ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Mifid II: Folgen für Vertrieb und Vermögensverwaltung

Börsen-Zeitung, 25.6.2013 Die Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, Mifid) neigt sich dem Ende zu. Die sogenannte Mifid-II-Richtlinie soll zudem durch eine unmittelbar geltende EU-Verordnung (Markets in...

Mifid II: Folgen für Vertrieb und Vermögensverwaltung

Die Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, Mifid) neigt sich dem Ende zu. Die sogenannte Mifid-II-Richtlinie soll zudem durch eine unmittelbar geltende EU-Verordnung (Markets in Financial Instruments Regulation, Mifir) flankiert werden und könnte 2015 in Kraft treten. Für Teile der Asset-Management-Branche, die derzeit schon die AIFM-Richtlinie zu verarbeiten hat, bringt das erneut Änderungen.Wie können sich Distributionskanäle ohne Rückvergütungen aufstellen? Nach kontroversen Diskussionen ist die ursprünglich angedachte generelle Untersagung von Vergütungen an Vertriebskanäle vom Tisch und wird durch eine Informationslösung ersetzt. Will sich der Vertriebskanal oder Investmentberater als “unabhängig” bezeichnen, hat er sich Einschränkungen zu unterwerfen. Insbesondere ist eine Marktsondierung durchzuführen und es sind dem Kunden auch geeignete Finanzinstrumente Dritter vorzuschlagen.Entsprechend ist eine Beschränkung auf Produkte des eigenen Hauses nicht zulässig. Zum anderen darf der Berater keine Rückvergütungen – auch Retrozessionen oder Kick-backs genannt – vom Produkthersteller annehmen. Zulässig sind lediglich nichtmonetäre Vorteile, die dem Kunden offengelegt werden und die geeignet sind, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern; sie dürfen insbesondere keine Fehlanreize bei den Vertriebspersonen auslösen. Bei Paketangeboten ist auf die Einzelkomponenten und Risiken aus der Bündelung einzugehen.Es besteht allerdings keine Pflicht zur Unabhängigkeit bei der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten. Insbesondere steht es dem Berater frei, auf das Attribut “unabhängig” zu verzichten und Vergütungen von dritter Seite anzunehmen. Er könnte in diesem Fall auf andere werbliche – nicht irreführende – Aussagen ausweichen. Zu denken wäre etwa an Prädikate wie “professionell” oder “objektiv”. Es spricht vieles dafür, dass die Distributionskanäle ihre gegenwärtige Distributionspraxis aufrechterhalten können, wenn sie ihr Marketing an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. EmissionsgeschäftWen betrifft die Regulierung der Emission von Finanzinstrumenten sowie des Handels auf eigene Rechnung? Die Begebung von Finanzinstrumenten ist gegenwärtig unreguliert. Dementsprechend kann jede zivilrechtlich rechtsfähige Person oder Personengesellschaft beispielsweise Schuldverschreibungen emittieren. Hierbei verbleibt es mit Ausnahme von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen. Bei ihnen wird die Emission an Investoren unter dem Aspekt des Handels gesehen und reguliert.Hinsichtlich existierender Finanzinstrumente sind nach geltendem Recht Eigenhandel und Eigengeschäft nur erlaubnispflichtig, wenn sie mit Zielrichtung auf Dritte unternommen oder wenn sie parallel zu Bank- bzw. Finanzdienstleistungsgeschäften ausgeübt werden. Dabei meint der Terminus “Eigenhandel für Dritte” z. B. den Kauf von Wertpapieren im eigenen Namen und für eigene Rechnung, aber mit der Zielrichtung, diese anschließend an Dritte weiter zu veräußern. Demgegenüber bleibt die eigene Vermögensverwaltung, d.h. Transaktionen zur eigenen Vermögensanlage ohne Drittbezug, im Kern weiterhin unreguliert.Allerdings gibt es hiervon Ausnahmen: Soweit Gegenstand der Vermögensverwaltung Rohstoffderivate (Commodity Derivatives), Emissionszertifikate bzw. Derivate hierauf sind, unterwirft Mifid II derartige Transaktionen selbst ohne Drittbezug der Regulierung, wenn sie sich nicht als Annextätigkeit zu einem anders gearteten Hauptgeschäft darstellen, wenn sie im Wege des Hochfrequenzhandels erfolgen oder durch weitere Aktivitäten außerhalb der eigenen Vermögensverwaltung – etwa Investmentberatung – flankiert werden. ErlaubnispflichtIm Ergebnis müssen Vermögensverwalter – vor allem von Family Offices und Stiftungen – die weitere Entwicklung genau beobachten. Soweit sie in diesem Marktsegment aktiv sind, sollten sie sich darauf vorbereiten, den Umfang der vorstehend genannten Geschäfte auf das Niveau von Hilfsgeschäften zu begrenzen, um nicht in den Bereich der Erlaubnispflicht zu fallen. Da professionelle Emittenten zukünftig der Regulierung unterfallen, sind Emissionsgesellschaften und -wege zukünftig genauer zu planen, was eine Tendenz in Richtung Offshore-Jurisdiktionen begünstigen könnte.Die zusätzlichen Anforderungen an Vertriebskanäle dürfte die Aufmerksamkeit verstärkt auf das Konzept des gebunden Vermittlers (Tied Agent) lenken. Der gebundene Vermittler steht unter dem Haftungsdach eines Erlaubnisinhabers und darf nur für diesen tätig sein. Im Gegenzug kann der gebundene Vermittler die Erlaubnisinfrastruktur des Haftungsdachs nutzen. Die steigenden Anforderungen an Vertriebskanäle könnten einige dazu veranlassen, sich unter ein Haftungsdach zu stellen.Die zusätzliche Regulierung erhöht vor allem für (dritt)ausländische Anbieter die Marktzutrittsbarriere. Verstärkte Aufmerksamkeit wird deshalb die sogenannte passive Dienstleistungsfreiheit (Reverse Enquiry) erfahren. Durch Mifid II wird sich nichts an der Möglichkeit ändern, wonach Ausländer Bank-, Finanz- und Wertpapierdienstleistungen erlaubnisfrei erbringen dürfen, wenn sie von Inländern eigeninitiativ darauf angesprochen werden. Die Regulierungsfreiheit gilt dabei für die Gesamtdauer der Abwicklung einer solchen Dienstleistung. Entsprechend hat es damit der inländische Kunde in der Hand, (dritt)ausländische Anbieter wiederholt bzw. dauerhaft zur Erbringung von Dienstleistungen aufzufordern bzw. fortlaufend hierüber zu informieren und Angebote mitzuteilen.Dies wird vor allem für institutionelle Anleger von Interesse sein, die sich selbst hinreichend informieren können und wollen. Die passive Dienstleistungsfreiheit bietet aber nur für einen begrenzten Bereich eine Lösung: Sie greift nur für diejenige Dienstleistung, zu deren Erbringung der Inländer den Ausländer aufgefordert hat. Eine einmalige und begrenzte Aufforderung des Inländers rechtfertigt keine umfassende und dauerhafte Präsentation des Produkt- und Dienstleistungsangebots. Sie greift auch dann nicht, wenn der (dritt)ausländische Dienstleister zuvor in der EU geworben und die Kunden hierdurch auf sich aufmerksam gemacht hat. Werbung innerhalb der EUDie Feststellung einer Werbung innerhalb der EU ist freilich im Zeitalter des grenzenlosen Internets schwierig. Die bloße Nutzung der deutschen Sprache ist per se noch kein zwingendes Indiz für eine Werbung in Österreich oder Deutschland, denn sie kann sich auch – und möglicherweise ausschließlich – an Schweizer Adressaten richten. Hier wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Mit zunehmender Regulierungsdichte und sich entsprechend erhöhender komparativer Kostenvorteile (dritt)ausländischer Anbieter liegt es auf der Hand, dass sich hier die Konflikte zwischen den Anbietern und der jeweiligen EU-Finanzaufsichtsbehörde verschärfen werden.—-Martin Krause, Partner im Bereich Banking, Asset Management und Kapitalmarktrecht Norton Rose Fulbright