RECHT UND KAPITALMARKT

Nachhaltigkeit wird Qualitätsmerkmal

Investoren fordern von Unternehmen Bewusstsein für ESG - Umwelt und Diversität stehen besonders im Fokus

Nachhaltigkeit wird Qualitätsmerkmal

Von Natalie Daghles *)Nachhaltig aufgestellte Unternehmen schneiden – (auch) in der Krise – besser ab. Aber was bedeutet nachhaltiges Engagement im Unternehmen? Der Begriff hat nach der Finanzkrise auch in das deutsche Aktienrecht Eingang gefunden. Die Vergütungsstruktur ist in börsennotierten Unternehmen auf eine “nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft” auszurichten. Gemeint ist hier nicht das ökologische Prinzip der Ressourcennutzung aus der Forstwirtschaft, sondern vielmehr Anreize zu schaffen hin zu einer langfristig positiven Unternehmensentwicklung. Der Begriff der Nachhaltigkeit steht für zukunftsorientiertes Unternehmertum, statt primär die nächsten Quartalszahlen in den Fokus zu stellen. RisikominimierungInvestoren haben die Vorteile nachhaltigen Wirtschaftens erkannt und Kriterien entwickelt, um Nachhaltigkeit zu definieren und zu bewerten. ESG steht für Environmental, Social, Governance. Umwelt (Environmental) ist greifbar und wird im Hinblick auf den Klimawandel oft in den Fokus der Diskussion gestellt. Investoren schauen auf die Nutzung umweltfreundlicher Technologien, Treibhausgasemissionen und Umweltverschmutzung. Hinter dem S für Soziales (Social) verbergen sich weniger greifbare Kriterien wie Personalmanagement, Gesundheit und Sicherheit, Fair Trade, Engagement in der lokalen Gemeinschaft sowie Diversity. Das G steht für Unternehmensführung (Governance). Dabei geht es um Themen wie Vergütungsstrukturen, Effektivität von Risikokontrollmechanismen und unlautere Geschäftspraktiken.Private Equity und andere Investoren registrieren eine stetig steigende Bedeutung von nachhaltigen Investments. Separate Fonds werden aufgesetzt, um auf die Nachfrage zu reagieren (Impact Investing), und Transparenz wird von Unternehmensseite durch gezieltes Reporting eingefordert. Nachhaltigkeit wird dabei nicht nur zur Unterstützung gesellschaftspolitischer Ziele gefordert. Vielmehr spielt auch eine zentrale Rolle, dass nachhaltig aufgestellte Unternehmen besser gewappnet sind im Hinblick auf zu erwartende regulatorische Vorgaben. ESG – gerade im Bereich Environmental und Diversity – wird ein Faktor, wenn es um Risikominimierung geht. Ein Unternehmen, das ESG-Kriterien berücksichtigt, hat ein geringeres Risiko, in einen Skandal verwickelt zu werden, der den Unternehmenswert beeinflussen könnte. Das Unternehmen wird ebenso weniger wahrscheinlich Gegenstand eines negativ besetzten öffentlichen Diskurses zum Beispiel über Diversity-Ziele.Gänzlich neu sind Themen wie soziale Verantwortung selbstverständlich nicht. Mit Corporate Social Responsibility setzen sich Unternehmen seit einigen Jahren auseinander und schaffen Transparenz zu ihren Engagements. Bemerkenswert sind aber der Trend und die Deutlichkeit, mit der nunmehr von Investorenseite ESG-Ziele propagiert und eingefordert werden. Die Top Trends Environmental und Diversity stehen dabei ganz oben als Erfolgsfaktoren auf der Agenda – und Forderungen an Unternehmen in diese Richtung werden nicht mehr hinter verschlossenen Türen artikuliert. Nachfrage steigtIn Krisenzeiten kann sich der Einfluss auf Unternehmen durch Investoren oder Dritte verstärken. Wenn Bankenfinanzierungen nicht in Frage kommen, engagiert sich in der Krise der Staat oder es kommt Private Equity als Anker in Frage. Weltweit warten ca. 1,45 Bill. Dollar in Private Equity darauf, investiert zu werden – das entspricht knapp 40 % des Bruttoinlandsprodukts 2019 in Deutschland. Dieser Einfluss zeigt sich zum einen aus staatlicher Richtung: Unternehmen profitieren ungleich von Konjunkturpaketen, mit staatlichen Hilfen werden gesellschaftspolitische Forderungen verknüpft.Das gerade beschlossene Konjunkturpaket von etwa 130 Mrd. Euro für die nächsten zwei Jahre setzt gesellschaftspolitisch Akzente. Der Teil des Zukunftspakets soll insbesondere in Forschung, Gesundheitswesen, Klimaschutz, Ladesäulen für E-Autos und künstliche Intelligenz investiert werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey erklärte im Zusammenhang mit staatlichem Engagement in Unternehmen: “Hilfen müssen auch an Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit geknüpft werden. Wer Geld vom Staat bekommt, sollte im Gegenzug etwas dafür tun, die Lohnlücke zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reduzieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken oder Frauen in Führungspositionen zu bringen.”Auch von Private-Equity-Investoren und Investmentbanken werden ESG-Ziele benannt: David Solomon, CEO von Goldman Sachs, kündigte im Januar in Davos an, dass Goldman ab Juli 2020 kein US-amerikanisches oder europäisches Unternehmen mehr an die Börse bringen wird, das nicht mindestens ein “diverses Vorstandsmitglied” hat. Bis Juni 2021 will Goldman zwei “diverse Vorstandsmitglieder” für alle seine IPO-Kandidaten zum Ziel setzen. Maßgeblicher Treiber für diese Forderung ist laut Goldman auch die Überzeugung, dass ein Unternehmen nur mit einem divers aufgestellten Top-Management für Erfolg am Kapitalmarkt gerüstet ist.BlackRock-CEO Larry Fink hat in einem Brief an die CEOs der Unternehmen im Portfolio Klimawandel als ein Kernrisiko identifiziert, das zum Investitionsrisiko mutiert. Er prognostiziert, dass Kapital zukünftig in klimabewusste Unternehmen investiert wird – nicht zuletzt, weil regulatorische Anforderungen andernfalls zum Risiko werden. BlackRock erklärte im letzten Jahr zudem, sie werde Frauen im Top-Management ihrer Portfolio-Unternehmen erwarten. Die Liste von PE-Investoren, die ausdrücklich ESG-Faktoren berücksichtigen, ist lang. Mehr als 3 000 Investoren, die über 100 Bill. Dollar repräsentieren, haben die UN Principles for Responsible Investment mittlerweile unterzeichnet.Auch die Deutsche Börse reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach nachhaltigen Investments und hat in diesem Jahr einen neuen Nachhaltigkeitsindex (Dax 50 ESG) eingeführt. Mit dem Dow Jones Sustainability World Index und den weiteren S&P-ESG-Indizes bestehen ähnliche Nachhaltigkeitsindizes außerhalb von Deutschland.ESG-Ziele werden zum Qualitätsmerkmal und immer häufiger gleichgesetzt mit Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Mit den Top Trends Environmental und Diversity sollten sich Unternehmen fokussiert auseinandersetzen. Nach einer im letzten Monat veröffentlichten Studie von McKinsey sind divers aufgestellte Unternehmen mit signifikanter Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich profitabel im Vergleich zu ihren Wettbewerbern – einbezogen wurden hier auch die Erkenntnisse aus der Covid-19-Krise. Perspektivenvielfalt ist heute wichtiger als zuvor; divers aufgestellte Unternehmen greifen neue Trends eher auf und identifizieren früher neue Business-Opportunitäten. Diverse Teams agieren innovativer und haben einen breiteren Blick auf sich verändernde Kundenbedürfnisse oder ein sich veränderndes Konsumverhalten. Diversität wird so zu einem kompetitiven Vorteil. Dabei geht es selbstverständlich nicht nur, aber auch um Gender Diversity. Sieht man sich die verschiedenen ESG-Faktoren an, ist Diversität im Management in Relation zu den anderen Faktoren allgemein zugänglich und überprüfbar. Thema für KrisenzeitenEs gilt nichtfinanzielle Leistungsindikatoren bei den aktuellen Herausforderungen nicht aus dem Fokus zu rücken, sondern weiterhin anzugehen. Andernfalls drohen bereits erreichte Errungenschaften der Krise zum Opfer zu fallen. Daher ist es gerade in der Krisenzeit wichtig, diverse Teams mit dem Krisenmanagement und der strategischen (Neu-)ausrichtung zu betrauen. Der Trend, auf Investorenseite ESG in die Investitionsentscheidung einzubeziehen, wird anhalten. Unternehmen sind deshalb gut beraten, ESG-Ziele für sich zu definieren und konsequent umzusetzen. Es gibt keinen “one fits all approach” – die Top Trends Environmental und Diversity gehören aber weiterhin auf die Agenda – auch und insbesondere in Krisenzeiten, um zukunftsfähig aufgestellt zu sein. *) Dr. Natalie Daghles ist Corporate-Partnerin im Düsseldorfer Büro von Latham & Watkins.