Recht und Kapitalmarkt

Neue Pflichten für Kapitalmarkttransaktionen

Mifid-Umsetzung hat Konsequenzen für Vertragsdokumentation, Zulassungsverfahren und Research Reports

Neue Pflichten für Kapitalmarkttransaktionen

Von Michael Schlitt und Christian Ries *) Wenn morgen, am 1. November, das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) in Kraft tritt und damit die weithin beachtete EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid) in deutsches Recht umsetzt, wird sich für die tägliche Praxis von Wertpapierdienstleistern einiges ändern. Denn das Gesetz führt weitreichende neue Organisations-, Transparenz-, Informations- und Dokumentationspflichten von Finanzdienstleistern ein. Für die Emissionspraxis bringt das lange erwartete Reformgesetz neben einer Änderung der Struktur der Marktsegmente insbesondere Konsequenzen für die Vertragsdokumentation, das Zulassungsverfahren sowie die Veröffentlichung von Research Reports mit sich. “Best Execution”Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden künftig ausdrücklich zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen verpflichtet, die sich auf den Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten beziehen. Diese Pflicht, die im Fachjargon als “Best Execution” bezeichnet wird, hält Wertpapierdienstleistungsunternehmen an, Grundsätze zur Auftragsdurchführung festzulegen, um das bestmögliche Ergebnis für die Kunden zu erreichen, und diese mindestens einmal jährlich zu überprüfen. Sicherzustellen ist ferner, dass die Ausführung jedes Kundenauftrags nach Maßgabe dieser Ausführungsgrundsätze vorgenommen wird. Damit wird zwar kein Recht des Kunden begründet, tatsächlich den besten Kurs zu erhalten, aber die Bank muss sich an die von ihr definierten und transparent gemachten Kriterien halten. Einschlägig sind die Best-Execution-Regeln jedoch lediglich für Finanzkommissionsgeschäfte, Eigenhandel und Abschlussvermittlung. Werden die Wertpapiere fest übernommen (firm underwriting), wie es etwa typischerweise bei Bezugsrechtsemissionen der Fall ist, liegt ein sog. Emissionsgeschäft vor, das nicht in den Anwendungsbereich der Best-Execution-Regeln fällt. Muss sich die Bank im Zuge eines Börsengangs, einer sog. 10 %-Kapitalerhöhung, einer Equity-linked-Platzierung oder eines Block Trades nur nach besten Kräften um den Verkauf der Wertpapiere an Investoren bemühen, hat man dies bislang überwiegend als Finanzkommissionsgeschäft angesehen. Auch wenn gute Gründe dafür sprechen, dass solche Best-Efforts-Gestaltungen jedenfalls in bestimmten Konstellationen fortan unter den (spezielleren) Tatbestand des Platzierungsgeschäfts gefasst werden könnten, scheint die BaFin, ersten Verlautbarungen zufolge, weiterhin von einer Qualifizierung als Finanzkommissionsgeschäft auszugehen. Die Best-Execution-Verpflichtungen finden indessen dann keine Anwendung, wenn der Kunde als sog. geeignete Gegenpartei einzustufen ist, was beim Emittenten regelmäßig und etwa bei großen Finanzinvestoren der Fall sein dürfte, wenn diese im Engagement Letter dieser Kategorisierung zugestimmt haben. Ansonsten muss die Emissionsbank die Ausführungsgrundsätze (z. B. die Platzierung außerhalb der Handelsplätze und die Abhängigkeit des Umfangs und des Preises der platzierten Wertpapiere vom Nachfrageverhalten) vorab bekannt machen und in ihrem Engagement Letter mit dem Emittenten und den verkaufenden Aktionären hierauf verweisen. Das FRUG ändert auch die Struktur der Börsensegmente. Waren die organisierten Märkte in Deutschland lange von einem Dualismus zwischen amtlichem und geregeltem Markt geprägt, werden beiden Segmente jetzt zum regulierten Markt zusammengelegt. Damit dürfte es für Start-up-Unternehmen schwieriger werden, Zugang zum organisierten Markt zu erlangen.Vereinfachungen ergeben sich andererseits im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf des Zulassungsverfahrens bei prospektfreien Emissionen. Die bislang bestehende Regelung, dass die Zulassung von Aktien erst drei Werktage nach Veröffentlichung des Zulassungsantrages erfolgen durfte, machte häufig die Einbindung eines Aktiendarlehens erforderlich. Da die Veröffentlichung des Zulassungsantrags nicht vor der Bekanntgabe der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung durch Ad-hoc-Mitteilung erfolgen konnte, konnten den neuen Investoren innerhalb der marktüblichen Abwicklungsfrist von zwei Tagen nach dem Tag des Geschäftsabschlusses (sog. T + 2-Settlement) ansonsten keine börsenzugelassenen Aktien geliefert werden. VeröffentlichungspflichtenDie Abwicklung einer 10 %-Kapitalerhöhung über ein Aktiendarlehen wird künftig in vielen Fällen entbehrlich sein, da ab dem 1. November der Zulassungsantrag selbst nicht mehr veröffentlicht werden muss und mithin im Vorfeld der Transaktion gestellt werden kann. Ein kleiner Wermutstropfen besteht jedoch einstweilen darin, dass es nicht mehr ausreicht, wenn die Börse die Zulassung auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Vielmehr ist es übergangsweise bis zum 31. Dezember 2007 erforderlich, die Bekanntmachung in einem Börsenpflichtblatt vorzunehmen. Wegen der Redaktionszeiten der Zeitungen kann die Veröffentlichung einstweilen erst einen Tag nach der Zulassung erfolgen und mithin die Notierung erst am zweiten Tag nach der Zulassung aufgenommen werden. Ab 1. Januar 2008 ist auf die Redaktionszeiten voraussichtlich keine Rücksicht mehr zu nehmen, da ab dann die Zulassung im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden muss und voraussichtlich eine taggleiche Veröffentlichung über eine unmittelbare Eingabe durch die Börse möglich sein wird, so dass einer rechtzeitigen Lieferung neuer Aktien (t + 2) nichts entgegenstehen dürfte.Auch im Zusammenhang mit der Erstellung von Finanzanalysen (Research Reports) bringt das FRUG eine Verschärfung der Organisationspflichten und eine Erhöhung der Anforderungen an die Vermeidung von Interessenkonflikten mit sich. So dürfen Analysten künftig in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung ihres Research Reports grundsätzlich nicht mehr an anderen Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beteiligt werden. Emissionsbanken dürfen sich zur Erstellung von Research Reports danach allenfalls dann verpflichten, wenn die Research-Abteilung die Entscheidung über das “Ob” der Erstellung trifft und keine Zusagen bezüglich des Inhalts des Research Reports abgegeben werden. Auch die Teilnahme des Analysten an der Investor Education ist von dem neuen Regelungsregime betroffen, da Ersteller von Research Reports grundsätzlich nicht an der Vermarktung beteiligt werden dürfen. Der Einbindung von Analysten dürfte dies jedoch auch in Zukunft nicht entgegenstehen, da ihre Rolle im Rahmen der Investor Education ohnehin typischerweise darauf beschränkt ist, ihren Research Report vorzustellen und zu erläutern. Auch die fortlaufende Betreuung des Emittenten nach Abschluss der Kapitalmarkttransaktion bleibt möglich, wenn weitere Research Reports nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Transaktion erstellt werden. Orientierung an US-PraxisMangels spezieller gesetzlicher Fristvorgaben liegt es nahe, sich insoweit an der US-Praxis zu orientieren, nach der eine erneute Research-Erstellung i. d. R. nach Ablauf von 40 Tagen ab dem Settlement zulässig ist. Schließlich erklärt das FRUG eine bislang bereits bei vielen Emissionsbanken gängige Praxis für allgemein verbindlich: Entwürfe von Research Reports, die bereits eine Empfehlung oder einen Zielpreis enthalten, dürfen vor ihrer Veröffentlichung dem Emittenten, nicht mit der Erstellung des Research Reports befassten Mitarbeitern und Dritten nicht zugänglich gemacht werden. Die Weitergabe von Entwürfen der Research Reports ist insoweit nur möglich, wenn die Empfehlung oder der Zielpreis zuvor entfernt wurden (sog. redacted research reports). Besondere Bedeutung werden schließlich die neuen Veröffentlichungspflichten von Emissionsbanken nach der Durchführung bestimmter Geschäfte gewinnen. Künftig müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Volumen, Marktpreis und Zeitpunkt des Abschlusses von Geschäften soweit möglich auf Echtzeitbasis veröffentlichen, wenn Geschäfte außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems in bereits an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikaten getätigt wurden. Anwendbar ist diese Nachhandelspublizität daher lediglich auf Sekundärplatzierungen. Folgt man der o. g. Auffassung der BaFin zur Einteilung von Wertpapierdienstleistungen, wären die neuen Nachhandelstransparenzvorschriften insbesondere auf bestimmte Formen von Block Trades anzuwenden. In bestimmten Fällen sind die Emissionsbanken nach Gestattung der BaFin berechtigt, die Veröffentlichung (maximal bis zum Ende des dritten Handelstages nach Geschäftsvornahme) zeitlich verzögert durchzuführen. Voraussetzung ist, dass sie das Geschäft auf eigene Rechnung vornehmen – was etwa bei sog. Bought-Deal- bzw. Back-Stop-Konstruktionen der Fall ist – und die Platzierung insgesamt eine bestimmte Mindestgröße erreicht. *) Dr. Michael Schlitt ist Partner bei Fried Frank Harris Shriver & Jacobson und Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln, Dr. Christian Ries ist Rechtsanwalt bei der internationalen Anwaltsgesellschaft.