Neues Wohneigentumsgesetz macht verstärkt Mehrheitsbeschlüsse möglich
Von Marc Lehmann Die Saison der Eigentümerversammlungen hat begonnen. Einmal im Jahr treffen sich die Eigentümer von Immobilien und fassen Beschlüsse. Zum ersten Mal gelten nun neue Rechte und Pflichten.Die Eigentümerversammlung ist im Wohneigentumsgesetz (WEG) geregelt, das im vergangenen Jahr reformiert wurde. Das WEG hat Bedeutung für alle, die mit anderen zusammen Eigentum an einer Immobilie haben. Etwa im typischen Mehrfamilienhaus: Die Wohnungen gehören den Eigentümern als Sondereigentum, der Rest des Hauses ist hingegen Gemeinschaftseigentum. Der Verwalter muss für die Versammlung alle im Grundbuch genannten Eigentümer einladen, und zwar mindestens einmal im Jahr. Wenn mehr als ein Viertel der Eigentümer es verlangen (“schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe”), sind außerordentliche Eigentümerversammlungen einzuberufen.Bei der regulären Eigentümerversammlung wird unter anderem entschieden, welche Reparaturen im Haus zu erledigen und wie die Kosten auf die Eigentümer zu verteilen sind. Dabei gilt per Gesetz: Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist (Paragraph 23, Absatz 2 WEG). “Soll also über ein neues Dach entschieden werden, muss das schon als Tagesordnungspunkt in der Einladung stehen – Eigentümer sollen sich auf die mitunter kostspieligen Beschlüsse vorbereiten können”, sagt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Annette Mertens. BeschlussfähigkeitEine Eigentümerversammlung ist dann beschlussfähig, wenn durch die Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten sind (Paragraph 25 WEG). Der Wohnungseigentümer kann sich per Vollmacht vertreten lassen, etwa durch Verwandte oder den Verwalter.Wie viel Miteigentumsanteil ein Eigentümer hat, hängt von der Wohnungsgröße ab. Bei zahlreichen Beschlüssen reicht im Regelfall eine einfache Stimmenmehrheit – es geht dann nach Köpfen.Neben solchen Themen dreht es sich bei der Eigentümerversammlung um den Wirtschaftsplan, der die laufenden Kosten für ein Jahr enthält (z. B. Gebühren für Müllabfuhr und Gartenpflege oder aber Aufwand für Reparaturen). Aus dem Wirtschaftsplan ergibt sich das anteilige Hausgeld.Außerdem wird über die Jahresabrechnung des vergangenen Jahres gesprochen. War sie in Ordnung, wird sie anerkannt und der Verwalter “entlastet”. Das bedeutet: Die Eigentümergemeinschaft verzichtet endgültig auf Rechte und Schadenersatzansprüche gegenüber dem Verwalter. Keine Chance für Querulanten Das neue WEG hat verstärkt Mehrheitsbeschlüsse möglich gemacht. “Zuvor musste vielfach einstimmig entschieden werden, was mitunter eine Eigentümergemeinschaft lähmen konnte, wenn ein Querulant mit dabei war”, so Rechtsanwältin Mertens. Unter anderem wurde Folgendes neu geregelt: – Betriebs- und Verwaltungskosten: Bei den Kosten etwa für Müllabfuhr, Gartenpflege oder Verwaltung ist anders als bisher eine Stimmenmehrheit ausreichend, um diese Kosten nach dem Verursacherprinzip umzulegen. Zahlen beispielsweise Alleinstehende und Großfamilien im Haus bislang gleich hohe Müllgebühren, so kann nach dem neuen WEG leichter als bisher eine Verteilung nach Personenzahl beschlossen werden. – Kosten für Modernisierung: Bei den Kosten für Modernisierung war früher ein einstimmiger Beschluss nötig. Ein Erdgeschoss-Eigentümer konnte dadurch etwa Pläne für einen Fahrstuhl im Haus verhindern. Nun reicht eine Dreiviertelmehrheit der Eigentümer (mit mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile). Ein Eigentümer kann also gezwungen werden, sich an Kosten zu beteiligen, obwohl er meint, dass er von der Modernisierung gar nichts hat. – Haftung der Wohnungseigentümer: Gegenüber Dritten, etwa Handwerkern, sowie untereinander haften Wohnungseigentümer nur noch bis zur Höhe ihres Miteigentumsanteils. Ein Beispiel: Wer ein Zehntel Miteigentumsanteil hat, kann für Schulden von 10 000 Euro nur bis 1 000 Euro in Anspruch genommen werden. Früher konnte von einem einzelnen Eigentümer theoretisch die gesamte Summe gefordert werden. – Vorrang bei Zwangsversteigerung: Klamme Eigentümer geraten meist nicht nur mit ihren Kreditraten an die Bank in Rückstand, sondern ebenso mit ihren Hausgeldzahlungen an die Eigentümergemeinschaften (mit dem Hausgeld werden u. a. Rücklagen für Reparaturen gebildet). Bei einer Zwangsversteigerung können die Ansprüche der Eigentümergemeinschaft nun bevorrechtigt behandelt werden. – Gerichtsprozesse: Eigentümergemeinschaften werden nun “teilrechtsfähig” – sie können also als eigenständige Rechtsperson agieren, was von der Rechtsprechung bereits so gehandhabt wurde. Das erleichtert z. B. Klagen gegen schlampige Handwerker. Außerdem gilt für Verfahren in Wohnungseigentumssachen wie in anderen privatrechtlichen Streitigkeiten die Zivilprozessordnung (ZPO), nicht mehr hingegen das Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. – Transparenz: Der Verwalter muss nun Beschlüsse der Eigentümerversammlung sammeln und zugänglich machen. Damit sollen Kaufinteressenten besser sehen können, was auf sie zukommen würde (etwa finanzielle Belastungen, weil schon größere Instandhaltungsmaßnahmen beschlossen wurden).