RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: BERND GEIER

Neue Instrumente zur Bankenrettung werfen ihre Schatten voraus

Paradigmenwechsel in der Gesetzgebung - Schutz der Institute fraglich

Neue Instrumente zur Bankenrettung werfen ihre Schatten voraus

– Herr Dr. Geier, mit der Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – auch Crisis Management Directive (CMD) genannt – werden neue Instrumente zur Bankensanierung und -abwicklung geschaffen. Entwickelt die CMD mit dem Write-down und Bail-in das Instrumentarium zur Bankenrettung weiter?Ja, die Gesetzgebung zur Bankenrettung hat in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel vollzogen: weg von staatlich finanzierten Stabilisierungsmaßnahmen über die Schaffung des Restrukturierungsfonds, eines solidarischen Haftungsfonds der Banken, hin zur flankierenden Mitverantwortung der Anteilsinhaber und Schuldner. Diese Mitverantwortung wird durch die CMD mit der Einführung der sogenannten Write-down- und Bail-in-Instrumente erweitert. Ob damit dem Ziel der Bankenrettung ein Bärendienst erwiesen wird, wird sich noch zeigen.- Wie meinen Sie das?Gegenstand des Write-down ist die Abschreibung von Kapitalinstrumenten durch Herabsetzung des Nennbetrags, Beendigung oder Umwandlung. Erfasst werden Anteilsinhaber (regelmäßig die Aktionäre) der Banken und die Inhaber von Instrumenten, die aufsichtsrechtlich dem Kernkapital zugerechnet werden. Die Regelung soll spätestens ab 2015 angewendet werden. Darauf aufbauend ermöglicht ab spätestens 2018 der Bail-in, unter anderem auch Fremdkapitalinstrumente abzuschreiben und in Eigenkapital umzuwandeln. Deutsche Banken können dann erstmals durch hoheitlich angeordneten Debt-to-Equity-Swap rekapitalisiert werden. Beide Instrumente gehen zulasten der Gläubiger und Anteilsinhaber des Instituts, denen sie unmittelbar Verluste zuweisen. Dies birgt die Gefahr, dass diese Verluste ihrerseits in den Bilanzen der betroffenen Anteilsinhaber und Gläubiger zu verarbeiten sind.- Schützt der Write-down dann primär die betroffene Bank in Schieflage?Auch dies erscheint fraglich. Die vom Write-down erfassten Instrumente unterliegen einem latenten Abschreibungsrisiko. Dieses Risiko kann – insbesondere bei sich abzeichnenden Schieflagen – die Fähigkeit der Bank beeinträchtigen, sich über den Kapitalmarkt zu refinanzieren. Investoren könnte die Gefahr eines Write-down zusätzlich abschrecken. Dies gilt umso mehr, als die CMD den Write-down zur Voraussetzung jeder hoheitlichen Abwicklungsmaßnahme, zum Beispiel Zerschlagung, erhebt. Darüber hinaus könnte die aktuelle Entwurfsfassung der CMD so gelesen werden, dass der Write-down auch schon dann durchzuführen ist, wenn der Bank zur Wahrung ihrer Existenz (nur) außerordentliche finanzielle Unterstützung gewährt wird. Solche Unterstützungshandlungen (aus dem Soffin) erhielten in der Vergangenheit zahlreiche deutsche Banken. Dies könnte Anleger dazu veranlassen, bereits bei den ersten Anzeichen einer Schieflage ihre Kapitalinstrumente zu veräußern. Das Instrument wirkt dann prozyklisch. Die im CMD-Entwurf enthaltene Regelung ist insoweit jedoch unklar.- Gilt dies uneingeschränkt auch für das Instrument des Bail-in?Dies wird sich noch zeigen. Anders als der Write-down ist ein Bail-in keine zwingende Voraussetzung, um Abwicklungsmaßnahmen anwenden zu können, wie zum Beispiel die Gründung einer Bad oder Good Bank durch Hoheitsakt. Dennoch hängt der Bail-in als Damoklesschwert über – fast – allen Schuldtiteln. Der im Oktober veröffentlichte sogenannte Liikanen-Report zur Reform der Struktur des EU-Bankensektors regt deswegen an, dass Banken potenziell vom Bail-in erfasste Schuldtitel selbst bestimmen sollten. Voraussetzung wäre lediglich – wie auch unter dem aktuellen CMD-Entwurf -, dass ein gewisses Mindestmaß an Bail-in-fähigen Instrumenten vorgehalten wird.- Das heißt?Dies würde es Instituten ermöglichen, die mit Schuldtiteln verbundenen regulatorischen Risiken besser zu steuern, quasi eine weitere Risikoklasse zu bilden. Nur entsprechend designierte Instrumente wären von eventuellen Risikoprämien betroffen; die nicht erfassten Schuldtitel würden im Gegenzug voraussichtlich an Wert gewinnen, da sie faktisch sicherer werden.—-Dr. Bernd Geier, Senior Associate, ist Rechtsanwalt im Kapitalmarktrecht bei Allen & Overy.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.