Recht und Kapitalmarkt

Neues Prospektrecht macht Bookbuilding unmöglich

Große Rechtsunsicherheit für nach dem 1. Juli 2005 geplante Emissionen - Auch Regeln zur Prospektprüfung sorgen für Irritationen

Neues Prospektrecht macht Bookbuilding unmöglich

Von Stephan Hutter und Florian Stürwald *)Zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2003/71/EG (“Prospektrichtlinie”) in deutsches Recht hat das Bundeskabinett am 2. Februar 2005 ein Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz verabschiedet. Dieses Umsetzungsgesetz wird mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) ein neues Regelwerk schaffen, das weite Teile der bisherigen Vorgaben des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes sowie der Börsenzulassungs-Verordnung ablöst. Das neue WpPG soll am 1. Juli 2005 in Kraft treten und ist dann anzuwenden auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Da es eine Vielzahl von Neuregelungen enthält, sind erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf und die Transaktionsstruktur öffentlicher Wertpapierangebote in Deutschland zu erwarten. Einschneidende NovellierungEine der einschneidendsten Novellierungen findet sich in § 8 Abs. 1 WpPG (Fassung des Regierungsentwurfs) und betrifft die Nichtaufnahme bestimmter Angaben im Prospekt. Für den Fall, dass der Ausgabepreis und die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere nicht genannt werden können, genügt es, die Kriterien oder Bedingungen für die Ermittlung dieser Werte bzw. den Höchstpreis anzugeben. Dies entspricht der gegenwärtigen Rechtslage und Praxis, wonach es insbesondere im Rahmen von Aktienemissionen üblich ist, den endgültigen Emissionspreis im Rahmen des Bookbuilding erst am Ende der Angebotsfrist für das öffentliche Angebot festzulegen und zu veröffentlichen.Das Bookbuilding hat sich besonders bei Börsengängen als Preisfindungsmethode fest etabliert. Es ist ein weithin akzeptiertes Verfahren, das darauf ausgerichtet ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen dem Emittenten und den Anlegern in Bezug auf die Höhe des Emissionspreises herbeizuführen. Anleger können ihre Angebote während einer mehrtägigen Zeichnungsfrist innerhalb der zu Beginn des öffentlichen Angebots veröffentlichten Preisspanne (Bookbuildingspanne) abgeben. Neben der Stückzahl müssen die Anleger den maximalen Preis angeben, den sie für die Aktie zu zahlen bereit sind. Die gesamten Zeichnungswünsche werden zentral bei der konsortialführenden Bank in quantitativer und qualitativer Hinsicht in einem “Buch” EDV-mäßig erfasst. Die so gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in die Preisfestlegung und Zuteilung der Aktien ein.Paragraph 8 Abs. 1 WpPG schreibt jedoch vor, dass der Emittent zukünftig den endgültigen Emissionspreis und das -volumen spätestens am Tag des öffentlichen Angebots veröffentlichen muss. Erstreckt sich die Angebotsfrist – wie beim Bookbuilding üblich – über einen längeren Zeitraum, so spricht der Wortlaut der Bestimmung dafür, dass die Veröffentlichung am ersten Tag der Angebotsfrist zu erfolgen hat. Kritik von VerbändenParagraph 8 Abs. 1 WpPG in der Fassung des Regierungsentwurfs würde somit bedeuten, dass die Durchführung des Bookbuilding unmöglich wäre, da der im Wege des Bookbuilding ermittelte endgültige Emissionspreis per Definition nicht schon zu Beginn der Angebotsphase festgelegt werden kann. Diese Regelung war in dem ursprünglichen Diskussionsentwurf des WpPG vom November 2004 noch nicht enthalten und fand erst nachträglich Eingang – eine Erläuterung der Gründe hierfür sucht man in der Gesetzesbegründung vergebens. Diese Änderung ist auf massive Kritik der betroffenen Interessenverbände gestoßen. Sowohl der Zentrale Kreditausschuss als auch das Deutsche Aktieninstitut (zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie) haben kritisiert, dass ein international übliches und als sinnvoll anerkanntes Verfahren zur Preisermittlung ohne Not unmöglich gemacht würde. Konträr zu bisherigen ZielenDies sei konträr zur bisherigen Zielsetzung des Gesetzgebers, der das Bookbuilding bei anderen Legislativverfahren berücksichtigt und infolgedessen flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten gerade gefördert hatte, wie z. B. im Falle der im Transparenz- und Publizitätsgesetz erfolgten Änderung des § 186 Abs. 2 Aktiengesetz. Dort wurde Vorständen bei Bezugsrechtsemissionen die Möglichkeit eingeräumt, sich die Festsetzung des Ausgabebetrags bis zu drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist vorzubehalten, um eine marktnähere Ermittlung des Ausgabebetrags zu ermöglichen. Diese Gesetzesänderung erlaubt, den Emissionspreis der jungen Aktien auch dann durch Bookbuilding zu ermitteln, wenn den Aktionären Bezugsrechte zustehen. Dies war nach früher herrschender Ansicht vorher nicht möglich. In der jetzigen Fassung des Regierungsentwurfs des WpPG würde diese Regelung ihren Sinn verlieren – jedenfalls in den Fällen, in denen ein Bezugsangebot ein öffentliches Angebot darstellt, weil die Bezugsrechte börslich gehandelt werden.Neben den beschriebenen Änderungen bringt das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz weitere wesentliche Novellierungen des Wertpapierprospektrechts mit sich, die bereits jetzt zu einer gewissen Verunsicherung des Kapitalmarkts führen. So wird nach dem 1. Juli 2005 die Zuständigkeit für die Prüfung und Billigung von Prospekten für öffentlich angebotene Wertpapiere, die an einer Börse eingeführt werden sollen, von den Börsenzulassungsstellen auf die BaFin übergehen. Es ist noch ungeklärt, ob ein vor diesem Zeitpunkt beantragtes Zulassungsverfahren bei der BaFin neu gestartet werden muss. Gemäß Regierungsentwurf bleiben zudem die Zulassungsstellen der Börsen für die Erteilung der Zulassung zuständig, die noch einmal eine partielle Prospektprüfung zur Vermeidung einer möglichen Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen bzw. zu einzelnen in den §§ 5, 7 und 8 der Börsenzulassungsverordnung genannten Prospektinhalten durchzuführen haben. Dies könnte sinnwidrigerweise dazu führen, dass trotz eines von der BaFin gebilligten Prospekts keine Zulassung erteilt wird. Infolge des Zuständigkeitswechsels werden sich auch die Modalitäten für die Prüfung und Billigung eines Prospekts ändern. Die BaFin wird eine Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen vornehmen. Dies bedeutet laut Gesetzesbegründung, dass die Angaben des Prospekts auf mögliche innere Widersprüche geprüft werden. Im Ergebnis dürfte dies einer Plausibilitätsprüfung nahe kommen, wie sie die Börsenzulassungsstellen bislang im Rahmen der Börsenzulassungsprüfung vorgenommen haben – was allerdings wirklich mit “Kohärenzprüfung” gemeint ist, bleibt dem Marktteilnehmer unklar.Die Veröffentlichungspflicht des endgültigen Emissionspreises am Tag des öffentlichen Angebots steht im Widerspruch zum Zweck des § 8 WpPG. Er soll gerade den besonderen Sachverhalt des erst aufgrund des öffentlichen Angebots – durch Angebot und Nachfrage – gebildeten Emissionspreises und des so ermittelten Emissionsvolumens regeln. Die Regelung erscheint umso unverständlicher, als sie in diesem Punkt über die Vorgaben der Prospektrichtlinie hinausgeht und daher nicht zwingend vorgegeben ist. In der Richtlinie heißt es insoweit, dass der endgültige Emissionskurs und das -volumen bei der zuständigen Behörde zu hinterlegen und zu veröffentlichen sind, ohne dass der späteste Zeitpunkt hierfür genau fixiert wäre. Nachteil für den FinanzplatzWürde die Neuregelung in dieser Form Gesetz, wäre bei öffentlichen Angeboten in Deutschland ein moderner, marktnaher Preisfindungsmechanismus nicht mehr erlaubt. Vor dem Hintergrund der vorgesehenen einschneidenden Änderungen des Bookbuilding sowie einer Reihe prozessualer und inhaltlicher Rechtsunsicherheiten brächte die Umsetzung des aktuellen Regierungsentwurfs des Umsetzungsgesetzes einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Deutschland mit sich. Es bleibt zu hoffen, dass ein sinnvoller und pragmatischer Weg gefunden wird, die Umsetzung der Prospektrichtlinie im Einklang mit internationalen Kapitalmarktstandards und ohne unnötige bürokratische Ehrenrunden sicherzustellen.*) Dr. Stephan Hutter ist Rechtsanwalt und Partner, Florian Stürwald ist Rechtsanwalt bei Shearman & Sterling in Frankfurt.