Nachhaltige Finanzinstrumente setzen sich im Kreditmarkt durch
Herr Dr. Tieves, nachhaltige Finanzierungen sind im Trend, Investoren, Banken, Unternehmen und Staaten fordern zunehmend ESG-Kriterien ein. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit inzwischen in der Kreditfinanzierung?Wir sehen eine Tendenz zu Finanzierung mit Nachhaltigkeitsregelungen inzwischen auch im Markt für Bankkredite und Schuldscheindarlehen. Dabei steht aber zumeist nicht die Frage der Mittelverwendung im Vordergrund, sondern die Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an Nachhaltigkeitszielen wie etwa der Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Geht es allein um Klimaschutz?Auch Aspekte wie eine Verbesserung von Corporate Governance, Arbeitnehmerschutz und Gleichberechtigung können eine Rolle spielen. Entsprechend spricht der Markt hier nicht von Green Loans, sondern von ESG (Environmental, Social, Governance) Compliant Loans. Die Entwicklung spiegelt sich auch im jüngsten Positionspapier des Bundesverbandes deutscher Banken wider, der darin die Möglichkeit des Bankensektors unterstreicht, einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu leisten. Unterscheiden sich nachhaltige Finanzinstrumente im Kreditmarkt von denen im Bondmarkt?Im Rahmen der Kreditfinanzierung wird eher die Höhe der Verzinsung an die Erreichung vereinbarter Nachhaltigkeitsziele geknüpft und nicht wie im Bondmarkt die Mittelverwendung vorgegeben. ESG Compliant/ Sustainability-linked Loans sind daher auch für solche Unternehmen zugänglich, die die Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens verbessern wollen, dies aber nicht mit einer Investition in ganz spezifische Projekte verknüpfen können. Außer bei staatlichen Förderdarlehen sind Kredite, bei denen die Mittelverwendung vorgegeben wird (Green Loans), nicht sehr verbreitet. Allerdings haben die standardsetzenden Institutionen wie die Loan Market Association in London, die amerikanische Loan Syndications and Trading Association und die Asia Pacific Loan Market Association gemeinsame Positionspapiere sowohl zu Green Loans als auch zu Sustainability-linked Loans veröffentlicht und bieten Kreditgebern damit Orientierung zur Auswahl geeigneter Kreditnehmer und Gestaltung der Verträge. Das könnte zu einer Standardisierung beitragen und das Segment beflügeln. Welche wirtschaftlichen Vorteile bieten ESG-Kredite für Unternehmen?Die Finanzierungskosten können durch ESG-Kredite nur geringfügig gesenkt werden, da die Zu- beziehungsweise Abschläge für den Fall des Erreichens oder der Verfehlung vereinbarter Nachhaltigkeitsziele bisher nur im Bereich weniger Basispunkte liegen. Der Reputationsschaden dürfte bei einer Zielverfehlung oft größer sein als der direkte finanzielle Nachteil. Die Verfolgung von ESG-Zielen dient aber auch der Bindung institutioneller Investoren, die sich die Förderung nachhaltigen Wirtschaftens auf die Fahnen geschrieben haben und sich zunehmend von Unternehmen abwenden, deren Geschäft etwa der Umwelt schadet. Ferner achten Endkunden von Unternehmen zunehmend darauf, ob sie ein Produkt von einem Unternehmen erwerben, das sich Nachhaltigkeitszielen verpflichtet hat. Wie wird das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele am Ende überprüft?Bei der Vereinbarung von Nachhaltigkeitszielen werden im Kreditmarkt zwei Ansätze verfolgt. Zum einen lassen sich Unternehmen von speziellen Agenturen bewerten. Diese erteilen dann ein Nachhaltigkeitsrating (ESG-Rating). Der andere Weg ist die Vereinbarung sogenannter Sustainability Performance Indicators, mit denen ganz bestimmte Elemente nachhaltigen Wirtschaftens gemessen werden. Damit sind ESG-Elemente für all jene Unternehmen geeignet, die entsprechende Ziele zu vertretbaren Kosten nachhalten und von einer externen Stelle überprüfen lassen können. Das gilt für alle Kreditnehmer, die sich über den syndizierten Kreditmarkt oder den Schuldscheinmarkt finanzieren können. Dr. Johannes Tieves ist Partner von Hengeler Mueller in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.