Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Thomas Schulz

Nachverhandeln lohnt sich beim Unternehmenskauf

Studie: Jeder Dritte hätte mindestens einen Deal gerne komplett rückabgewickelt

Nachverhandeln lohnt sich beim Unternehmenskauf

Herr Dr. Schulz, Sie haben rund 1 000 M & A-Experten in Unternehmen, Private-Equity-Fonds, Investmentbanken und Beratungen befragen lassen, in wie vielen Fällen Unternehmenskäufer im Nachhinein mit dem Kaufpreis unzufrieden waren und wie oft nachverhandelt wurde. Was hat Sie dazu veranlasst? Statistiken belegen seit Jahren, dass viele M & A-Deals nicht zum gewünschten Ziel führen. Wir wollten uns über die eigene Erfahrung hinaus einen Eindruck verschaffen, wie viele davon mit Nachverhandlungen zu retten gewesen wären. Und wenn wir für Verkäufer verhandeln, interessiert uns, wie hoch – rein statistisch – die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Käufer noch einmal wegen des Preises vorstellig wird. – Was sagt die Studie? Die Teilnehmer waren bei 12 % der Transaktionen, die sie in den vergangenen zehn Jahren abgewickelt haben, mit dem Kaufpreis unzufrieden. Wir reden also nicht über ein alltägliches Szenario, eher über ein latentes Risiko. In dem momentanen Verkäufermarkt in Deutschland nimmt es jedoch zu. Erschreckender als die 12 % ist, dass jeder Dritte mindestens einen Deal am liebsten komplett rückabgewickelt hätte. Sowohl überteuerter Einkauf als auch Kaufreue können für Vorstände und Fondsmanager sehr unangenehm werden. Anwälte müssen mit ihren Mitteln helfen, solche Situationen zu vermeiden. – In wie vielen Fällen konnten Käufer nachverhandeln, und wie oft waren sie erfolgreich?Mehr als die Hälfte der unzufriedenen Käufer (7 von den 12 %) forderten Minderung. Davon realisierten 2 % immer den gewünschten Kaufpreis, 59 % meistens, 32 % selten und 7 % nie. Die übrigen hätten es vielleicht doch mit Nachverhandlungen versuchen sollen. Nicht alle Gründe, es bleiben zu lassen, waren zwingend: 43 % wollten die Beziehung zum Verkäufer nicht belasten. 40 % sahen keine Erfolgsaussichten in Gerichts- und Schiedsverfahren. 38 % scheuten die Kosten und die Dauer solcher Verfahren. Weitere 38 % gaben an, dass Preisklauseln keinen Raum für Nachverhandlungen ließen. – Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem der Käufer sich wieder beim Verkäufer meldet?Nein. Einige Käufer wurden schon kurz nach dem Signing wieder vorstellig. Andere verhandelten nach dem Closing, dann allerdings überwiegend in den ersten zwölf Monaten (65 %). Immerhin mehr als ein Drittel (35 %) derjenigen, die sich auch nach dem Closing noch meldeten, entschied sich später als ein Jahr für diesen Schritt. In vielen Fällen sind so späte Nachverhandlungen allerdings vertraglich ausgeschlossen. – Wie verhandeln die Käufer nach: mit Bitten, Druck, Drohungen? Meistens werden die Nachverhandlungen von Kaufleuten geführt, Anwälte bereiten hier meist nur Positionen vor. Da geht es nicht mehr um juristisches Schach- und Muskelspiel, sondern um nüchterne Kennzahlen. Nicht zuletzt deshalb wird die große Mehrheit der Befragten (88 %) hinter verschlossenen Türen verhandelt haben. Nur 13 % ließen den Konflikt bis zu einem Gerichtsverfahren eskalieren. Ähnlich zurückhaltend waren die Käufer bei Schiedsverfahren. Nur 8 % wählten diesen Weg. In den meisten Transaktionen sind die Rechtswege und -mittel allerdings im Kaufvertrag verbindlich geregelt. – Warum kommt es zu Nachverhandlungen? Die am häufigsten genannte Ursache war eine vom Verkäufer falsch dargestellte Lage des Unternehmens (87 %). Seltener wurden die verwendeten Bilanzierungsvorschriften (8 %) oder zu hoch bewertete immaterielle Vermögensgegenstände (5 %) als Gründe angeführt. – Also noch aufwendigere Unternehmensprüfungen?Auf jeden Fall “sorgfältige”, denn die Due Diligence spielt schon eine wichtige Rolle für die Preisfindung. Die Studienteilnehmer bestätigen das. Bei 10 % schützte die Due Diligence immer vor Nachverhandlungen, bei 67 % meistens. Bei der Frage, welche Art die Studienteilnehmer bevorzugen, zeichnet sich ein deutliches Bild zugunsten der Käufer-Due-Diligence ab (94 %). Das wäre auch mein Rat. – Was empfehlen Sie Käufern sonst noch? Wenn durchsetzbar, dann drängen Sie auf eine Abrechungs- oder Stichtagsbilanz zum Closing! Dann bezahlt der Käufer nur den Preis, den das Unternehmen bei Vollzug des Kaufvertrags laut Kennzahlen wert ist. Da es zurzeit viele Käufer, aber nur eine begrenzte Zahl von Zielunternehmen gibt, werden zunehmend Fixpreise für Unternehmen verlangt. Ob ein Käufer sich dagegen wehren kann, hängt davon ab, wie viele Bieter sich um ein Unternehmen bemühen. Mit der richtigen Strukturierung im Kaufvertrag und kurzen Zeiträumen zwischen der Vorlage von aktuellen und geprüften Unternehmenskennzahlen als Basis für die Kaufpreisbestimmung einerseits und dem späteren Vollzug und der Zahlung des Kaufpreises kann auch ein solcher Fixpreis akzeptabel sein. Dr. Thomas Schulz, LL.M., ist Partner bei Nörr Stiefenhofer Lutz in München und Co-Leiter der Abteilung Gesellschaftsrecht.Die Fragen stellte Walther Becker.