Neue Hürden für Auslandsbanken
Von Mathias Hanten *)Das Kreditwesengesetz (KWG) kommt nicht zur Ruhe. Ende April 2020 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (RIG-E) zur Konsultation vorgelegt. Das Gesetz dient der Umsetzung des sogenannten EU-Bankenpakets.Der RIG-E sieht in dem neu einzufügenden § 2g KWG die Einrichtung von gemeinsamen zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmen (Intermediate Parent Undertaking – IPU) vor. Dies wird erforderlich, wenn ein Mutterunternehmen seinen Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und zumindest zwei CRR-Institute als Tochtergesellschaften im EWR hat. Quantitativ erlangt dies erst Relevanz, wenn der Vermögensgesamtwert der Drittstaatengruppe, einschließlich der Drittstaatenzweigstellen, innerhalb des EWR 40 Mrd. Euro übersteigt. § 2g KWG-E soll Artikel 21b CRD V umsetzen. Hintergrund der Regelung war der Wunsch des europäischen Gesetzgebers, sicherzustellen, dass mehrere CRR-Institute, zu denen auch Wertpapierfirmen zählen, im EWR konsolidiert werden. Drittstaatenzweigstellen werden allerdings nicht in die Konsolidierung einbezogen. Wertpapierfirmen kommen nur dann als IPU in Betracht, wenn zu der im EWR konsolidierten Gruppe keine Kreditinstitute gehören.Die bürokratisch klingende Regelung zur Einrichtung eines IPU hat für betroffene Unternehmen deutliche Konsequenzen. Die Beteiligungen an den CRR-Instituten müssen entweder unter einem dieser Institute zusammengefasst werden, das dann zusätzlich als Finanzholdinggesellschaft zu qualifizieren wäre, oder es muss eine separate Finanzholdinggesellschaft mit Sitz im EWR gegründet werden, welche die Beteiligungen hält. Soweit eine Finanzholding geschaffen werden soll, muss diese nach § 2f KWG-E “zugelassen” werden, damit also einen Prozess durchlaufen, der dem Erlaubnisverfahren KWG ähnelt. Hier stellt der RIG-E mit § 64a KWG-E zwar eine Übergangsvorschrift zur Verfügung. § 64a KWG-E sieht dabei nicht nur einen ehrgeizigen Zeitplan vor; der Entwurf ist in Bezug auf den Stichtag nicht sachgerecht: Es läge näher, den maßgeblichen Stichtag für die Schwellenwertberechnung einheitlich auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes zu legen – statt rückwirkend auf den 27. Juni 2019.Darüber hinaus ist unklar, ob für die Bemessung der Bilanzsumme einer Gruppe im EWR noch Unternehmen und Vermögenswerte im Vereinigten Königreich einbezogen werden müssen. Institute, die zum aktuell vorgesehenen Stichtag Aktivitäten im Vereinigten Königreich hatten, nach dem Brexit aber im nun verbleibenden EWR allein die maßgeblichen Schwellenwerte nicht (mehr) erreichen, würden besonders belastet. Begrenzte Zahl an FällenInstitute mit Muttergesellschaften in den USA, Japan und der Schweiz sind besonders betroffen, da die meisten relevanten Einheiten aus diesen Staaten kommen. Wenn im Rahmen der Brexit-Verhandlungen keine Vereinbarungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich getroffen werden, sind auch Institute mit Muttergesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich betroffen.Die Zahl der Fälle dürfte sich wegen der De-minimis-Klausel in Grenzen halten. Im EWR wird sie gegenwärtig auf etwa zwanzig geschätzt.Die Konsequenzen: Zunächst muss der richtige Standort für das IPU gesucht werden; dies ähnelt der Standortwahl im Rahmen der Brexit-Umsetzungsprojekte, in denen die Standortfrage im Zentrum stand.Sodann wird zu fragen sein, wie die Übertragung unter Berücksichtigung der rechtlichen, bilanziellen und steuerlichen Aspekte durchgeführt werden soll und/oder ob eine weitere Zusammenlegung von Einheiten, etwa durch Verschmelzung und Schaffung von Zweigniederlassungen, in Betracht gezogen werden kann.Besonders interessant sind die japanischen Fälle, weil das japanische Aufsichtsrecht, insbesondere mit Bestimmungen des Financial Instruments and Exchange Act aus dem Jahre 1948, immer noch ein dezidiertes Trennbankensystem kennt, mit dem eine Zusammenlegung verschiedener Geschäftsbereiche unvereinbar wäre. Dem trägt § 2g KWG-E zwar im Wortlaut Rechnung; wie die privilegierende Vorschrift jedoch praktisch angewandt werden und wie die Abstimmung zwischen den relevanten Aufsichtsbehörden erfolgen soll, ist offen.Zudem muss bei der Anteilsübertragung das jeweils relevante nationale Inhaberkontrollverfahren, zumal unter Einbeziehung der EZB, durchlaufen werden. Wer ein solches Verfahren, etwa gemäß § 2c KWG, einmal durchlaufen musste, kennt den Aufwand. Erleichterungen sieht der RIG-E nicht vor, obwohl solche angezeigt wären. Denn für alle zusammenzufassenden Unternehmen wurde bereits im Gründungsstadium eine Inhaberkontrolle durchgeführt, und die laufende Aufsicht über diese Institute stellt auch eine dauernde Kontrolle sicher. Vielleicht lässt sich hier die Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 2 der Inhaberkontrollverordnung aktivieren; hier wäre die BaFin als Verordnungsgeberin ermächtigt.Wie ist Regelung zu den IPUs insgesamt einzuordnen? § 2g KWG-E muss im internationalen Kontext des sogenannten Ring-Fencing gesehen werden, des Wunsches also, bestimmte Geschäftsbereiche unter verschiedenen Aspekten, etwa hinsichtlich der Abwicklung oder in Bezug auf Kapital- und Liquiditätsausstattung, einzugrenzen.Der Vorteil aus Sicht europäischer Aufsicht ist klar: Für den Single Supervisory Mechanism und den Single Resolution Mechanism lässt sich eine gesellschaftsrechtlich in Europa eingegrenzte Unternehmensgruppe einfacher überwachen und – in Krisenzeiten – einfacher abwickeln. Auffällig ist hier, dass Drittstaatenzweigstellen nicht in das Konsolidierungsregime der IPUs einbezogen sind, mit der Folge, dass diese im EWR gegenwärtig nicht konsolidiert werden müssen, die Eingrenzung also unvollständig bleibt. Hier ist abzuwarten, ob gerade große Drittstaatenzweigstellen, wie sie etwa besonders aus Japan, China und Südkorea gepflegt werden, in einem weiteren gesetzgeberischen Schritt in ein Ring-Fencing einbezogen werden.Die gesetzgeberische Vorlage für die europäische Regelung war ohne Zweifel der amerikanische Dodd-Frank Act (2010) mit einem Regelungsauftrag an das Federal Reserve Board, dem durch die sogenannte Regulation YY (2014) nachgekommen worden ist. Zur Auslegung des europäischen Regelwerks ist die US-Praxis deshalb zumindest interessant.Die europäische Regelung ist im Trend einer Deglobalisierung zu sehen. Die Aufnahmestaatsaufsicht soll verstärkt werden. In diesem Zusammenhang wäre der sehr weit harmonisierte EWR als Aufnahmestaatenverbund zu sehen, der über die Subsidiarität dem beschriebenen Trend noch etwas entgegensetzen kann. Trotzdem: Auch wenn durch IPUs eine europäische Aufsicht verbessert wird, ist die Regelung als Rückschritt gegenüber der in den 1970er Jahren gestarteten weltweiten Aufsichtsvereinheitlichung zu sehen. Bislang wenig diskutiert Außer in Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeiten hat es in Deutschland keinen gesetzlichen Zwang zur Übertragung von Beteiligungen gegeben. Kann es sein, dass wir uns durch die – erfreuliche – weitere Harmonisierung und das Streben nach einem verbesserten Europäischen Binnenmarkt in eine Abschottung vom Rest der – drittstaatlichen – Bankenwelt begeben? Ernstzunehmende juristische Literatur meint eine “Balkanisierung des Banking” zu erkennen.Die Diskussion wird in Deutschland bislang wenig geführt. Das mag daran liegen, dass hier nur eine mittelbare Wirkung zu erwarten ist. Trotzdem ist es falsch, das Erfordernis des IPU nur als Nebenaspekt zu behandeln. Vielmehr sind wieder mal die ironischen Worte Ovids am Platz, die viel zu häufig pathetisch verwendet werden – “(…) Principiis obsta! Sero medicina parata (…).” (Wehre den Anfängen! Die Medizin kommt sonst zu spät.) *) Dr. Mathias Hanten ist Partner bei Deloitte Legal. Zum Artikel beigetragen haben Dr. Osman Sacarcelik, Counsel bei Deloitte Legal, Thomas Peek, Director bei Deloitte, und Dr. Volker Schulenburg, Partner bei Deloitte Legal.