Recht und Kapitalmarkt

Neues Glück im Spiel

Komplexe Neuregelung nach EuGH-Entscheidung

Neues Glück im Spiel

Von Juliane Hilf *)Am 8. September 2010 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf der Grundlage der Feststellungen deutscher Verwaltungsgerichte das Glücksspielmonopol für europarechtswidrig befunden. Die Ziele, die sich der deutsche Gesetzgeber auf die Fahne geschrieben hat, insbesondere die Bekämpfung der Spielsucht, verfolge er derzeit weder normativ noch tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise. Die Beschränkung des Marktzutritts privater Anbieter sei unter diesen Voraussetzungen nicht gerechtfertigt.So hätten intensive Werbekampagnen seitens der staatlichen Lotteriegesellschaften eher auf Gewinnmaximierung als auf die Eindämmung der Spielsucht gezielt. Zudem habe sich die Zahl der Kasinos in den vergangenen Jahren beträchtlich erhöht und die Regelungen zu den Automatenspielen seien gelockert worden. Auch wenn verschiedene Arten von Glücksspielen unterschiedlich geregelt werden könnten und so der Markt nur in Teilbereichen Privaten offenstehe, müsse doch die Regelung insgesamt kohärent und systematisch sein. Dies sei in Deutschland derzeit nicht der Fall. Dringender HandlungsbedarfDie europarechtswidrigen Regelungen sind nun nicht mehr anwendbar. Dies dürfte wegen der zentralen Rolle des Monopols für alle Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags gelten, also nicht nur für den Ausschluss privater Anbieter, sondern auch für Werberestriktionen und das Internetverbot. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf.Dies ist nicht neu. Das staatliche Glücksspielmonopol in Deutschland hatte auch schon vor den Entscheidungen einen schweren Stand. So ist bei Sportwetten der Marktanteil der staatlichen Lotto-Toto-Gesellschaften auf 3 % gesunken und leistet de facto kaum noch einen Beitrag für das Gemeinwesen. Ein Evaluierungsprozess des Staatsvertrags läuft. Schleswig-Holstein hat schon im Januar signalisiert, Sportwetten für private Anbieter öffnen zu wollen. Niedersachsen folgte. Andere Länder haben sich noch nicht formal geäußert.Eine Neuregelung ist komplexer als bisher angenommen. Die Länder können die existierenden Regelungen zu Automatenspielen und Pferdewetten auf Bundesebene schlechterdings nicht außer Acht lassen.In einer Neuregelung könnte auch der Geburtsfehler des Glücksspielstaatsvertrags bereinigt werden. Über 98 % der staatlichen Einnahmen aus dem Glücksspiel stammen heute aus dem Lotteriebereich. Die Absicherung des staatlichen Glücksspielmonopols sollte sich daher in erster Linie auf diesen Kern konzentrieren. Eine Rechtfertigung des Veranstaltungsmonopols von Lotterien mit Suchtaspekten dürfte allerdings verfassungsrechtlich kaum haltbar sein. Als eine Lösung des Dilemmas bieten sich die Öffnung des Sportwettenmarkts und die Beibehaltung des Lotterieveranstaltungsmonopols mit einer anderen Begründung an.In den Entscheidungen beschränkt sich der EuGH nicht auf die Festlegung allgemeiner Kriterien, sondern gibt enge Grenzen für die Ausgestaltung des Glücksspielsektors vor. Dies lässt darauf schließen, dass es dem EuGH ein Anliegen war, hier ein deutliches Signal zu setzen. Es ist dies ein Signal an den deutschen Gesetzgeber. Dieser hat nun die Chance, eine in Europa richtungsweisende europa- und verfassungsrechtsfeste Regulierung des Glücksspielmarkts zu schaffen, die auch dem Verbraucher einen verlässlichen Rechtsrahmen gibt. Er sollte sie nutzen!—-*) Dr. Juliane Hilf ist Partnerin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in der Praxisgruppe Environment, Planning and Regulatory in Köln und Expertin für Glücksspielrecht.