RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARKUS KAULARTZ

Mit der Blockchain-Strategie der Regierung fit für die Zukunft?

Wichtig für die Umsetzung wird die Wahrung der Technologieneutralität

Mit der Blockchain-Strategie der Regierung fit für die Zukunft?

Herr Kaulartz, Mitte der Woche hat die Bundesregierung die finale Fassung der Blockchain-Strategie veröffentlicht. Unter anderem möchte die Berlin das deutsche Kapitalmarktrecht für die Begebung elektronischer Wertpapiere öffnen. Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Überraschungen?Die größte Überraschung ist zunächst der Umfang des Papiers und insbesondere die Klarheit und Nachdrücklichkeit, mit der sich die Bundesregierung für die Blockchain-Technologie ausspricht. Dass es Round Tables geben soll, dass neue Gesetze kommen und Projekte pilotiert werden sollen ist natürlich eine gute Nachricht. Nicht erwartet worden war sicherlich auch ein Katalog mit dermaßen vielen, teils schon sehr konkreten Maßnahmen. Insgesamt 44 davon führt die Bundesregierung auf, mit denen sie die Weichen für die Token-Ökonomie stellen möchte. Werden Ihre Erwartungen an die Strategie erfüllt?Zu den Maßnahmen wird kritisiert, dass sie wie ein Versuch wirken, Probleme zu finden, die mit der Blockchain gelöst werden können. Wichtig in der Umsetzung wird daher, dass die Technologieneutralität gewahrt bleibt. Überraschend und sehr zu begrüßen ist hingegen, dass konkrete Verfahren wie etwa Smart Contracts ausdrücklich angesprochen werden, so etwa im Energiesektor. Was man sich vielleicht gewünscht hätte, sind ein paar konkretere und detailliertere Maßnahmen bezogen auf den regulatorischen Rahmen, aber solche benötigen wohl noch etwas Zeit. Dass sogenannte Stable Coins wie Facebook Libra nicht kommen sollen, hat hingegen wohl nicht jeden überrascht, denn solche sind ja schon von den derzeitigen E-Geld-Regularien umfasst. Mit welchen künftigen Marktentwicklungen rechnen Sie nun nach der Veröffentlichung der finalen Strategie?Da das Papier bei der Bundesregierung naturgemäß recht hoch aufgehängt ist, rechne ich mit einer breiten Wahrnehmung, insbesondere bei den entsprechenden Entscheidern in der Finanzwirtschaft. Wer die Blockchain bislang nur als nettes technisches Gimmick belächelt hat, muss sich spätestens jetzt ernsthaft fragen, ob der Zug ohne sie/ihn losfahren soll. Auch die Start-ups, die bisher sehr engagiert für die Sache eingetreten sind, werden Rückenwind bekommen, was mich natürlich sehr freut. Wichtig wird jetzt, die hohen Erwartungen auch zu bedienen. Gerade im Bereich des elektronischen Wertpapiers etwa sollten wir schnell aufzeigen, welche Effizienzgewinne hier lauern. Im Strategiepapier wird konkret von der Möglichkeit gesprochen, künftig elektronische Schuldverschreibungen zu begeben. Kommt demnächst auch die elektronische Aktie?Ich hoffe, denn das Potenzial ist enorm. Würde eine Regierung in einem neuen Fantasiestaat die Aufgabe bekommen, Unternehmensanteile digital abzubilden und handelbar zu machen – sie würde niemals auf das derzeitige System kommen. Das ist historisch gewachsen, die Potenziale der Digitalisierung berücksichtigt es aus heutiger Sicht natürlich nicht hinreichend. Wichtig ist aber auch zu verstehen, dass die Bundesregierung in dem Papier eine Blockchain nicht als ausschließliche Basis für elektronische Wertpapiere sieht. Man darf also gespannt sein, welche Technologien hier zum Einsatz kommen. Die Blockchain bietet sicherlich gewisse Vorteile, etwa die Tokenisierung, aber natürlich eben auch Nachteile. So wird teils die Dezentralität gefürchtet, mit dem Argument der scheinbar mangelhaften Kontrolle. Wie steht die Bundesrepublik mit dieser Strategie im internationalen Vergleich da? Der Bundesregierung wurde lange Zeit vorgeworfen, untätig zu sein und die Innovation zu verschlafen. Andere Länder wie Malta und Liechtenstein haben eine andere Strategie verfolgt und sind sogar mit Gesetzesinitiativen vorgeprescht, die Geschäftsmodelle rund um die Blockchain erleichtern. Betrachtet man hiesigen Wirtschaftsstandort im Vergleich, kann man aber durchaus verstehen, dass die Bundesregierung die Technologie erst besser verstehen und auch die Marktentwicklung beobachten wollte, bevor sie tätig wird. Das Papier wird, wenn die Maßnahmen auch angegangen werden, den Blockchain-Standort Deutschland stark befeuern. Dr. Markus Kaulartz ist Anwalt bei CMS Deutschland. Die Fragen stellte Walther Becker.