"Nachhaltigkeit ist kein Renditenachteil"
Wenn im Dezember in Kopenhagen alle Industrieländer das neue Protokoll für den globalen Klimaschutz unterschreiben, wird das die Nachfrage nach ethisch ausgerichteten Investmentfonds deutlich steigern, sagt Bernhard Engl, Nachhaltigkeitsexperte von Swisscanto und für den Markt in Deutschland verantwortlich. Etablierte Anbieter dürften zusätzlich davon profitieren, dass Wettbewerber Produkte zusammenlegen oder gar schließen müssen.- Herr Engl, mein Eindruck ist, dass nachhaltige Geldanlagen immer noch ein Nischendasein fristen. Widersprechen Sie?Ich widerspreche Ihnen insoweit, dass Nachhaltigkeit keine Nische mehr ist, sondern vielmehr ein großer, übergeordneter Trend. Man stellt eindeutig fest, dass sich nun viele Unternehmen Gedanken darüber machen, was sie aus der Finanz- und Wirtschaftskrise lernen können, um langfristig bestehen zu können. Zudem arbeiten viele Unternehmen bereits nach Leitlinien der Nachhaltigkeit, propagieren das aber nicht lautstark, ehe sich die Abläufe intern voll etabliert haben. Andernfalls würde ein Reputationsrisiko bestehen. Das Universum der Unternehmen, in die Nachhaltigkeitsfonds investieren können, wächst. Vor 15 Jahren waren es vielleicht 30 oder 40 Werte, in die man investieren konnte. Heute sind es 300 oder 400.- Aktuell bestehen allerdings erst etwa 180 Aktienfonds, die sich an nachhaltigen Kriterien ausrichten, gemeinsam verwalten sie rund 13,5 Mrd. Euro. Das ist nicht viel, oder?Das ist vollkommen richtig. Es macht nur 1 oder 2 % des verwalteten Gesamtvermögens aus. Es liegt aber auch daran, dass viele Anbieter, die sich intensiv und schon seit längerem mit diesem Thema befassen, eher zu den Kleineren zählen.- Nur wenige dieser Fonds verwalten bereits ein ansehnliches Volumen. Ist angesichts des aktuell anspruchsvollen Umfelds für Fondsgesellschaften zu befürchten, dass eine Reihe der vorhandenen Fonds zusammengelegt oder eingestellt werden?Die Gefahr besteht immer. Bei Swisscanto besteht sie nicht, weil wir schon die großen Volumen haben. Grundsätzlich glaube ich, dass es eine Bereinigung auf dem Kapitalanlagemarkt geben wird. Festzustellen ist allerdings, dass die Anbieter, die sich schon seit mindestens einem Jahrzehnt mit Nachhaltigkeit beschäftigen, die Produkte haben, die den Wünschen der Anleger entsprechen. Es gibt viele, die einfach ein Me-too-Produkt auflegen. Für die ist es dann in einem Umfeld wie derzeit gegebenenfalls schwierig, an diesem Produkt festzuhalten. Dies ist aber bei den vier oder fünf Anbietern anders, die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert haben und dies auch seit Jahren nach außen propagieren.- Wie hat sich denn bei Swisscanto das verwaltete Vermögen im Zuge der Finanzkrise entwickelt?Bei uns ist es um die Performance bereinigt gewachsen. Wir stellen fest, dass Anleger, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, den Langfristcharakter bei ihren Investments sehen und nicht Rein-raus-Strategien fahren. So sind Anleger, die 2004 oder 2005 eingestiegen sind, immer noch investiert. Nachhaltigkeit hat also auch so gesehen mit Langfristigkeit zu tun.- Welche Anlegergruppen sind denn das? Kirchen? Pensionsfonds?Bei uns ist es der ganz normale Privatkunde, der zur Sparkasse oder zur Volksbank geht. Bei den großen Investoren wie Kirchen und Stiftungen sollte die Ausrichtung zur Nachhaltigkeit ja ohnehin vorhanden sein, wobei ich feststelle, dass es dort auch nicht immer so ist.- Wovon versprechen Sie sich in den nächsten Jahren auf der Nachfrageseite neue Impulse?Ich erwarte sicherlich von den Konjunkturprogrammen der Regierungen, die auf den Ausbau erneuerbarer Energien zielen, relativ viel. Weltweit sind etwa 16 % der bekannt gegebenen Investitionen dafür reserviert. Allerdings steht und fällt das Ganze mit einem eindeutigen Abkommen in Kopenhagen im Dezember, wo das Nachfolgeprotokoll von Kyoto unterschrieben werden muss. Wenn das alle wichtigen Industrie- und Schwellenländer unterschreiben, dann bin ich sicher, dass das den entscheidenden Impuls bringen wird. Und dann ist ein wichtiger Punkt noch erforderlich, dass nämlich die Tonne CO2 weltweit einen fairen Preis bekommt. Wenn danach ein Unternehmen für den Ausstoß von CO2 mehr Geld aufbringen muss als bislang, wird das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen. Unternehmen werden sich dann bemühen, den Einsatz von Rohstoffen zu drosseln, um Kosten zu senken.- Welche Rückmeldung bekommen Sie von den Bankberatern? Fragen Anleger nach Nachhaltigkeitsfonds, oder geht die Initiative stärker von den Beratern aus?Es ist beides, nun im Zuge der Krise geht die Initiative aber immer häufiger von den Kunden aus, die sich stärker dafür interessieren, wie ihr Geld investiert wird.- Steckt darin gegebenenfalls Enttäuschungspotenzial? Der Begriff nachhaltiges oder ethisches Investment wird von den verschiedenen Anbietern ja ganz unterschiedlich ausgelegt.Dies könnte geschehen, wenn die Beratung nicht gut ist. Wenn abgesteckt ist, welche Art der Nachhaltigkeit, also soziale, ökologische oder ökonomische, dem Kunden wichtig ist, dürfte das Enttäuschungspotenzial gering sein. Wenn Kunden betonen, dass sie nichts mit der Produktion von Waffen zu tun haben wollen, schränkt dies die Auswahl möglicher Fonds automatisch ein.- Fordern Anleger noch mehr Transparenz, um die einzelnen Fonds, die sich unter dem Siegel Nachhaltigkeit finden, besser voneinander abgrenzen zu können?Das ist ein wichtiges Thema. Es gibt seit 2008 vom europäischen Dachverband Eurosif Transparenzrichtlinien, transparente Fonds bekommen für ein Jahr ein Transparenzlogo verliehen. Zuvor muss der Fondsanbieter seine Anlagepolitik, die Ausschlusskriterien und den Anlageprozess erklären. Einige Anbieter haben sich um das Logo beworben, andere haben das nicht gemacht. Anlegern und Beratern kann dies bei ihrer Entscheidung helfen.- Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass Nachhaltigkeitsfonds, die gewisse Sektoren für Investments ausschließen, auf Renditechancen verzichten?Wenn man den wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema Glauben schenken mag, dann ist Nachhaltigkeit – auch mit gewissen Ausschlusskriterien – kein Renditenachteil. Wenn Sie einen global investierenden Aktienfonds haben, der wird ja auch nicht jeden Sektor gleich behandeln, sondern der sucht sich ebenfalls bestimmte Branchen heraus.- Dieser Fonds hätte in den vergangenen zwei Jahren aber ganz gewiss Aktien von Versorgern im Depot gehabt, die durch ihren defensiven Charakter in Krisenzeiten für Stabilität stehen.Nachhaltig ausgerichtete Fonds hatten dafür stärker Unternehmen aus dem Sektor erneuerbare Energien im Portfolio. Die sind mindestens genauso gut gelaufen. Sicherlich: Mit Ölwerten im Portfolio hätte die Rendite möglicherweise noch besser ausgesehen. Aber da muss sich der Anleger eben entscheiden, ob er an dieser Stelle für ein Renditeplus von 1 % auch dort investiert sein mag. Wer über einen Zeitraum von mehreren Jahren in einem nachhaltig ausgerichteten Fonds investiert ist, hat sicher keinen Renditenachteil.- Was erwarten Sie sich für das zweite Halbjahr?Wir haben bereits im zurückliegenden Monat Mittelzuflüsse verzeichnet. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt stabilisiert und der Schub dann einsetzt, wenn in Kopenhagen das Nachfolgeprotokoll von Kyoto unterzeichnet wird, weil das viel Unsicherheit nimmt und die politischen Rahmenbedingungen gesetzt sind.- Welche Schwerpunkte setzen Sie sich bis dahin?Ein Schwerpunkt werden die Emerging Markets sein.- Das Bild, das der Normalanleger dabei vor Augen hat, dürfte aber von rauchenden Schloten und immenser Wasserverschmutzung, etwa in China, geprägt sein, oder?In China passiert in Sachen Nachhaltigkeit mehr, als wir überhaupt wissen. Die Unternehmen, in die wir investieren, werden vor Ort überprüft, ob sie unseren Kriterien entsprechen. Zudem gibt es Schwellenstaaten wie Südkorea oder Indonesien, die beim Thema Nachhaltigkeit schon weit vorangekommen sind.—-Das Interview führte Thorsten Kramer.