RECHT UND KAPITALMARKT

Mit der Kryptoregulierung schließt die EU-Kommission eine Lücke

Marktteilnehmer sollten sich frühzeitig mit dem Vorschlag auseinandersetzen

Mit der Kryptoregulierung schließt die EU-Kommission eine Lücke

Von Katja Michel *)Die EU-Kommission hat Mitte September einen Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte, die sogenannte Regulation on Markets in Crypto-Assets, kurz MiCA-VO, veröffentlicht. Die MiCA-VO ist Teil des Digital-Finance-Pakets, mit dem die Digitalisierung des Finanzsektors in der EU weiter vorangetrieben werden soll. Mit der MiCA-VO wird künftig ein EU-weit einheitlicher Regulierungsrahmen für Kryptowerte geschaffen. Dies ist zu begrüßen. Allerdings wird das MiCA-Regime kurzfristig vor allem kleinere Fintech-Unternehmen, die bislang nicht reguliert sind, vor Herausforderungen stellen. Doch auch etablierte Banken und Wertpapierfirmen sollten sich frühzeitig mit den künftigen Kryptoregeln vertraut machen.Ein Blick auf die MiCA-VO macht deutlich, dass sich der EU-Gesetzgeber stark von den großen europäischen Finanzmarktgesetzen, allen voran Mifid II, aber auch der Prospekt-VO und der Marktmissbrauchs-VO hat leiten lassen. Daher werden etablierte Banken und Finanzdienstleister mit der MiCA-VO ein regulatorisches Umfeld vorfinden, das ihnen in Teilen bereits vertraut ist, aber dennoch eigene Regeln vorweist.Ziel der MiCA-VO, die die Emittenten von Kryptowerten, aber auch die Erbringer sogenannter Kryptowertedienstleistungen regulieren wird, ist es, sämtliche bislang nicht vom EU-Finanzrecht erfassten Kryptowerte zu regeln, also eine “Lücke” auf EU-Ebene zu schließen. Dies ist positiv zu bewerten.Dennoch könnte es künftig für Marktteilnehmer anspruchsvoll sein, digitale Vermögenswerte im konkreten Fall zutreffend nach Mifid II, E-Geld-Richtlinie, MiCA-VO etc. einzuordnen und das entsprechende Pflichtenprogramm zu identifizieren. Auch innerhalb des MiCA-Regimes könnte die Differenzierung zwischen den Kryptowerten im Einzelfall zur Herausforderung werden. Neben den (bloßen) Kryptowerten wird die MiCA-VO nämlich noch vermögenswertbezogene Token, E-Geld-Token und Utility Token als Unterkategorien einführen, für die besondere Anforderungen gelten. Als “signifikant” eingestufte vermögenswertbezogene Token oder E-Geld-Token – mit denen der Unionsgesetzgeber vor allem die Regulierung von Stablecoins im Blick hat – werden nochmals gesteigerten Anforderungen unterliegen. Wichtiger SchrittMit Geltung des MiCA-Regimes werden Unternehmen, die digitale Vermögenswerte emittieren oder handeln, daher künftig umso mehr aufgefordert sein, die Umsetzung der aus den unterschiedlichen Gesetzen folgenden Anforderungen möglichst effizient zu gestalten. Bislang unregulierte Unternehmen werden vor der Aufgabe stehen, Kryptomarktregeln erstmals umsetzen zu müssen. Diese Herausforderung wird umso größer, je komplexer das Regelwerk um die MiCA-VO durch Detailregelungen ausgebaut wird. Die Anzahl von Rechtsgrundlagen zur Konkretisierung von Einzelaspekten ist in der MiCA-VO jedenfalls wesentlich überschaubarer als in der Mifid II. Abzuwarten bleibt, ob dort, wo die MiCA-VO zu Regeln zur weiteren Auslegung schweigt, wie z. B. im Abschnitt über Marktintegrität, künftig (sinngemäß) die Detailregelungen der für Finanzinstrumente geltenden Rechtsakte heranzuziehen sind.Begrüßenswert ist, dass der EU-Gesetzgeber für bereits zugelassene Unternehmen gewisse Ausnahmen von den MiCA-Pflichten vorsehen will. Hierdurch sollen Doppelungen regulatorischer Pflichten oder Friktionen zwischen verschiedenen Regelungsregimen vermieden werden. So sollen z. B. bereits zugelassene Kreditinstitute bei der Ausgabe vermögenswertbezogener Token oder der Erbringung von Kryptowertedienstleistungen unter anderem von der Erlaubnispflicht nach der MiCA-VO befreit werden. Letzteres soll auch für bereits zugelassene Wertpapierfirmen gelten, die Kryptowertedienstleistungen erbringen, die mit Mifid-II-Wertpapierdienstleistungen “gleichwertig” sind. Dies wäre z. B. bei der Anlageberatung zu Finanzinstrumenten und zu Kryptowerten der Fall. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang zudem, dass für die Emission von E-Geld-Token (neben spezifischen Pflichten nach der MiCA-VO) die Regeln der E-Geld-Richtlinie teilweise für entsprechend anwendbar erklärt werden sollen.Positiv ist auch, dass die MiCA-VO Vorkehrungen trifft und Regelungen durch die Mitgliedstaaten zulässt, um den Übergang zum neuen Kryptoregime zu erleichtern und Härten zu vermeiden. So werden z. B. Emittenten von Kryptowerten, die vor dem Anwendungszeitraum der MiCA-VO öffentlich angeboten oder auf einer Handelsplattform für Kryptowerte zum Handel zugelassen wurden, von den meisten Pflichten nach der MiCA-VO befreit. Dies soll jedoch nicht für vermögenswertebezogene und E-Geld-Token gelten. Die Mitgliedstaaten können zudem ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Kryptowertedienstleistungen vorsehen.Zusammengefasst ist die MiCA-VO ein begrüßenswerter und wichtiger Schritt zur Schaffung eines EU-weit einheitlichen regulatorischen Rahmens für Kryptowerte. Marktteilnehmer sollten sich jedoch frühzeitig mit dem Vorschlag, der nun das Gesetzgebungsverfahren durchläuft, auseinandersetzen und dessen Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell beleuchten. *) Dr. Katja Michel ist Rechtsanwältin bei Fieldfisher in Frankfurt.