Recht und Kapitalmarkt

Neues Recht hilft High-Yield-Emittenten

Continental und Phoenix Pharmahandel platzieren Hochzinsanleihen unter Nutzung des Schuldverschreibungsgesetzes von 2009

Neues Recht hilft High-Yield-Emittenten

Von Christoph Gleske und Rick Georg van Aerssen*)Unternehmen mit hohem Fremdfinanzierungsbedarf sehen – zumal wenn ihre Kreditwürdigkeit nicht auch langfristig über jeden Zweifel erhaben ist – einer ernsthaften Bedrohung ins Auge: Viele Banken sind bei der Vergabe neuer oder der Prolongation bestehender Kredite sehr zurückhaltend. So berichtet Dealogic von einem Rückgang der Vergabe syndizierter Unternehmenskredite von 46 % im Jahr 2009 gegenüber 2008. Auch 2010 hat bislang keine positive Wende gebracht. Im Gegenteil: Prozyklische Bankenregulierung, die unter den Bezeichnungen CRD II und Basel III die Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute drastisch erhöht, droht Bankbilanzen weiter zu verkürzen und Kredite signifikant zu verteuern. Gleichzeitig rollt eine erhebliche Refinanzierungswelle auf das Finanzsystem zu: Zwischen 2011 und 2015 sollen syndizierte Kredite an hoch verschuldete europäische Unternehmen (Leveraged Loans) im Volumen von 900 Mrd. Dollar fällig werden. Es kündigt sich ein drastischer Wettbewerb um die schrumpfenden Bankbilanzen an. Alternativen zum BankkreditViele Unternehmen werden sich angesichts dessen intensiv nach Eigenkapital umsehen müssen. Aber auch und gerade bei der Fremdfinanzierung sind Alternativen zum Bankkredit auszuloten, vor allem, wenn man bei der Refinanzierung die besondere Gefahrenzone der Jahre 2012 bis 2014 meiden möchte. Anleihen sind eine dieser Alternativen, mit der sich Unternehmen bankenunabhängig und mit vergleichsweise langen Laufzeiten direkt an Anleger wenden. Dabei zeigen z. B. die jüngste Emissionen von Phoenix Pharmahandel wie auch zahlreicher Portfolio-Unternehmen von Private-Equity-Fonds, dass diese Finanzierungsquelle auch für bislang nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zugänglich ist; Anleiheemissionen setzen keineswegs eine bestehende Notierung von Aktien oder anderen Schuldtiteln, wohl aber meist ein (externes) Rating voraus.Vor allem wegen ihres hohen Verschuldungsgrades erhalten viele der betroffenen Unternehmen kein Investment-Grade-Rating und werden deshalb als Non-Investment-Grade- oder “High Yield”-Anleihen bezeichnet. In diesem Bereich treffen Unternehmen auf eine Investorenbasis, die explizit in den Anleihebedingungen niedergelegte Mechanismen zum Schutz der Schuldendienstfähigkeit der Emittentin und den Regelungen in syndizierten Krediten sehr ähnliche Positiv- und Negativverpflichtungen verlangt, deren Verletzung zur Kündigung der Anleihe berechtigt.Von zentraler Bedeutung sind die sog. “Financial Covenants”, d. h. die Beschränkung von Finanzverbindlichkeiten auf definierte Zinsdeckungs- und Verschuldungsgrad-Multiplikatoren (in der Regel Ebitda zu Nettozinsaufwand bzw. Finanzverbindlichkeiten zu Ebitda).Im Gegensatz zu ähnlichen Verpflichtungen in Kreditverträgen ist die Emittentin aber nicht gehalten, diese Finanzkennzahlen kontinuierlich einzuhalten. Vielmehr ist sie, vorbehaltlich zahlreicher individuell festzulegender Ausnahmen, lediglich gehindert, zusätzliche Finanzverbindlichkeiten einzugehen, wenn diese bei einer Pro-forma-Betrachtung der jeweils jüngsten vier Geschäftsquartale eine unzureichende Zinsdeckung bzw. einen zu hohen Verschuldungsgrad begründen. Dieses “Incurrence-Konzept” in High-Yield-Anleihen wirkt mithin in der Regel deutlich weniger restriktiv als die “Maintenance-Konzepte” in Kreditverträgen, bei denen die Schuldnerin regelmäßig die Einhaltung der Covenants nachzuweisen hat. Des Weiteren müssen sich Emittentin und Konzerngesellschaften in High-Yield-Anleihen weiteren Beschränkungen unterwerfen, etwa hinsichtlich der Veräußerung von Vermögensgegenständen, der Vornahme von Investitionen, der Kreditvergabe (insbesondere gruppenintern), der Ausschüttungen und der Beibehaltung wesentlicher Elemente der Konzernstruktur. Diese sind allesamt darauf ausgerichtet, den Konzern und seine für den Schuldendienst Barmittel generierenden Assets im Interesse der Gläubiger zu erhalten.Wer bei einer langfristigen Finanzierung solche Beschränkungen rechtlich bindend eingeht, muss in der Lage sein, mit seinen Gläubigern Anpassungen zu vereinbaren; vor allem dann, wenn sich das ursprüngliche Korsett als zu eng erweist. Genau hier lag bislang eine erhebliche Schwäche des deutschen Rechts. Es sah nämlich nur sehr eingeschränkte und praktisch kaum handhabbare Möglichkeiten zur Änderung der Bedingungen einmal emittierter Anleihen vor.Schon aus diesem Grund mussten auch deutsche Unternehmen für ihre High-Yield-Anleihen auf Rechtsordnungen ausweichen, die diese Anpassungsmöglichkeit bieten. Hier hatte sich insbesondere New Yorker Recht etabliert, das zudem auch aus dem tiefen US-High-Yield-Markt den wichtigen US-Investoren geläufig und deswegen dort besonders “vermarktbar” war.Die genannte Unzulänglichkeit des deutschen Rechts wurde 2009 durch das neue Schuldverschreibungsgesetz behoben. Nunmehr können die Gläubiger durch Mehrheitsentscheidung der Änderung von Anleihebedingungen zustimmen, und zwar mit Wirkung für alle Inhaber der gleichen Anleihe. Zudem ist jetzt die Bestellung eines “gemeinsamen Vertreters” der Anleihegläubiger möglich, der deren Rechte gegenüber der Emittentin und anderen Fremdkapitalgebern mit kollektiver Wirkung wahrnehmen kann – ebenfalls eine Möglichkeit, die im angelsächsischen Anleiherecht lange etabliert war.Nachdem es zunächst so aussah, dass die legislative Neuerung an der mangelnden Bereitschaft zur Übernahme der Rolle eines “gemeinsamen Vertreters” scheitern würde, wurden dieser jetzt bei den Emissionen von Continental und Phoenix Pharmahandel erstmals bereits bei Begebung bestellt.Die Bestellung des gemeinsamen Vertreters ist zudem Voraussetzung für ein weiteres zentrales Gestaltungselement von High-Yield-Anleihen: die Partizipation der Anleihegläubiger an Kreditsicherheiten. Der gemeinsame Vertreter kann – wie etwa jetzt bei Continental geschehen – einem Sicherheitenpoolvertrag mit den kreditgebenden Banken des Unternehmens beitreten, wodurch die Anleihegläubiger gleichrangig mit Bankgläubigern an Kreditsicherheiten partizipieren können.Zudem erhalten die Anleihegläubiger so bei Entscheidungen des Sicherheitenpools (etwa im Hinblick auf die Verwertung von Sicherheiten) ein ihrem Finanzierungsbeitrag entsprechendes Stimmgewicht. Das ist deswegen von eminenter Bedeutung, weil die High-Yield-Anleihe erst so passgenau in die Fremdfinanzierungs- und Besicherungsstruktur des Unternehmens eingefügt werden kann – aus Anlegersicht idealerweise gleichberechtigt mit den Bankgläubigern und ohne risikoerhöhenden “strukturellen Nachrang”.Eine im Zusammenhang des Gesetzgebungsverfahrens intensiv diskutierte Frage war das Anfechtungsrecht in der Gläubigerversammlung. Ähnlich dem Gesellschaftsrecht kann nämlich der einzelne Gläubiger mit einer Anfechtung Beschlüsse der Gläubigerversammlung aufhalten. Wiewohl hier vielfach die Gefahr gesehen wurde, dass man ohne Not neue Betätigungsfelder für professionelle Kläger schaffen könnte, sollten sich diese in Zukunft nicht in dem Umfang realisieren wie im Aktienrecht: Die Beschlussgegenstände sind weniger komplex, und auch im Schuldverschreibungsrecht steht ein Eilverfahren zur Verfügung, um die Wirksamkeit des Beschlusses durchzusetzen. Emittenten und Investoren hat diese “Gefahr” jetzt jedenfalls erst einmal nicht abgeschreckt.Für deutsche Unternehmen bleibt nach den Emissionen von Continental und Phoenix die gute Nachricht, dass sie ihren erheblichen Finanzierungsherausforderungen jetzt auch unter Verwendung deutschen Rechts begegnen können. Es steht zu hoffen, dass das Schuldverschreibungsgesetz von 2009 mit diesen Emissionen seine Nagelprobe bestanden hat.—-*) Christoph Gleske und Rick Georg van Aerssen sind Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt. Die Kanzlei war bei den Emissionen von Continental und Phoenix beratend tätig.