Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Andreas Zanner

Neue Offenheit im IPO-Prozess oder Erhöhung des Haftungsrisikos?

Auf sorgfältige Erstellung und Recherche der Research Reports kommt es an

Neue Offenheit im IPO-Prozess oder Erhöhung des Haftungsrisikos?

Die DZ Bank hat im Zusammenhang mit dem für Ende Oktober geplanten Börsengang von Lloyd Fonds auch Journalisten Analystenstudien ganz offiziell überlassen. Macht dieses Beispiel Schule? Wie sieht das regulatorische Umfeld aus? Die Börsen-Zeitung fragte dazu Andreas Zanner von CMS Hasche Sigle. – Herr Dr. Zanner, gibt es für Analystenstudien gesetzliche Anforderungen, und wenn ja, welche?Seit Inkrafttreten des Anlegerschutz verbesserungsgesetzes am 31.10.2005 regelt § 34b WpHG die kapitalmarktrechtlichen Pflichten von Finanzanalysten und ihren Research-Studien. Danach dürfen Finanzanalysen nur dann weitergegeben oder öffentlich verbreitet werden, wenn sie sachgerecht erstellt sind und die verantwortliche Person sowie etwaige Interessenkonflikte des Analysten offen gelegt werden. Die Kennzeichnung möglicher Interessenkonflikte ist von besonderer Bedeutung, denn Finanzdienstleister müssen nun etwaige Geschäftsbeziehungen zu dem analysierten Emittenten transparent machen. Ergänzt wird die Regelung des § 34b WpHG durch die Finanzanalyseverordnung, welche die Anforderungen an eine Finanzanalyse konkretisiert. – Was versteht man unter Finanzanalyse? Nur die üblichen Research Reports?Nach der gesetzlichen Definition ist eine Finanzanalyse eine Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll. Dies setzt voraus, dass neben einer Information auch eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung ausgesprochen werden muss. Deshalb kann bereits eine kurze Aussage, die unter Hinweis auf die letzten Geschäftszahlen eine Aktie zum Kauf empfiehlt, als Finanzanalyse eingestuft werden. Keine solche ist dagegen die reine Kaufempfehlung ohne entsprechenden Hinweis auf eine zusätzliche Information (wie Geschäftszahlen) oder Berichte, die nur das Marktumfeld analysieren. – Ergeben sich aus den neuen gesetzlichen Anforderungen neue Haftungsrisiken für Analysten und Banken? Zunächst ist zu sagen, dass auch Research Reports immer schon der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung unterlagen, wenn auch nicht der börsengesetzlichen Prospekthaftung. Regelmäßig konnte die Haftungsgefahr dadurch minimiert werden, dass ausführliche Haftungsausschlüsse (Disclaimer) dem Report vorangestellt wurden. Nach Inkrafttreten der spezialgesetzlichen Anforderungen im WpHG diskutieren wir Juristen die Frage, ob eine Verletzung der Anforderungen des § 34b WpHG – z. B. durch unzulässige Vermengung von Tatsachen und Werturteilen bzw. Interpretationen und Schätzungen – einen deliktischen Schadenersatzanspruch auslöst. Voraussetzung wäre dafür, dass § 34b WpHG nicht nur den Kapitalmarkt zu schützen beabsichtigt, sondern vor allem auch die Vermögensinteressen der Anleger sichern möchte. Dies hätte zur Folge, dass diejenigen, die im Vertrauen auf einen unsachgemäßen Research Report Aktien kaufen, deren Kurs anschließend sinkt, diese Kursverluste u. U. gegen den Analysten bzw. das Finanzdienstleistungsinstitut im Einzelfall geltend machen könnten. Es ist aus meiner Sicht damit zu rechnen, dass die Rechtsprechung § 34b WpHG als Anleger schützend qualifizieren wird, so dass durchaus von einem erhöhten Schadenersatzrisiko gesprochen werden kann. – Spricht dieses erhöhte Haftungsrisiko nicht gegen das von der DZ Bank eingeschlagene Verfahren?Ich meine, nein. Zwar besteht jetzt theoretisch ein höheres Haftungsrisiko als vor Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes. Gleichwohl haben diejenigen, die immer schon Analystenstudien mit entsprechender Sorgfalt und nach sorgfältiger Recherche erstellt haben, auch in Zukunft nichts zu befürchten. – Gibt es bestimmte Zeiträume, innerhalb deren Analystenstudien nicht verteilt werden dürfen?Nein, es gibt nach wie vor keine gesetzlichen Anforderungen, die den Banken Quiet Periods auferlegen. Derartige Stillhalteperioden sahen nur die Going-Public-Grundsätze der Börse vor, die nach Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes am 1. Juli außer Kraft gesetzt wurden. – Wie ist die Regelung des § 34b WpHG im internationalen Vergleich zu sehen, sind wir großzügiger oder strenger als unsere europäischen Nachbarn und die USA?Die Regelung des § 34b WpHG beruht auf europarechtlichen Vorgaben. Deshalb dürfte die Rechtslage in Europa weitgehend harmonisiert sein. In den USA sind die Regelungen seit jeher strenger. Hier gilt von Ausnahmen abgesehen immer noch der Grundsatz, dass keine Research Reports der am Börsengang beteiligten Banken gestattet sind. Dr. Andreas Zanner ist Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle. Die Fragen stellte Walther Becker.