechtszurechnung führen. Ihre ursprünglich darüber hinausgehenden, sehr weitreichenden Vorschläge hat die Bundesregierung fallen lassen. Erhalten bleibt insbesondere die Einzelfallausnahme. So führt auch zukünftig beispielsweise die Abstimmung zwischen Aktionären über mehrere Beschlussgegenstände einer Hauptversammlung oder über eine einzelne Strukturmaßnahme nicht zur Stimmrechtszurechnung. Auch der abgestimmte Parallelerwerb von Aktien, Standstill-Vereinbarungen und übliche Optionsverträge lösen weiterhin kein Pflichtangebot aus. – Kann jetzt gemeinsames Lobbying von Aktionären bei Vorstand oder Aufsichtsrat ein Pflichtangebot auslösen?Das Risiko ist größer geworden. Eine Angebotspflicht kann sich zwar ergeben, wenn Aktionäre mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Gesellschaft kooperieren. Auch hier gilt aber die Einzelfallausnahme. So führt zum Beispiel das gemeinsame Lobbying für die Trennung von einem Geschäftsbereich der Gesellschaft für sich genommen auch zukünftig nicht zur Stimmrechtszurechnung. Und das Acting in Concert zur Erhaltung des Status quo ist von vornherein nicht erfasst. Das Gesetz unterscheidet jetzt also zwischen “gutem” und “schlechtem” Stimmrechtseinfluss – ein merkwürdiger, wahrscheinlich politisch geschuldeter Systembruch. – Ist zukünftig die Abstimmung über die Besetzung des Aufsichtsrats noch möglich?Ja, auch dies wäre ein Fall einer Abstimmung im Einzelfall. Koalitionen im Aufsichtsrat führen übrigens ebenfalls nicht zur Stimmrechtszurechnung auf Aktionärsebene. Dies wäre mit der unabhängigen Rechtsstellung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht vereinbar. – Was ändert sich bei den Mitteilungspflichten zu aktienbezogenen Lieferansprüchen und Optionsrechten?Hier wurden die Meldepflichten ohne Not verschärft. Leider ist dies ein weiteres Beispiel dafür, dass der Grundsatz der 1:1-Umsetzung europäischer Vorgaben nur zu gelten scheint, wenn dies politisch opportun ist. Zukünftig werden für diese gesonderte Meldepflicht Stimmrechte aus Aktien, auf die jemand Zugriff hat, mit seinen Stimmrechten aus bereits gehaltenen Aktien addiert. Erreicht die Summe 5 %, löst schon dies eine Mitteilungspflicht aus, wobei Handelsbestandsausnahmen gelten. Nach Praxis der BaFin bleiben auch ausschließlich auf Barausgleich gerichtete Derivatgeschäfte und Lieferansprüche aus Repos und Wertpapierdarlehen unberücksichtigt. – Zusätzlich gibt es neue Informationspflichten für wesentliche Aktionäre. Welche Angaben sind hier zu veröffentlichen?Großaktionäre müssen zukünftig ab einer Schwelle von 10 % der Stimmrechte offenlegen, welche Ziele sie mit dem Aktienerwerb verfolgen und woher die Mittel dazu stammen. – Wie detailliert müssen diese Informationen sein? Die neue gesetzliche Vorschrift listet das im Einzelnen auf. Gefordert werden zum Beispiel Angaben über beabsichtigte Beteiligungsaufstockungen und über angestrebte Änderungen der Dividendenpolitik. Diese Angaben können natürlich nur den aktuellen Planungsstand beschreiben. Sie haben auch keine Bindungswirkung. Werden die Ziele später geändert, muss der Investor dies allerdings innerhalb von 20 Handelstagen offenlegen. Neu gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesvorschlag ist, dass börsennotierte Gesellschaften in ihre Satzung aufnehmen können, dass diese zusätzlichen Informationspflichten bei dem Unternehmen keine Anwendung finden. – Was haben Unternehmen zu befürchten, die gegen Mitteilungspflichten verstoßen?Wesentlichen Aktionären droht bei der Verletzung von Informationspflichten zu ihren Absichten und der Herkunft ihrer Mittel ein Bußgeld, nicht jedoch der Verlust von Stimm- oder Dividendenrechten. Weiter verschärft worden sind die Sanktionen für unzutreffende oder unterlassene Stimmrechtsmitteilungen. Mit Nach- oder Korrekturmeldungen unmittelbar vor Hauptversammlungen wird man zukünftig nicht mehr automatisch den Rechtsverlust abwenden können. Das ist sicher angebracht bei Marktteilnehmern, die vorsätzlich Mitteilungspflichten verletzen, um verdeckt eine Beteiligung aufzubauen. Wenn aber bloß indirekt Beteiligte die sehr komplexen und mit großer Rechtsunsicherheit behafteten Zurechnungsregelungen irrtümlich falsch auslegen, erscheint der Rechtsverlust als Sanktion überzogen. – Können die Gesellschaften überhaupt vor oder in der Hauptversammlung feststellen, ob die vertretenen Investoren stimmberechtigt sind?Letztlich muss der Versammlungsleiter entscheiden, ob er Aktionäre wegen Verletzung von Mitteilungspflichten vom Stimmrecht ausschließt. Wer ein Acting in Concert behauptet, muss dies aber auch beweisen können. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Das gilt übrigens auch für Maßnahmen der BaFin. Daran ändern auch immer engmaschigere Meldepflichten nichts.Christoph von Bülow ist Rechtsanwalt und Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.