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Neue Bewertungsverfahren bei Immobilien treiben Erbschaftsteuer

Bei Grundvermögen soll Marktwert angesetzt werden - Ungerechtfertigte Belastungen befürchtet - Streitigkeiten mit Finanzamt dürften zunehmen

Neue Bewertungsverfahren bei Immobilien treiben Erbschaftsteuer

Von Rüdiger Apel Im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Reform zur Erbschaft- und Schenkungsteuer soll auch die Grundstücksbewertung neu geregelt werden. Die Regeln für die Bewertung von Grundbesitz sind im Bewertungsgesetz geregelt. Eine Grundstücksbewertung war seit 1996 eine reine Bedarfswertermittlung. Danach stellen die Finanzämter die Grundbesitzwerte nur noch dann fest, wenn diese zum Zwecke der Erbschaft-, Schenkung- oder Grunderwerbsteuer benötigt werden. Mit der Neuregelung wird eine im wesentlichen marktnahe “typisierte Bewertung” von Immobilien und unbebauten Grundstücken eingeführt. Dabei orientiert sich der im Februar 2008 vom Bundesfinanzministerium veröffentlichte Diskussionsentwurf zur Grundvermögensbewertungsverordnung (GrBewV) weitgehend an den Regelungen der Wertermittlungsverordnung (WertV). In der Konsequenz dürften Grundstücke und Immobilien höher als bisher bewertet werden. Mehr Streit über die Wertermittlung, der letztlich vor Gericht ausgetragen wird, ist damit zu erwarten.Gesetzliche Grundlagen der Bewertung von Grundstücken und Immobilien sind – Baugesetzbuch- Bewertungsgesetz- Hypothekenbankgesetz- Wertermittlungsverordnung- Wertermittlungsrichtlinien 2002 / 2006 Bisheriges Vorgehen Bisher kam für unbebaute Grundstücke das Vergleichswertverfahren zum Einsatz. Zu diesem Zweck wird von den Gutachterausschüssen ein statistischer Mittelwert (Bodenrichtwert) ermittelt und den Finanzämtern mitgeteilt. Dann wird dieser Wert mit der Grundstücksfläche multipliziert. Dieser Wert wird dann um einen Abschlag von 20 % zur Berücksichtigung möglicher Wertminderungen gekürzt. Bei Abweichung der Merkmale von denen des Bodenrichtwertgrundstücks konnte der Bodenrichtwert auch angepasst werden. Eine Anpassung des Verkehrswertes unter den steuerlichen Grundstückswert war bei Nachweis des Steuerpflichtigen möglich. Für bebaute Grundstücke war grundsätzlich das Ertragswertverfahren vorgesehen. Zu diesem Zweck wurde die Jahresnettokaltmiete mit einem vorgeschriebenen Vervielfältiger (12,5) multipliziert. Dieser Wert wurde dann um eine Alterswertminderung korrigiert. Besaß das Wohngrundstück nicht mehr als zwei Wohnungen, so war der Wert um 20 % zu erhöhen. Somit wird der Ertragswert nach unten auf den Mindestwert und nach oben auf den vom Steuerpflichtigen nachgewiesenen Verkehrswert beschränkt. Bei Industriegrundstücken, die nicht vermietet waren und für die sich auch keine übliche Miete ermitteln lässt, wurde der Wert des Grund und Bodens und der Gebäudewert separat ermittelt. Dabei wurde der Wert des Grund und Bodens aus der Grundstückfläche multipliziert mit dem um 30 % reduzierten Bodenrichtwert angesetzt. Bei Grundstücken, die zum Betriebsvermögen gehörten, wurde der Gebäudewert mit dem Steuerbilanzwert im Besteuerungszeitpunkt erfasst. Neue RegelungDer Gesetzentwurf sieht vor, das Grundvermögen (§§ 68, 69 Bewertungsgesetz BewG) nicht mehr nach den gemäß § 138 ff. BewG ermittelten Grundbesitzwerten anzusetzen, sondern mit den tatsächlichen Verkehrswerten der Grundstücke. Dabei ist der Bewertungsmaßstab der gemeine Wert. Gesetzliche Grundlagen sind- (Entwurf zur)Grundvermögensbewertungsverordnung – GrBewV (Verordnung zur Durchführung der §§ 182, 183 und 184 des BewG) und- (Entwurf zur) Änderung des Bewertungsgesetzes (BewG)Bei unbebauten Grundstücken soll der Wert weiterhin nach der Fläche und den anzuwendenden Bodenrichtwerten bewertet werden. Zu beachten ist aber, dass der 20 %-ige Abschlag nach § 179 BewG-E wegfällt. Ferner sollen für die Ermittlung des Steuerwertes für das Grundvermögen die Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt maßgeblich sein und nicht die Bodenrichtwerte zum 1.1.1996. Es werden also die Werte des letzten Feststellungsstichtages vor dem Besteuerungszeitpunkt herangezogen. Die Feststellung der Bodenrichtwerte erfolgt in den meisten Bundesländern jährlich auf den 31.12. bzw. 1.1., in einigen Bundesländern aber auch nur in einem zweijährigen Abstand. Ist der Gutachterausschuss gemäß § 196 Baugesetzbuch BauGB nicht verpflichtet, einen Bodenrichtwert zu ermitteln, da beispielsweise bestimmte Flächen kein Bauland sind, soll gemäß § 145 Abs. 3 S. 4 BewG-E der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abgeleitet werden. Wobei dieser Wert um 20 % reduziert werden soll. Es soll aber auch künftig möglich sein, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu führen (§ 138 Abs. 4 BewG-E). Grundsätzlich richtet sich die Bewertung bebauter Grundstücke nach der jeweiligen Grundstücksart. Das Vergleichswertverfahren wird angewendet bei Wohneigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäusern, das Ertragswertverfahren hingegen bei Mietwohn- und Geschäftsgrundstücken sowie gemischt genutzten Grundstücken. Andere Verfahren werden angewendet bei Erbbaurecht, Gebäuden auf fremdem Grund und Boden sowie Grundstücken und Gebäuden, die gerade bebaut werden. Zur Auswahl stehen das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. VergleichswertverfahrenDas Vergleichswertverfahren kommt bei der Ermittlung des gemeinen Werts von bebauten Grundstücken in Betracht, die mit weitgehend gleichartigen Gebäuden bebaut sind (§ 182 Abs. 2 BewG-E). Ferner muss sich der Grundstücksmarkt bei solchen Objekten an Vergleichswerten orientieren. Dies trifft für Wohneigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser zu. Im Rahmen des Vergleichswertverfahrens wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet, die in – Lage – Nutzung- Bodenbeschaffenheit- Zuschnitt- sonstiger Beschaffenheithinreichend mit dem zu vergleichenden Grundstück übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke gemäß § 1 Abs. 1 GrBewV). In der Realität sind aber häufig Besonderheiten, wie Wege-, Leitungs- und Nießbrauchrechte zu berücksichtigen, die zu einem Wertabschlag führen müssten. Hierzu sollen die jeweiligen Gutachterausschüsse Vergleichspreise mitteilen. Es sollen aber auch Vergleichsfaktoren herangezogen werden können. Der Bodenwert ist hierbei gesondert zu ermitteln. ErtragswertverfahrenMit dem Ertragswertverfahren werden gemäß § 182 Abs. 3 BewG-E Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke bewertet. Das Verfahren kommt bei solchen Grundstücken in Betracht, bei denen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Bewertung am Grundstücksmarkt im Vordergrund steht. Dies ist in der Regel bei Renditeobjekten der Fall. Für die Objekte muss man auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lassen. Bei diesem Verfahren wird also der Wert von Grundstücken anhand des für diese Grundstücke nachhaltig erzielbaren Ertrags ermittelt. Künftig tritt an die Stelle der durchschnittlichen Jahresmiete aus den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt der Reinertrag des Grundstücks (Gebäudeertragswert – gemäß § 3 GrBewV). Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag (§ 4 GrBewV) abzüglich der Bewirtschaftungskosten (§ 5 GrBewV). Dabei wird der Rohertrag in der Verordnung als “Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den im Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten” definiert. Umlagen sollen an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Zu den Bewirtschaftungskosten zählen die Kosten, die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung entstehen:- Verwaltungskosten- Betriebskosten- Instandhaltungskosten- Mietausfallwagnis.Um auf den Gebäudereinertrag zu kommen, muss vom Reinertrag des Grundstücks ein verzinster Bodenwert abgezogen werden. Der Bodenwert ist zu diesem Zweck mit dem in Anlage 1 der GrBewV genannten Liegenschaftszins zu multiplizieren. Der § 6 GrBewV weist die Aufgabe den Gutachterausschüssen zu, den örtlich geltenden Liegenschaftszinssatz zu ermitteln. Kann dieser nicht zur Verfügung gestellt werden, so sieht der § 6 Abs. 2 GrBewV folgende Zinssätze vor:- für Mietwohngrundstücke 5 %- für gemischt genutzte Grundstücke mit gewerblichem Anteil bis 50 % (nach Wohn- bzw. Nutzfläche) 5,5 %- für gemischt genutzte Grundstücke mit gewerblichem Anteil von mehr als 50 % (nach Wohn- bzw. Nutzfläche) 6 %- für Geschäftsgrundstücke 6,5 %Danach ist der Gebäudereinertrag mit dem sich ebenfalls aus der Anlage 1 der GrBewV ergebendem Vervielfältiger zu multiplizieren, bei dem die Restnutzungsdauer der Immobilie eine bedeutende Rolle spielt (s. Beispiel). SachwertverfahrenDas Sachwertverfahren wird gemäß § 183 Abs. 4 BewG-E bei allen übrigen Fälle angewendet, insbesondere bei den bebauten Grundstücken, bei denen es für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt nicht in erster Linie auf den Ertrag ankommt, sondern die Herstellungskosten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestimmend sind. Im Rahmen dieses Verfahrens ergibt sich der Wert von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des Substanzwerts, also aus der Summe des Herstellungswerts der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen und nicht baulichen Anlagen sowie dem Bodenwert (s. auch §§ 7, 8 GrBewV). Der Bodenwert ist noch zur Anpassung an den gemeinen Wert mit einer Wertzahl, die von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt wird, zu multiplizieren. Kann diese von den Ausschüssen geliefert werden, befindet sich in Anlage 5 der GrBewV eine Regelung über zu verwendende Wertzahlen. Es ist damit zu rechnen, dass Grundvermögen im Privatvermögen durch die künftige Bewertung zu aktuellen Wertverhältnissen eher höher bewertet werden, wenn diese vom Standard eines klassischen Einfamilien- oder Mehrfamilienhauses abweichen, befürchtet der Immobilienverband IVD. Insbesondere die Regelung zur Restnutzungsdauer, die mit mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer anzusetzen ist, wird für besonders kritisch gehalten. Insgesamt dürfte es bei alten oder schlecht instand gehaltenen Objekten tendenziell zu Überbewertungen kommen. Unrealistischer AnsatzDer Ansatz zur Restnutzungsdauer wird vom IVD als unrealistisch angesehen, da bei vererbten Immobilien mit einem überdurchschnittlichen Instandhaltungsstau zu rechnen ist. Ferner wird eine Überbewertung befürchtet, die auf den Wegfall von Bewertungsabschlägen zurück- zuführen sein wird. Auch die zur Anwendung kommenden Datengrundlagen der Marktanpassungsfaktoren, Bodenrichtwerte und Liegenschaftszinssätze werden als zu undifferenziert kritisiert. Um zu einer individuellen Bewertung zu gelangen, schlägt der Verband vor, seine veröffentlichten Liegenschaftszinssätze in die Verordnung zu übernehmen. Auch die Gutachterausschüsse der Kommunen, denen in dem Bewertungsverfahren eine wichtige Rolle zufällt, sind nach deren Ansicht nicht ausreichend finanziell und personell ausgestattet. Grundsätzlich ist es bei Inkrafttreten der neuen Bewertungsvorschriften in der vorliegenden Form ratsam, bei vom Standard abweichenden Liegenschaften einen Gutachter einzuschalten. Der Gesetzgeber weist in seiner Begründung zu § 187 BewG darauf hin, dass es sich aufgrund der typisierenden Wertermittlung nicht vermeiden lässt, dass die aufgrund der neuen Vorschriften festgestellten Werte “in besonders gelagerten Fällen über den tatsächlichen Wert hinausgehen”. Der Steuerpflichtige kann weiterhin einen niedrigeren, gemeinen Wert (Verkehrswert) nachweisen. Die Kosten eines entsprechenden Gutachtens muss er allerdings selbst tragen. Der IVD fordert, dass die anfallenden Kosten von den Finanzbehörden getragen werden. Außerdem sollten die Leerstandskosten berücksichtigt werden. Mehr Streit zu erwartenTrotz langer Vorlaufzeit für die Erstellung eines neuen Bewertungsgesetzes bzw. dessen -verordnung ist die Regelung zur Immobilienbewertung noch nicht zufriedenstellend geregelt. Sollten die Regelungen in der vorliegenden Form in Kraft treten – der Bundesrat soll die Verordnungen am 7. November 2008 verabschieden – ist mit mehr Streit über den Wert vererbter bzw. verschenkter Grundstücke und Immobilien zu rechnen. Letztlich müssten die Gerichte klärend eingreifen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Kritik an diesem und anderen Verordnungsentwürfen zum Erbschaftsteuergesetz Gehör finden wird. Der Diskussionsentwurf zur Grundvermögensbewertungsverordnung (GrBewV) steht im Internet unteredrucksachen.de/pdf/Grundvermoegensbewertungsverordnung.pdf.