Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Berthold Mitrenga

Nach "Herkules": IT bietet vielfältige Anwendungen für PPP-Projekte

Lehren aus dem komplexen, größten Auftragsverfahren der öffentlichen Hand

Nach "Herkules": IT bietet vielfältige Anwendungen für PPP-Projekte

Die Bundeswehr hat jüngst dem Konsortium aus Siemens Business Services (SBS) und IBM den Auftrag erteilt, ihre nichtmilitärische Informations- und Kommunikationstechnik zu modernisieren und zu betreiben. Dieses Projekt namens Herkules ist einer der größten Aufträge der öffentlichen Hand in der Geschichte der Bundesrepublik. Beiten Burkhardt hat die Bundeswehr in diesem Vergabeverfahren beraten und vertreten. Herkules ist mit einem Auftragsvolumen von 7,1 Mrd. Euro das größte und gleichzeitig eines der komplexesten und umfangreichsten Public-Private-Partnership-Projekte (PPP) in Europa. Wir befragten den Beiten-Burkhardt-Anwalt Berthold Mitrenga, der die Federführung hatte. – Herr Mitrenga, Sie haben mit Ihrem Team die Bundeswehr bei dem Herkules-Projekt beraten, das in vielerlei Sicht Rekorde schlägt. Worum geht es dabei?Bei Herkules dürfte es sich um das bisher größte PPP-Projekt in Europa handeln. Es umfasst die Modernisierung und den Betrieb der nichtmilitärischen Informations- und Kommunikationstechnik der Bundeswehr. Insbesondere werden 140 000 Arbeitsplätze mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik ausgestattet. Neben den Mitarbeitern von SBS und IBM werden über 2 900 Beamte, Soldaten und Zivilangestellte der Bundeswehr im Rahmen des Projekts tätig sein. – Wie lange wurde verhandelt, und welche Dimensionen hat das Verfahren angenommen – das Vertragswerk soll ja rund 1,2 Millionen Seiten umfasst haben?Das Verfahren zur Vergabe dieses Auftrags erstreckte sich über die Jahre 2001 bis 2006. Zunächst wurde mit einem anderen Bieter über das Projekt verhandelt. Die Vertragsverhandlungen mit dem jetzt erfolgreichen Konsortium begannen im Mai 2005 und wurden Ende März 2006 abgeschlossen. Die Beurkundung erfolgte im Dezember vergangenen Jahres nach der Zustimmung insbesondere der parlamentarischen Gremien. Das Vertragswerk selbst umfasst ca. 17 000 Seiten. Andere in diesem Zusammenhang genannte Zahlen beziehen interne Regelwerke der Bundeswehr mit ein, welche nach einer Bestandsaufnahme nur sukzessive und teilweise Eingang in das Vertragswerk finden werden. – Wie sind Sie angesichts der Komplexität vorgegangen? Schon der bloße Umfang der Leistungen war eine Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Als beratende Anwälte hatten wir die besondere Aufgabe, für eine rechtssichere Vergabe zu sorgen. Die ausgefeilteste gesellschaftsrechtliche Konstruktion nützt nichts, wenn sie einer vergaberechtlichen Überprüfung nicht standhält. Ebenso muss man zum Beispiel beim Entwurf eines IT-Vertrages die Auswirkungen auf das betroffene Personal bedenken. Das gelingt nur, wenn man in allen Projektstadien mit fachübergreifend integrierten Anwaltsteams arbeitet. Diese integrierten Teams haben wir bei Beiten Burkhardt; dies hat es uns auch ermöglicht, parallele Verhandlungen mit dem Bieterkonsortium über die zahlreichen Aspekte einer solchen Privatisierung zu begleiten, ohne die man eine solche Herkulesaufgabe gar nicht bewältigen könnte. – Können Sie etwas zum Auswahlprozess sagen, der zum Zuschlag an Siemens und IBM führte? Der Prozess zur Auswahl des erfolgreichen Bieters war aufgrund der Geltung des Vergaberechts weitgehend formalisiert. Durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens haben wir jedoch eine gewisse Flexibilisierung dieses Auswahlprozesses erreicht, die für die Vergabe eines derart komplexen Projekts erforderlich ist. Unsere Erfahrungen in der Gestaltung von Vergabeverfahren haben gezeigt, dass es nicht nur sinnvoll, sondern für das Gelingen des Verfahrens unabdingbar ist, den Auswahlprozess so zu gestalten, dass der Auftraggeber die Erfolgsaussichten der Verhandlungen mit dem jeweiligen Bieter regelmäßig überprüfen kann. Diese Strategie hat sich auch beim Projekt Herkules bewährt. – Welche Rechtsgebiete umfasst ein solches Projekt?Fast alle Rechtsgebiete spielten im Projekt Herkules eine Rolle, vor allem Vergabe- und IT-Recht sowie Gesellschafts-, Arbeits- und Dienstrecht. Aber auch komplexe öffentlich-rechtliche, urheberrechtliche, steuerrechtliche und immobilienrechtliche Fragen mussten berücksichtigt werden. In solchen Fällen kann nur dann eine optimale Beratungsleistung erbracht werden, wenn – wie bei Beiten Burkhardt – ein über Jahre eingespieltes Team, bestehend aus Spezialisten der unterschiedlichsten Rechtsbereiche, vorhanden ist. – Was lässt sich aus der Abwicklung für künftige Public Private Partnerships lernen?Auch und gerade der IT-Sektor bietet vielfältige Anwendungsfelder für derartige Projekte. So kann die öffentliche Hand in diesem investitionsintensiven Umfeld am Know-how der Industrie partizipieren. Dem Projekt Herkules sollte aber auch generell Signal- und Vorbildwirkung für künftige Public Private Partnerships zukommen. Denn es beweist, dass selbst komplexeste Vergabeverfahren zu einem für beide Seiten sinnvollen Ergebnis kommen können, wenn man sie sorgfältig vorbereitet und durchführt. – Berthold Mitrenga ist Partner bei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.Die Fragen stellte Walther Becker.