Recht und Kapitalmarkt

Nach Erbschaftsteuer-Beschluss rasches Handeln ratsam

Gesetzgeber muss Neuregelung bis spätestens Ende 2008 treffen - Wer zu lange wartet, den bestraft vielleicht der Fiskus

Nach Erbschaftsteuer-Beschluss rasches Handeln ratsam

Von Stefan Köhler *) Das Bundesverfassungsgericht hat nach Vorlage durch den Bundesfinanzhof festgestellt, dass die geltende Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 31. 12. 2008 eine verfassungskonforme Neuregelung treffen. Wie diese Regelung aussehen kann, dazu hat das Gericht einige Hinweise gegeben. Die schlechte Nachricht: Erben und beschenkt werden wird in vielen Fällen vermutlich teurer. Die gute Nachricht: Es bleibt die Übergangsfrist, und die sollte genutzt werden. Die EntscheidungDas Gericht stellt die Berechtigung einer Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht in Frage. Die Steuer darf erhoben werden, sofern die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit des Empfängers ausgerichtet ist, die auf der Grundlage der Verkehrswerte der übertragenen Gegenstände ermittelt werden muss. Deshalb müssen die für die einzelnen Vermögensarten anzuwendenden Bewertungsmethoden dazu führen, dass eine zumindest verkehrswertnahe Bewertung erreicht wird. Erst im Anschluss an die Bewertung dürfen steuerliche Vergünstigungen gewährt werden, etwa Freibeträge, Besteuerungsausnahmen oder reduzierte Steuersätze. Solche Vergünstigungen müssen durch ausreichende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sein und zielgenau wirken, d. h. möglichst wenig gestaltungsanfällig sein.Diese Voraussetzungen erfüllen die geltenden Regelungen zur Wertermittlung nicht. Der Verkehrswert wird im Wesentlichen nur bei Geldvermögen, notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und anderen zu Tageskursen gehandelten Vermögenswerten angesetzt. Grundbesitz oder Betriebsvermögen wird dagegen selten mit einem verkehrswertnahen Wert erfasst. Bei Grundbesitz werden nur 20 bis 30 % des Verkehrswerts angesetzt. Betriebsvermögen ist strukturell unterbewertet, weil die regelmäßig weit unter den Verkehrswerten liegenden Steuerbilanzwerte angesetzt werden. Die Steuerbilanzwerte sind meist auch für die Wertermittlung von GmbH-Anteilen heranzuziehen, so dass es hier ebenfalls zu einer Unterbewertung kommt. Für Betriebsvermögen gewährt das aktuelle Recht zudem noch einen zusätzlichen Freibetrag von 225 000 Euro sowie einen Bewertungsabschlag von 35 % auf den nach Abzug des Freibetrags ermittelten Betrag. Dazu hat das Gericht allerdings keine Stellung genommen. Welche Änderungen sind zu erwarten?Klar scheint, dass der Gesetzgeber den Versuch unternehmen wird, eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Dass dabei Grund- und Betriebsvermögen höher bewertet werden müssen, liegt auf der Hand. Im Interesse einer kostensparenden Steuererhebung ist zu erwarten, dass dabei so weit wie möglich Vereinfachungs- und Pauschalierungsmethoden angewendet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat keine konkreten Wertermittlungsmethoden vorgeschrieben, aber deutlich gemacht, welche es für geeignet hält. Es weist für die Bewertung des Grundvermögens auf die gängigen Wertermittlungsmethoden nach der Wertermittlungsverordnung hin. Betriebsvermögen und GmbH-Anteile könnten nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage der gängigen Methoden der Unternehmensbewertung (z. B. Ertragswertverfahren) bewertet werden. Ausreichendes GemeinwohlDas Gericht hält steuerliche Privilegierungen außerhalb der Wertermittlung für möglich, die sehr weit reichen können. Sie müssen aber durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt, klar erkennbar sowie zielgerichtet sein und möglichst gleichmäßig wirken.Als einen solchen Gemeinwohlgrund nennt das Gericht die Belange der Bau- und Wohnungswirtschaft, insbesondere die Bereitstellung ausreichenden Wohnraums. Inwieweit sich daraus eine Berechtigung zu einer steuerlichen Privilegierung ableiten lässt, ist fraglich. Die Übertragung einer Immobilie zur Selbstnutzung durch den Beschenkten oder einen seiner Angehörigen dürfte sicher davon erfasst sein. Hier besteht also durchaus Raum für den Gesetzgeber, das fast schon sprichwörtliche “Häuschen der Oma” von einer Besteuerung freizustellen. Schwieriger gestaltet sich die Lage schon bei der Übertragung von größeren, fremdvermieteten Immobilienbeständen. Die Belange der Wohnungswirtschaft dürften kaum betroffen sein, wenn ein Teil eines größeren Immobilienbestandes verkauft werden müsste, um eine Erbschaftsteuerschuld zu begleichen. Ein weiterer Rechtfertigungsgrund könnte der Erhalt von Arbeitsplätzen sein. Der aktuelle Entwurf des Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge verfolgt dieses Ziel und strebt eine Entlastung von produktiv genutztem Vermögen an. Also Vermögenswerten, die unmittelbar der betrieblichen Produktion dienen. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke oder Lizenzen sollen jedoch nicht entlastet werden. Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von bis zu 25 % sollen grundsätzlich ebenfalls nicht entlastet werden. Zum Schutz von Familienunternehmen soll jedoch eine Entlastung für Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von bis zu 25 % gelten. Voraussetzung ist, dass die Anteile Stimmrechtsvereinbarungen oder Veräußerungsbeschränkungen unterliegen, die sich auf insgesamt mehr als 25 % der Anteile erstrecken. Die Entlastung betrifft in allen Fällen nur das Produktivvermögen und soll durch eine Stundung und ein Abschmelzen der Erbschaftsteuerlast über zehn Jahre erreicht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betrieb im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird, ansonsten wird die noch bestehende Steuer fällig. Was ist zu tun?Die geplante Entlastung von Produktivvermögen soll zu einer jährlichen Entlastung von ca. 500 Mill. Euro führen. Gegenfinanziert wird vermutlich durch eine Höherbewertung und Besteuerung des nicht produktiv genutzten Vermögens, insbesondere von Grundbesitz. Es ist zu erwarten, dass Immobilienübertragungen mit anschließender Eigennutzung wohl zu großen Teilen nicht besteuert werden. Hier besteht eher kein akuter Handlungsbedarf. Anders wird dies bei größeren, fremdvermieteten Immobilienbeständen sein, die sicher einen Großteil zur Gegenfinanzierung beitragen werden. Hier sollte geprüft werden, ob es sinnvoll ist, unter der jetzt noch geltenden Rechtslage tendenziell günstigere Übertragungen vorzunehmen. Gleiches gilt für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von bis zu 25 % oder Beteiligungen an Gesellschaften, die verhältnismäßig wenig produktives Vermögen halten. Auch nach dem aktuellen Gesetzentwurf muss die Übertragung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von bis zu 25 % nicht zwangsläufig zu einer höheren Steuerlast führen. Sofern die Gesellschaft über einen hohen Anteil an produktiv genutztem Vermögen verfügt, bietet sich der Formwechsel in eine Mitunternehmerschaft, z. B. eine KG, an. Das Produktivvermögen wird den Gesellschaftern unabhängig von der Beteiligungshöhe zugerechnet und anteilig entlastet. Solche Maßnahmen sollten aber nur unter Berücksichtigung der Ertragsteuersituation durchgeführt werden.Ob eine Übertragung jetzt sinnvoll ist, sollte möglichst bald geprüft werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber schnell handelt und keine oder nur kurze Übergangsfristen gewährt. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, das die Neuregelung am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft treten soll. Die Übertragung muss zivilrechtlich vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein, um nicht unter die Neuregelung zu fallen. Gerade bei Schenkungen an minderjährige Kinder darf der zusätzliche Zeitaufwand, z. B. durch die gerichtliche Bestellung von Ergänzungspflegern oder notwendige vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen, nicht unterschätzt werden. Die zivilrechtliche Rückwirkung von Genehmigungen ist steuerlich unbeachtlich. Wer zu lange wartet, den bestraft vielleicht der Fiskus. Stefan Köhler ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Gleiss Lutz.