PORTFOLIO - GASTBEITRAG

Neue Perspektiven für institutionelle Anleger

Börsen-Zeitung, 24.11.2012 Volatile Märkte, geringe Risikobudgets, niedrige Zinsen und wachsende Verbindlichkeiten stellen Investoren heute mehr und mehr vor kaum gekannte Probleme. Dies gilt insbesondere für die Versicherungswirtschaft, die in...

Neue Perspektiven für institutionelle Anleger

Volatile Märkte, geringe Risikobudgets, niedrige Zinsen und wachsende Verbindlichkeiten stellen Investoren heute mehr und mehr vor kaum gekannte Probleme. Dies gilt insbesondere für die Versicherungswirtschaft, die in Zeiten sinkender Zinsen neue Wege gehen muss, um attraktive Renditen für die Versicherten zu generieren. Ein Schritt in diese Richtung könnte eine Multi-Strategy Asset Allocation (MSAA) sein. MSAA bedeutet, dass der Investor sein Risikoportfolio sowohl horizontal auf unterschiedliche Risikoprämien (traditionell oder alternativ) als auch vertikal auf verschiedene Anlagestrategien verteilt.Auf Grund der regulatorischen Anforderungen ist selbstverständlich nicht zu erwarten, dass institutionelle Anleger, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterliegen, ihr Portfolio im Stile eines Yale-Stiftungsvermögens aufbauen. Vielmehr müssen Investoren ihre Risikoquote, im Einklang mit dem vorhandenen Risikobudget, effizienter nutzen. Eine Voraussetzung und ein Kerngedanke der MSAA ist, dass ein Umdenken in Bezug auf Anlageklassen und Strategien stattfinden muss.Traditionell erfolgt die strategische Asset Allocation benchmarkorientiert mittels Zielquoten für verschiedene Anlageklassen. Alternative Investments werden in der Regel als eigenständige Anlageklasse aufgefasst und im Rahmen der strategischen Asset Allocation mit einer (marginalen) Zielquote versehen. Das führt dazu, dass der Einsatz alternativer Strategien in der Asset Allocation deutlich unterrepräsentiert ist. Dabei sind gerade alternative Strategien aufgrund eines aktiven Risikomanagement und der flexiblen Steuerung des Markt-Exposures geeignet, Investoren bei der Erzielung eines asymmetrischen Renditeprofils zu unterstützen. Löst man sich von der vorherrschenden Sichtweise der Anlageklassen und schaut – wie im Rahmen der MSAA – auf die den Strategien zugrundeliegenden Märkte und Werttreiber, ist leicht nachvollziehbar, dass Alternative Investments nur ein Zugangsvehikel zu einer Anlageklasse darstellen (vgl. Grafik), mit dem die entsprechende Risikoprämie in besonderer Weise erschlossen werden soll. Komplexität differiertKonnte man das Anlageuniversum zuvor in komplexe Anlageklassen (Alternatives) und weniger komplexe Anlageklassen (Aktien, Anleihen) einteilen, so bedeutet die Integration alternativer Strategien in “traditionelle” Anlageklassen, dass Investoren künftig genau überlegen müssen, auf welche Art und Weise sie in einer Anlageklasse investiert sein wollen oder können. Die einzelnen Strategien bergen unterschiedliche Komplexitätsgrade, die bei einem Investment berücksichtigt werden müssen, andererseits erhöht sich das Risikobewusstsein des Investors, da er stets im Bilde ist, welche Werttreiber eine Anlageklasse bzw. Anlagestrategie beeinflussen.Die benchmarkorientierte Asset Allocation führt zwar zu diversifizierten Portfolien, die die einzelnen, also idiosynkratischen, Risiken eliminiert haben, jedoch teilweise hohe Marktrisiken beinhalten, was letztlich ein symmetrisches Renditeprofil generiert. Da diese Marktrisiken in ihrer Reinform nur noch von wenigen Investoren getragen werden können, die aktuelle Aktienquote der Versicherungsindustrie spricht da Bände, gilt es, im heutigen Marktumfeld die Asset Allocation sowohl unter strategischen wie auch taktischen Gesichtspunkten flexibel und dynamisch zu gestalten, um den kontinuierlichen Veränderungsprozessen an den Märkten gerecht zu werden.Die Kombination unterschiedlich komplexer Strategien im Rahmen der MSAA und eine Diversifikation über Top-Tier-Manager führen zu einer Substitution von systematischen Beta-Risiken durch idiosynkratische Manager-Risiken. Die absolute Portfolio Performance wird dann stärker durch die Fähigkeiten der Manager bestimmt und weniger durch allgemeine Marktbewegungen. Am Ende werden die systematischen Risiken insgesamt reduziert, sodass potenziell ein asymmetrisches Ertragsprofil entstehen kann.Im Zuge der MSAA besteht die Herausforderung für einen Anleger darin, sein knappes Risikobudget dynamisch anhand seiner Erwartungen und Fähigkeiten auf die Strategien (traditionell oder alternativ) zu allokieren. Die MSAA soll letztlich ermöglichen, an negativen Marktbewegungen seltener und in geringerem Umfang zu partizipieren als im Zuge der traditionellen Asset Allocation. Durch die aktive Steuerung der Markt-Exposures innerhalb der Strategien und die Kombination verschiedener nicht perfekt korrelierter Strategien kann dies erreicht werden. Aufbau des RisikobudgetEin Investor könnte beispielsweise seine vorhandene Risikokapitalquote nutzen, um die MSAA als Satellite-Investment zu implementieren. In Abhängigkeit seines Risikobudgets und des individuellen “Komplexitätsmanagements” könnte der Anleger sich sein individuelles Strategie-Portfolio zusammenstellen. Ist das Risikobudget des Investors klein, so sollten nichtdirektionale Strategien dominieren, um das Risikobudget behutsam aufzubauen. Gelingt es dem Investor, im Zeitablauf seine Kompetenzen und sein Risikobudget aufzustocken, können weitere, risikoreichere, also direktionalere Strategien in das Portfolio aufgenommen werden, mit denen der Investor von höheren Renditechancen profitiert. Es bleibt jedoch zu beachten, dass auch die MSAA eventuelle Verluste nur dämpfen, jedoch nicht gänzlich vermeiden kann. Gegebenenfalls müssen die heute in vielfältiger Form verfügbaren Tail-Hedge-Konzepte ergänzend eingesetzt werden.Eine detaillierte Beschreibung des MSAA-Ansatzes wurde erstmalig im Absolut Report Anfang 2011 veröffentlich. Verschiedene institutionelle Investoren setzen Teile des Konzeptes heute schon im Rahmen einer neue strategischen Asset Allocation um. Das institutionelle Asset Management in der Post-Lehman-Ära wird sich nicht mehr nur mit dem passiven Ernten von Risikoprämien begnügen können. Die Zeiten ständig fallender Zinsen und kontinuierlich und unter moderaten Schwankungen steigender Aktienkurse sind vorbei.Institutionelle Investoren müssen heute viel mehr auf aktives Risiko-Management und den Einsatz neuer Konzepte im Rahmen eines aktiven Anlageprozesses setzen. Wer sich diesen Herausforderungen nicht stellt, wird aus unserer Sicht kaum Chancen haben, sich in diesem Kapitalmarktumfeld langfristig zu behaupten.