Recht und Kapitalmarkt

Neue Berichtspflichten fordern Unternehmen heraus

Mehraufwand durch Übernahmerichtlinien-Umsetzungsgesetz - Offenlegung von Akquisitionshürden künftig im Lagebericht

Neue Berichtspflichten fordern Unternehmen heraus

Von Markus Hauptmann und Matthias Kiesewetter *) Am 14. Juli 2006 ist das Übernahmerichtlinien-Umsetzungsgesetz in Kraft getreten. Damit verbunden sind Änderungen des Handelsgesetzbuchs und des Aktiengesetzes. Vorstände börsennotierter Unternehmen müssen zukünftig sämtliche Hindernisse für eine Übernahme ihres Unternehmens im Lagebericht darstellen. Diese Verpflichtung beschränkt sich nicht einfach auf strukturelle Übernahmehindernisse, wie beispielsweise die Befugnis des Vorstands zur Ausübung genehmigten Kapitals. Vielmehr sind alle wesentlichen Verträge, die der anderen Vertragspartei ein Kündigungsrecht für den Fall eines Kontrollwechsels einräumen (Change-of-Control-Klauseln) genauso offenzulegen wie Entschädigungsvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern oder Arbeitnehmern (Golden Parachutes). Begünstigte Personen sowie die vereinbarte Höhe der Entschädigungen sind im Lagebericht konkret zu benennen. Auch Vereinbarungen, die es etwa Mitarbeitern untersagen, ihre Anteile für einen bestimmten Zeitraum zu veräußern (Lock-up), sind von der Neuregelung umfasst. Das Gleiche gilt für Optionsrechte über den Kauf (Call) oder Verkauf (Put) von Aktien des Unternehmens. Soweit dem Vorstand Stimmbindungsverträge zwischen Aktionären bekannt sind, hat er Angaben hierzu ebenfalls in den Lagebericht aufzunehmen. Von der Neuregelung betroffen sind auch Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen. Sie müssen die Angaben im Lagebericht künftig prüfen und im Fall des Aufsichtsrats der Hauptversammlung erläutern. Bereits bei der Erstellung des Lageberichts für 2006 sind die Offenlegungspflichten erstmalig zu berücksichtigen. Unabhängig von einem konkreten Übernahmeangebot sind diese Angaben jährlich abzugeben. Ziel der Neuregelung ist es, Bietern bereits im Vorfeld einer Transaktion umfassende Informationen über potenzielle Hindernisse zugänglich zu machen. Schon jetzt ist jedoch abzusehen, dass diese zusätzlichen Berichtspflichten in erster Linie zu mehr Verwaltungsaufwand führen werden. Unklar ist indes, ob das Ziel, mehr Transparenz bei Übernahmen herzustellen, erreicht werden wird. Insbesondere dürfte die Frage, welche Verträge mit Change-of-Control-Klauseln so wesentlich sind, dass ihr Inhalt darzustellen ist, eher zu Unsicherheit bei der Anwendung als zu mehr Transparenz führen. Zum Teil müssen die Angaben darüber hinaus doppelt festgehalten werden, im Anhang zum Jahresbericht sowie im Lagebericht. Auch dies führt nicht zu mehr Übersichtlichkeit und Transparenz. Change-of-Control-Klauseln Die Verpflichtung, zukünftig wesentliche Verträge mit Change-of-Control-Klauseln im Lagebericht darzustellen, wird in Vorstandskreisen auf erhebliche Vorbehalte stoßen. Dabei ist auf die konkreten Auswirkungen eines Kontrollwechsels einzugehen. Eine bloße Bezeichnung des Vertragsgegenstandes wird hierfür nicht ausreichen. Erforderlich ist vielmehr eine Zusammenfassung des wesentlichen Vertragsinhalts im Lagebericht. Entscheidend wird sein, welche Anforderungen an das Wesentlichkeitserfordernis gestellt werden. Denn bei einer zu weitgehenden Offenlegungspflicht besteht das Risiko, dass Konkurrenten sensible Informationen nachlesen können. Anders als im Bilanzrecht ist die Wesentlichkeit hier in erster Linie aus der Sicht eines potenziellen Bieters zu beurteilen. Für ihn muss der Vertrag derart wichtig sein, dass seine Beendigung zu einer anderen Bewertung der Übernahme oder des Übernahmepreises führen würde. Verallgemeinerungsfähige Aussagen sind hier naturgemäß schwer zu treffen. Im Investment Banking und anderen stark von Einzelpersonen abhängigen Branchen kann dies im Einzelfall auch die Offenlegung von Anstellungsverträgen mit wichtigen Mitarbeitern betreffen. Hohe AnforderungenOb eine Offenlegung aus anderen Gründen unterbleiben kann, ist erst bei der Frage zu berücksichtigen, die sich mit den Verhältnissen und Belangen der betroffenen Unternehmen auseinandersetzt. Allerdings hat der europäische Gesetzgeber die Messlatte für eine Befreiung von der Offenlegungspflicht ziemlich hoch gelegt. Danach kann von der Offenlegung nur abgesehen werden, wenn sie erhebliche Nachteile für die Unternehmen zur Folge hätte. Das naheliegende Argument, jede Preisgabe von Informationen diene der Konkurrenz und stelle daher einen erheblichen Nachteil dar, wird den gesetzlichen Anforderungen sicherlich nicht gerecht. Die Offenlegung soll nach der Konzeption des Gesetzes den Regelfall darstellen. Eine generelle Abwägung zwischen den Interessen eines Bieters an der Offenlegung und den Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Unternehmen ist nicht vorgesehen. Diese Ausnahmevorschrift kommt auch nur zur Anwendung, wenn das Unternehmen nicht schon aufgrund anderer Vorschriften zur Bekanntmachung dieser Informationen verpflichtet ist. Im Ergebnis kann dies zu sehr umfassenden Offenlegungsverpflichtungen führen, was nicht sachgemäß ist. Kritisch zu bewerten ist auch, dass einige der in den Lagebericht aufzunehmenden Angaben bereits nach anderen Vorschriften im Anhang zum Jahresabschluss zu veröffentlichen sind. Dies wird zu einem “Aufblähen” des Lageberichts führen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn für potenzielle Bieter ist nicht ersichtlich. Zu den zukünftig doppelt zu veröffentlichenden Angaben zählen etwa Ausführungen zur Zusammensetzung des Kapitals und zu den an dem Unternehmen bestehenden Beteiligungsverhältnissen. Da die Übernahmerichtlinie jedoch ausdrücklich die Offenlegung im Lagebericht verlangt, waren dem deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung die Hände gebunden. Zu begrüßen wäre, wenn der Gesetzgeber den Unternehmen die Entscheidung überlassen würde, ob sie die Angaben zusätzlich auch noch in den Anhang zum Jahresabschluss aufnehmen. Prüfer in der VerantwortungDer Lagebericht ist vom Abschlussprüfer auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen. An dieser Prüfungspflicht zeigen sich am deutlichsten die praktischen Probleme, die durch die “Überfrachtung” des Lageberichts mit kapitalmarktrechtlichen Informationen entstehen. Welchen Aufwand muss der Abschlussprüfer bei der Prüfung des Lageberichts börsennotierter Unternehmen in Zukunft betreiben? Sofern er gehalten ist, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zu den Übernahmehindernissen im Lagebericht zu bestätigen, führt dies konsequenterweise zu einer Ausweitung seines Prüfungsauftrags. Streng genommen müsste der Abschlussprüfer jedes Mal eine Legal Due Diligence der Unternehmen durchführen. Ohne eine solche Due Diligence kann er nicht beurteilen, ob die Angaben des Lageberichts zu den Übernahmehindernissen zutreffend sind. Ob eine derartige Ausweitung der Aufgaben des Wirtschaftsprüfers noch mit seinem Berufsbild vereinbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Neue Aufgaben für den AR Auch der Aufsichtsrat ist von den Offenlegungspflichten betroffen. Durch die Neufassung des Aktiengesetzes ist er verpflichtet, in seinem schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung zukünftig auch die erweiterten Angaben im Lagebericht zu den Übernahmehindernissen zu erläutern. Fraglich ist, welchen Sinn dieser Bericht des Aufsichtsrats haben soll. Die im Lagebericht zu machenden Angaben sind bereits sehr ausführlich. Es kommt deshalb eigentlich nur eine allgemeine Bewertung durch den Aufsichtsrat in Betracht, die jedoch Sache des Bieters und nicht des Aufsichtsrats des Unternehmens ist, das Ziel einer Übernahme werden kann.Festzuhalten ist, dass durch das Übernahmerichtlinien-Umsetzungsgesetz die Anforderungen an Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer börsennotierter Unternehmen weiter gestiegen sind. *) Markus Hauptmann ist Partner, Dr. Matthias Kiesewetter Rechtsanwalt bei White & Case in Frankfurt am Main.