Recht und Kapitalmarkt

Neue Regeln für Kapitalbeteiligungen gehen am Ziel vorbei

Nach dem Entwurf des Risikobegrenzungsgesetzes wird eine Abgrenzung des Acting in Concert noch schwieriger

Neue Regeln für Kapitalbeteiligungen gehen am Ziel vorbei

Von Heiner Braun und Markus Paul *) Das Bundesfinanzministerium hat am 21. September 2007 einen Referentenentwurf des lange angekündigten Risikobegrenzungsgesetzes vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen die Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen verbessert und so gestaltet werden, “dass gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert werden, ohne zugleich Finanz- oder Unternehmenstransaktionen, die effizienzfördernd wirken, zu beeinträchtigen”. Dazu sind unter anderem Verschärfungen beim Acting in Concert, die Angabe von Investorenzielen und mehr Transparenz beim Aktienregister geplant. Der vorgesehene Maßnahmenkatalog wird dem Anspruch des Gesetzesentwurfs jedoch nur teilweise gerecht. Das sogenannte Acting in Concert, also das abgestimmte Handeln von Aktionären einer börsennotierten Gesellschaft mit der Folge wechselseitiger Zurechnung ihrer Beteiligungen, soll auf zwei Fallbereiche ausgedehnt werden. Beiersdorf-FallZum einen sollen Stimmrechte künftig bereits dann wechselseitig zugerechnet werden, wenn sich die Absprache verschiedener Aktionäre nur auf den Erwerb, nicht aber zwingend auch auf das Halten und Verwalten der Beteiligung richtet. Diese Regelung zielt ersichtlich auf den Beiersdorf-Fall. Hierbei hatten mehrere Aktionäre koordiniert eine Mehrheitsbeteiligung erworben, wobei jedoch jeder einzelne Aktionär unter 30 % blieb. Ein Pflichtangebot musste deshalb nicht abgegeben werden, weil die Aktionäre geltend machen konnten, dass ihre Absprachen nicht über den gemeinsamen Erwerb der Aktien hinausreichten. Ob es richtig ist, solche Fälle als Acting in Concert zu behandeln, ist sehr fraglich. Denn der koordinierte Erwerb von Aktien allein bewirkt noch keine Veränderung der Machtverhältnisse bei der Gesellschaft. Problematisch erscheint ferner, dass nach dem aktuellen Gesetzesentwurf auch ein abgestimmter Abverkauf von Aktien ein Acting in Concert darstellen würde. Folge wäre eine Zurechnung von Stimmrechen des Erwerbers beim Veräußerer. Das kann nicht ernsthaft gewollt sein. Zweitens betrifft die Neuregelung die Nachhaltigkeit des für Acting in Concert erforderlichen gemeinsamen Handelns. Bislang stellt eine Absprache, die sich in einem gemeinsamen Stimmverhalten auf der Hauptversammlung im Einzelfall erschöpfte, noch kein Acting in Concert dar. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die gemeinsame Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auch dann kein Acting in Concert ist, wenn auf Aufsichtsratsebene im Nachhinein weitere Absprachen stattfinden. Dies entspricht der vom Gesetzgeber im Aktienrecht stringent vertretenen Linie, dass Aufsichtsratsmitglieder ein höchstpersönliches Amt innehaben und nicht Vertreter eines Aktionärs sind. Hiervon weicht der Referentenentwurf ab. Künftig soll auch eine Abstimmung im Einzelfall für Acting in Concert ausreichen, wenn sie die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft dauerhaft oder erheblich beeinflussen kann. Hierunter soll nunmehr auch eine Abstimmung auf Aufsichtsratsebene – also außerhalb der Hauptversammlung – fallen. In der Begründung des Entwurfs heißt es, dass die gemeinsame Wahl einzelner Aufsichtsratsmitglieder, auch des Vorsitzenden, nicht zwingend ein Acting in Concert darstellt. Anders ist es jedoch dann, wenn hiermit eine bestimmte unternehmerische Neuausrichtung oder aber konkrete unternehmerische oder finanzwirtschaftliche Ziele beabsichtigt sind, beispielsweise eine Zerschlagung oder die Zahlung einer hohen Sonderdividende. Die vorgenannten Kriterien sind sehr vage und gleichzeitig viel zu weit. Es ist zu befürchten, dass dies zu noch größeren Abgrenzungsschwierigkeiten führen wird, als es bereits jetzt beim Acting in Concert der Fall ist. Zwar sind Altfälle, also ein bereits etabliertes gemeinsames Handeln bei Inkrafttreten der Neuregelung, privilegiert. Künftig wird man sich jedoch bei jedem neuen Abstimmungsverhalten fragen müssen, ob nicht schon die Schwelle zum Acting in Concert überschritten wird. Derart unbestimmte Regelungen könnten ferner dazu missbraucht werden, Hauptversammlungsbeschlüsse wegen angeblicher Verstöße gegen Mitteilungspflichten anzufechten. Dies wäre weder im Interesse von Unternehmen noch ihrer Aktionäre. Ziele des Investors Nach dem Referentenentwurf kann eine börsennotierte Gesellschaft jeden Aktionär ab einer Zehn-Prozent-Beteiligung auffordern, die mit dem Erwerb bzw. der Aufstockung der Stimmrechte verfolgten Ziele und die Herkunft der dafür verwandten Mittel anzugeben. Hierbei muss er angeben, ob er: – strategische oder nur finanzielle Interessen verfolgt, – beabsichtigt, innerhalb der nächsten zwölf Monate weitere Stimmrechte zu erwerben, – den Kontrollerwerb im Sinne des WpÜG (30 %) anstrebt, – Einfluss auf Vorstand oder Aufsichtsrat der Gesellschaft nehmen will – und ob er eine wesentliche Änderung der Kapitalstruktur der Gesellschaft, insbesondere eine höhere Verschuldung und aggressivere Dividendenpolitik, verfolgen will. Im Hinblick auf die zum Erwerb der Beteiligung aufgewandten Mittel ist anzugeben, ob diese aus Eigen- oder Fremdkapital bestritten wurden. Jede Änderung der Absichten des Aktionärs ist ebenfalls (und dann wohl unaufgefordert) dem Emittenten mitzuteilen. Unterlassene Mitteilungen sollen dadurch sanktioniert werden, dass die Gesellschaft die Tatsache veröffentlicht, dass der Aktionär seiner Mitteilungspflicht nicht entsprochen hat. Ein Verlust von Stimmrechten droht nicht. StimmrechtsmitteilungenIm Rahmen des Anfang 2007 in Kraft getretenen Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes wurden in § 25 WpHG neue Mitteilungspflichten beim Halten von sonstigen Finanzinstrumenten eingeführt. Dazu gehören unter anderem Optionsrechte. Bisher sind Stimmrechte aus Aktien und aus vergleichbaren Positionen sonstiger Finanzinstrumente (z. B. aus Optionsrechten) jeweils getrennt zu melden. Künftig sollen Stimmrechte aus beiden zusammengerechnet werden. Dies soll zu einem früheren Erreichen von Meldeschwellen führen und die Aussagefähigkeit der wertpapierhandelsrechtlichen Meldungen erhöhen.Die Rechtsfolgen unterbliebener Stimmrechtsmitteilungen zur Höhe der Beteiligung sollen dahingehend verschärft werden, dass der Stimmrechtsverlust nunmehr für sechs Monate andauert, nachdem die Mitteilung nachgeholt wurde. Damit soll verhindert werden, dass zuvor unterlassene Mitteilungen zielgenau vor Hauptversammlungen nachgeholt werden, um Stimmrechte aus verdeckt aufgebauten Positionen dort ausüben zu können. AktienregisterAls weitere Maßnahme sollen Aktiengesellschaften künftig Eintragungen von Ermächtigten (z. B. Verwahrbanken, Zentralverwahrer oder Vermögensverwalter) in das Aktienregister über entsprechende Satzungsregelungen einschränken oder sogar ganz ausschließen können, um die Inhaber ihrer Namensaktien besser identifizieren zu können. Denkbar wäre zum Beispiel eine Beschränkung, dass Eintragungen von Ermächtigten oberhalb von bestimmten Beteiligungsschwellenwerten nicht mehr zulässig sind. Dann müsste statt der Verwahrbank der Inhaber der Aktien eingetragen werden. Andernfalls droht der Verlust der Rechte aus den betroffenen Aktien.Außerdem sieht der Referentenentwurf vor, dass diejenigen, die im Aktienregister eingetragen sind, der Gesellschaft auf Verlangen mitteilen müssen, ob sie Inhaber der Aktien oder “nur” Ermächtigte sind. Letztere müssen der Gesellschaft mitteilen, für wen sie die Aktien halten. Dieser ist wiederum zur Auskunft über sich bzw. seinen Hintermann verpflichtet. Auf diese Weise soll die Gesellschaft die Möglichkeit haben, auch im Falle von mehrstufigen Verwahrverhältnissen Informationen über die Inhaber ihrer Aktien zu erlangen. AusweichmöglichkeitEs bleibt abzuwarten, ob diese Neuregelungen in der Praxis zu maßgeblich erhöhter Transparenz führen werden. Beispielsweise wird es Investoren auch zukünftig unbenommen bleiben, ihre Beteiligung über eine Zweckgesellschaft zu halten, die im Aktienregister eingetragen ist, ohne dass erkennbar wäre, wer dahintersteht. *) Dr. Heiner Braun und Dr. Markus Paul sind Rechtsanwälte im Frankfurter Büro der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.