FINANZEN UND TECHNIK - GASTBEITRAG

Mobile Payments neu denken

Börsen-Zeitung, 3.2.2015 Mobile Technologien verändern und vereinfachen unser Leben in nahezu allen Bereichen des Alltags. Niemand wird dies heute noch bestreiten wollen. Auch das Bezahlen, eine der häufigsten Handlungen des täglichen Lebens, sollte...

Mobile Payments neu denken

Mobile Technologien verändern und vereinfachen unser Leben in nahezu allen Bereichen des Alltags. Niemand wird dies heute noch bestreiten wollen. Auch das Bezahlen, eine der häufigsten Handlungen des täglichen Lebens, sollte davon massiv betroffen sein. Trotzdem hat sich dies mit dem Smartphone bisher noch nicht durchgesetzt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bleibt der Hoffnungsträger Mobile Payments schon seit Jahren weit hinter dem prognostizierten Potenzial zurück. Daher müssen wir neu denken, was Mobile Payment ist. Es ist nämlich nicht das Bezahlen mit einem mobilen Gerät, es ist vielmehr das Bezahlen in einer mobilen Welt.Die mobile Revolution begann mit dem Smartphone. Es ist das Symbol der mobilen Welt, und es war das erste Gerät, das es uns dank überragender Innovationen an der Benutzerschnittstelle erlaubte, die Möglichkeiten dieser neuen Welt zu entdecken. Das Smartphone eröffnete einen unmittelbaren, intuitiven und jederzeit verfügbaren Zugang in die virtuelle Welt des Internets, zu dessen Kommunikationskanälen, Informationen und der enormen Rechenpower, in Kombination mit der Fähigkeit, Aktivitäten und Transaktionen ausführen zu können. Überall und jederzeit. Das Gerät ist zweitrangigSeitdem hat sich in kürzester Zeit eine solch überwältigend große Anzahl an Anwendungsfällen in unserem Leben etabliert, dass das Smartphone die am schnellsten wachsende Technologierevolution ausgelöst hat, die jemals stattgefunden hat. Wir verwenden mobile Technologien, um uns durch Städte zu navigieren. Wir kommunizieren von überall mit unseren Freunden. Wir kaufen von unterwegs Fahrkarten für den Nahverkehr und Tickets für das Kino. Oder wir bestellen uns damit das Taxi. Wir kaufen dann ein, wenn es uns in den Sinn kommt oder wenn wir gerade dazu inspiriert werden, ganz egal wo und wann das ist. Unser Leben findet zunehmend in einer Welt mobiler Technologien statt. Und dabei ist es inzwischen zweitrangig geworden, welches Gerät oder Medium uns den Zugang zu diesen mobilen Anwendungsfällen und Möglichkeiten verschafft.Die Definition von Mobile ist konzeptionell, und nicht an ein bestimmtes Gerät wie das Smartphone gebunden. Es spielt keine Rolle, ob ein Smartphone, ein Tablet, eine Smart Watch oder vielleicht etwas ganz anderes, wie eine intelligente Zahnbürste, als Medium dient. Was zählt, ist der unmittelbare, intuitive und jederzeit verfügbare Zugang zur virtuellen Welt des Internets.Die größte Hürde, die dem Anwender auf diesem Weg begegnet, ist dabei aber oftmals noch die Bezahlung. Die Eingabe der dazu notwendigen Daten auf einem mobilen Endgerät ist eine Qual. Das Tippen von endlosen Kreditkarten- oder Kontonummern, Namen und Adressen auf einem kleinen Display sowie die Bestätigung dieser Eingaben mit einem Authentifizierungsmechanismus gleicht einem modernen Spießrutenlauf.Außerdem gilt es zu bedenken, dass der Anwender zu dem Zeitpunkt der Nutzung per Definition mobil ist und somit die relevanten Bezahldaten wahrscheinlich gar nicht erst zur Hand hat. Dies alles unterläuft massiv das Versprechen und die User Experience von Mobile – den unmittelbaren Zugang auf Basis einer intuitiven Benutzerschnittstelle.Wenn heutzutage aber nun von Mobile Payment die Rede ist, denkt man sofort an die Bezahlung mit dem Smartphone. Sogar der European Payment Council (EPC), die höchste Instanz in Europa für Bezahlverfahren, definiert Mobile Payments als “eine Bezahlung, für die Daten und die Bezahlanweisung … über ein mobiles Gerät übertragen werden”. Doch das ist der falsche Ansatz. Die Fokussierung auf bestimmte Geräte hält uns davon ab, das Richtige zu tun. Kauf-VerhinderungsprozessBezahlprozesse in mobilen Anwendungsfällen sind heute vor allem Kauf-Verhinderungsprozesse. Der Hauptgrund für den Abbruch einer mobilen Kauftransaktion während des Checkout-Prozesses sind Probleme mit der Bezahlung. Das ist die wahre Herausforderung. Darum geht es eigentlich bei Mobile Payments – um die Verbesserung und Vereinfachung der Bezahlung für mobile Anwendungsfälle und in der mobilen Welt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bezahlung mit einem Smartphone, einer Plastikkarte oder vielleicht auch der Zahnbürste erfolgt. Es zählt einzig, dass die Bezahlung einfach, intuitiv, verlässlich und sicher ist. Der Schwerpunkt muss auf die Vereinfachung des Kaufprozesses gelegt werden und auf die Reduzierung der Komplexität des Bezahlvorgangs an der Benutzerschnittstelle, nicht auf das dafür verwendete Endgerät.Um die Bezahlung also von einem ungeliebten Verhinderungsprozess in eine Geschäftsmöglichkeit zu wandeln, bedeutet dies, die Priorität nicht auf die Anwendungsfälle zu setzen, für die schon ein guter und etablierter Kaufprozess existiert. Stattdessen gilt es, die Entwicklung neuer, effizienter Kaufprozesse da zu priorisieren, wo diese für mobile Anwendungsfälle noch nicht ausgereift sind. Einkauf mobilisierenFür einen Supermarkt zum Beispiel bedeutet dies, dass es nicht primär um das Bezahlen mit dem Smartphone an der Kasse geht. Dafür existieren dank Karten und Bargeld schon gut eingespielte und effiziente Bezahlverfahren. Es ist schwierig, mit Mobile Payments gegen diese Konkurrenz zu bestehen. Die Möglichkeiten liegen woanders – in der Mobilisierung des gesamten Kaufprozesses. Beispielsweise durch die Einführung von virtuellen Shopping Walls, die eine mobile Bestellung und Bezahlung von Produkten für die Abholung im Supermarkt oder die direkte Lieferung nach Hause ermöglichen. Entsprechende mobile Szenarien sind nicht möglich mit den herkömmlichen Bezahlverfahren an der Kasse. Und die Online-Bezahlverfahren, die derzeit dafür eingesetzt werden könnten, wurden entwickelt für den stationären PC mit Tastatur und der Kreditkarte zur Hand. Aber die mobile Welt erfordert neue Ansätze für die Bezahlprozesse, die nicht mehr die Eingabe solch großer Datenmengen erfordern, sondern die Bezahlung vereinfachen. Im Idealfall verschwindet sie komplett im Hintergrund.Hier liegt das tatsächliche Potenzial von Mobile Payments – Lösungen, die neue, intuitive Kauf- und Bezahlprozesse unterstützen sowie die Bezahlung für neue Dienste der mobilen Welt überhaupt erst ermöglichen.—-Danny Fundinger, Managing Consultant Mobile Payments and Mobile Wallets, IBM