Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Martin Erhardt

Nach Erwerben kann es ein böses Erwachen geben

Käufe von notleidenden Firmen bergen Anfechtungsrisiken - Problembehaftete Unternehmensprüfung

Nach Erwerben kann es ein böses Erwachen geben

– Herr Dr. Erhardt, in Zeiten der weltweiten Finanzkrise geraten M & A-Transaktionen von in Schieflage geratenen Unternehmen wieder stärker in das allgemeine Blickfeld. Wodurch unterscheidet sich die heutige Situation von früheren Krisen? Einerseits hat sich die Anzahl der professionellen Player im Markt durch das Hinzutreten zahlreicher Fondsgesellschaften, die sich auf den Erwerb in Schieflage geratener Unternehmen spezialisiert haben, erheblich erhöht. Andererseits führt die mit dem Stichwort der “Kreditklemme” verbundene Zurückhaltung der Banken bei Vergabe von Fremdmitteln dazu, dass der Erwerb von Krisenunternehmen häufig nur noch durch volle Eigenkapitalfinanzierung möglich ist. Schließlich ist zu beobachten, dass nicht wenige Gesellschaften, die etwa als Folge einer vorangegangenen Übernahme mit erheblicher Fremdfinanzierung ausgestattet sind, trotz stabilem Cash-flow in Zahlungsschwierigkeiten geraten. – Welche Folgen kann die spätere Insolvenz des Verkäufers einer Firma für den Erwerber nach sich ziehen?Zentral für den Unternehmenskauf aus der Krise ist die Beurteilung möglicher Anfechtungsrisiken, die daraus entstehen können, dass der Verkäufer nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrags in die Insolvenz fällt. Strebt der Insolvenzverwalter dann die Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrags an, kann dies zu einem bösen Erwachen auf Erwerberseite führen. Noch komplizierter wird die Situation, wenn der Erwerber in der Zwischenzeit Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen vorgenommen hat. – Wie kann sich der Erwerber gegen die Risiken einer solchen Anschlussinsolvenz schützen? Garantieerklärungen von solventen Muttergesellschaften sind bei Distressed-M & A-Transaktionen selten, denn die Konzernmutter will sich durch den Abverkauf gerade von den Risiken einer möglichen Insolvenz befreien. – Wie kann sich ein Erwerber trotz dieser Zurückhaltung auf der Verkäuferseite rüsten?Drei Kernpunkte sind zu beachten. Erstens: Vermeidung einer Gläubigerbenachteiligung durch die Angemessenheit der Gegenleistung und Vermeidung der Übernahme nur ausgewählter Verbindlichkeiten. Zweitens: Mögliche Strukturierung des Erwerbs als ein anfechtungsresistentes sogenanntes “Bargeschäft” nach § 142 Insolvenzordnung (InsO) durch Übertragung der betreffenden Vermögensgegenstände gegen Barzahlung unter Verzicht auf jegliche Formen einer Kaufpreisanpassung. Drittens: Prüfung der voraussichtlichen finanziellen Situation des Verkäufers nach der Transaktion, insbesondere während des besonders kritischen Drei-Monats-Zeitraums. Je nach den Umständen des Einzelfalls sind weitere Vermeidungsstrategien denkbar, scheitern aber in aller Regel an dem besonderen zeitlichen Handlungsdruck. – Welche Vorteile oder Nachteile bietet der Erwerb eines Unternehmens aus dem Insolvenzverfahren im Vergleich zum Erwerb noch vor einem Insolvenzverfahren?Aus rechtlicher Sicht bietet der Kauf vom Insolvenzverwalter mit der Vermeidung der Insolvenzanfechtung, den Einschränkungen bei den gesetzlichen Mithaftungen und den Strukturierungsmöglichkeiten eines Insolvenzplans eine ganze Reihe von Vorteilen. Diese rechtlichen Vorteile sind aber ökonomisch gegen die mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Kosten und zeitlichen Verzögerungen abzuwägen. Nicht zuletzt kann ein Insolvenzverfahren durch die Reputationsschäden sowohl auf Seiten des Verkäufers als auch auf Seiten des Zielunternehmens zu einer für alle Beteiligten nachteiligen Wertvernichtung führen. – Welche Bedeutung hat die Due Diligence, also die Unternehmensprüfung, aus Erwerbersicht?Die Unternehmensprüfung ist einer der neuralgischsten Punkte im Rahmen einer Distressed-M & A-Transaktion. Denn auf der einen Seite steht die meist extrem geringe zeitliche Verfügbarkeit des Managements, das sich neben der Bewältigung der Krisensituation regelmäßig den alternativen Rettungsszenarien wie etwa Verhandlungen mit Gläubigern über einen Forderungsverzicht oder einer konzerninternen Sanierung widmen muss. Auf der anderen Seite muss sich der Verkäufer, der keine wesentlichen Garantieerklärungen des Verkäufers zu erwarten hat, unter anderem vor den Risiken möglicher gesetzlicher Mithaftungen nach § 25 Handelsgesetzbuch (im Falle der Firmenfortführung), § 75 Abgabenordnung (AO) im steuerlichen sowie § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im arbeitsrechtlichen Bereich oder sonstigen schlummernden Risiken schützen. – Was ist aus Verkäufersicht zu beachten?Durch die Neuregelungen der GmbH-Reform im MoMiG sind Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen, die im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, anfechtbar. Durch diese Neuregelung ist ein Verkäufer, der sich im Rahmen der Transaktion bestehende Gesellschafterdarlehen zurückführen lässt, einem erheblichen Risiko ausgesetzt, dass der Insolvenzverwalter im Falle einer späteren Insolvenz des veräußerten Unternehmens die zurückbezahlten Beträge zur Insolvenzmasse ziehen kann. Verkäuferseits ist daher darauf zu achten, dass die Darlehensrückzahlung vermieden und durch andere Konstruktionen wie etwa die Abtretung dieser Darlehen an den Käufer ersetzt wird. Dr. Martin Erhardt ist Partner der Kanzlei Milbank Tweed Hadley & McCloy LLP in München. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.