RECHT UND KAPITALMARKT

Menschenrechts- und Umweltschutz made in Germany

Bundesregierung strebt jetzt verbindliche Regelungen an

Menschenrechts- und Umweltschutz made in Germany

Von Thomas Voland *)Für viele deutsche Unternehmen besteht angesichts ihrer internationalen Vernetzung das Risiko, mit Menschenrechtsverletzungen in Berührung zu kommen. Das kann etwa wegen Kinderarbeit oder menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Lieferketten sowie wegen der Missachtung von Sozial- und Sicherheitsstandards bei Großprojekten der Fall sein. Auch neue Technologien bergen ein Gefahrenpotenzial, zum Beispiel wenn despotische Regime künstliche Intelligenz “made in Germany” zur Überwachung ihrer Bevölkerung einsetzen. Berlin prescht vorUm die Wirtschaft auf die Einhaltung von Menschenrechten zu verpflichten, entwirft die Bundesregierung aktuell ein Gesetz mit strengen Handlungspflichten und Sanktionen. Sie prescht damit in schnellerem Tempo vor, als sie noch 2016 in ihrem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) beabsichtigt hatte. Dieser auf vier Jahre angelegte Plan sieht im Wesentlichen nur “freiwillige” Selbstverpflichtungen der Unternehmen vor. So fordert er unter anderem dazu auf, dass alle Unternehmen in ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette die tatsächlichen und potenziell nachteiligen Auswirkungen auf die Menschenrechte ermitteln und darüber berichten. Konkretes Ziel ist es, dass mindestens 50 % aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten bis 2020 die einschlägigen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. In dem NAP heißt es, dass die Bundesregierung sich weitergehende Maßnahmen – bis hin zu gesetzlichen Regelungen – vorbehält, wenn dieses Ziel verfehlt werden sollte.Vor wenigen Tagen sagte Entwicklungsminister Gerd Müller im Bundestag, dass Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe. Zugleich warb er um fraktionsübergreifende Unterstützung für verbindliche Regelungen. In diesem Sinne statuiert der aktuelle Stand seines Gesetzentwurfs eine menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflicht für alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mill. Euro oder einem Jahresumsatz von mehr als 40 Mill. Euro sowie für mittelgroße Unternehmen in bestimmten Hochrisikosektoren wie Energieversorgung, Bergbau, Textilien oder Lebensmittel. Dabei sollen die Unternehmen im Rahmen einer Due Diligence bestimmen, welche Risiken bestehen, dass sie bestimmte Menschenrechts- und Umweltstandards selbst verletzen oder zu einer Verletzung beitragen.Ein Beitrag kann auch darin bestehen, dass Dritte, z. B. Zulieferer und staatliche Stellen, oder Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens Verletzungen mitverursachen. Stellt das Unternehmen Risiken oder eingetretene Verletzungen fest, muss es Präventiv- bzw. Abhilfemaßnahmen ergreifen. Ferner hat es einen Compliance-Beauftragten zu bestellen, der die menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht überwacht, und es muss dafür sorgen, dass Beschwerden vor einer nicht-staatlichen Stelle möglich sind. Außerdem verlangt der Gesetzentwurf öffentliche Berichte über die Einhaltung der Sorgfaltspflicht.Eine Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann unter anderem zu Schadensersatzansprüchen der Geschädigten führen. Darüber hinaus sind Straf- und Bußgeldbestimmungen enthalten. So sieht der Entwurf vor, dass das Unterlassen einer Risikoanalyse mit bis zu 1 Mill. Euro und das bewusste Absehen von Präventiv- oder Abhilfemaßnahmen mit einer Geldbuße von bis zu 5 Mill. Euro geahndet werden können. Zudem sollen sanktionierte Unternehmen von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern schon seit Längerem weitergehende verbindliche Vorgaben, weil das System freiwilliger Selbstverpflichtungen aus ihrer Sicht nicht funktioniere. Auch einige Unternehmen würden mehr Rechtsklarheit durch hartes Recht begrüßen. Mit einem solchen Gesetz stände Deutschland zudem nicht allein da. Beispielsweise hat Frankreich ähnliche Regelungen bereits erlassen und die Schweiz diskutiert darüber. In Großbritannien gibt es klare Vorgaben für eine Risikobewertung zum Ausschluss von Zwangsarbeit und moderner Sklaverei. Ferner sind seit 2017 europaweite Transparenzpflichten im Hinblick auf nichtfinanzielle Belange, wie Menschenrechte, Arbeitnehmerbelange und Umweltaspekte zu beachten. Auch im Hinblick auf bestimmte “Konfliktmineralien” hat die EU Due-Diligence-Pflichten erlassen, die spätestens 2021 vollumfänglich greifen. Noch knapp zwei Jahre ZeitBevor allerdings der deutsche Gesetzgeber weitere Regelungen erlässt, sollte er zunächst die Umsetzung des NAP beobachten. Die Unternehmen haben noch knapp zwei Jahre Zeit, um dessen Zielvorgaben zu erfüllen. Im Interesse des Vertrauensschutzes sollten diese Frist abgewartet und der Erfolg des NAP anschließend objektiv bewertet werden. Falls dann immer noch weitergehende Maßnahmen geboten erscheinen, wäre im Interesse der Wettbewerbsgleichheit ein europäisches Vorgehen einem weiteren nationalen Sonderweg vorzuziehen. Ferner ist insbesondere auf die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit neuer Gesetze zu achten. Der aktuell vorliegende Entwurf aus dem Entwicklungsministerium müsste dazu an einigen Stellen nachgebessert werden.—-*) Dr. Thomas Voland ist Partner von Clifford Chance.