RECHT UND KAPITALMARKT

Neustart für Windpark-Betreiber

Regelungen zur Anbindung von Offshore-Anlagen führen zu erhöhter Investitionssicherheit auf dem Meer

Neustart für Windpark-Betreiber

Von Hermann Ali Hinderer und Heiko Haller *)Es war in den vergangenen Monaten kaum zu übersehen: Der Ausbau der Offshore-Windkraft, einem wesentlichen Pfeiler des neuen Energiekonzeptes der Bundesregierung, war ins Stocken geraten. Große Investoren wie EnBW, RWE oder Dong hatten den vorläufigen Stopp diverser Projekte in der Nordsee beschlossen. Schon heute ist klar, dass das Zwischenziel der Errichtung von 10 Gigawatt an Offshore-Wind-Erzeugungskapazitäten bis 2020 nur mit großen Anstrengungen zu erreichen sein wird.Hintergrund der Verzögerungen waren insbesondere die Schwierigkeiten bei der Anbindung der neuen Kraftwerke auf dem Meer an das Übertragungsnetz. Die Verzögerungen hatten im Wesentlichen zwei Gründe: Einerseits stehen alle Beteiligten vor besonderen Herausforderungen, weil die Technologien neu sind und Erfahrungen im Bereich der Offshore-Anbindung fehlen. Andererseits steht Tennet als zuständiger Übertragungsnetzbetreiber vor dem Problem, zahlreiche Offshore-Windkraftwerke in den deutschen Küstengewässer oder der ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee fast gleichzeitig an das Übertragungsnetz anbinden zu müssen. Neue GrundlageEin komplexes Zusammenspiel von Finanzierung, Netzanbindungszusage, Lieferung von Komponenten und Planung des Kraftwerks auf hoher See erlaubt keine flexible Reaktion auf diese Verzögerungen. Die damit verbundenen Schäden drohten Milliardenbeträge zu erreichen. Die Haftungsfrage war ungeklärt und die Haftungssummen nicht versicherbar. Eine Regelung dieser Haftungsfrage war unumgänglich.Der erst im August dieses Jahres vorgelegte Gesetzesentwurf wurde in knapper Zeit unter Einbeziehung der Industrie beraten und am 30.11.2012 im Bundestag verabschiedet. Der Entwurf adressiert nicht nur die Haftungsfrage, sondern packt das Problem an der Wurzel. Er stellt die Planung der Anbindung von Offshore-Windparks insgesamt auf eine neue Grundlage.Bisher war eine organisierte und ressourcenschonende Planung der Anbindung praktisch unmöglich, weil jeder Offshore-Windparkbetreiber einen Anspruch darauf hatte, dass seine Anlage bei Fertigstellung an das Übertragungsnetz angebunden wird. Verzögerungen waren vorprogrammiert. Jetzt wird ein Offshore-Netzentwicklungsplan erarbeitet, der für einen Zeitraum von zehn Jahren einen Fahrplan für die Anbindung der geplanten und in Bau befindlichen Windparks aufstellt. Planbare FlexibilitätZum 3. März 2013 legen zum ersten Mal alle Übertragungsnetzbetreiber diesen gemeinsamen Offshore-Netzentwicklungsplan vor. Die Übertragungsnetzbetreiber sollen darin die genehmigten Erzeugerkapazitäten, die Planungs-, Zulassungs- und Errichtungszeiten sowie die Errichtungskapazitäten berücksichtigen. Der Offshore-Netzentwicklungsplan soll jährlich von den Übertragungsnetzbetreiber v. a. auf der Grundlage der Realisierungsfortschritte der anzubindenden Kraftwerke, der effizienten Nutzung der Anbindungskapazitäten und der geplanten Inbetriebnahme der Netzanknüpfungspunkte an Land aktualisiert werden. Der Gesetzgeber ermöglicht so erstmals eine geplante und organisierte Anbindung der Offshore-Windparks und wird damit erheblich zur Investitionssicherheit beitragen.Zu begrüßen ist auch die Möglichkeit für den Übertragungsnetzbetreiber, den verkündeten Fertigstellungstermin der Anbindung bis zu 30 Monate vorher noch zu ändern, sofern die Zustimmung der Regulierungsbehörde dazu vorliegt. Der Übertragungsnetzbetreiber kann jetzt flexibel auf neue Umstände reagieren, ohne dass der Windparkbetreiber zu große Zugeständnisse bei der Planungssicherheit machen muss.Da die Umsetzung des Offshore-Netzplans in enger Abstimmung mit dem Offshore-Windparkbetreibern erfolgt, werden diese von Planungsänderungen auch nicht überrascht. Das Risiko von Verzögerungen hat sich mit dieser Neuregelung erheblich verringert. Dies gilt umso mehr, als nach der Gesetzesbegründung die mehrfache Verschiebung des Fertigstellungstermins die Haftung des Übertragungsnetzbetreibers auslösen kann.Die Haftungsfrage wurde im Sinne der Offshore-Windparkbetreiber gelöst. Diese erhalten bei nicht vorsätzlich verursachten Unterbrechungen oder Verzögerungen der Anbindung nach einer Karenzzeit von einigen Tagen 90 % der verloren gegangen Einspeisevergütung ersetzt – vorausgesetzt, die Offshore-Anlage war betriebsbereit. Dafür müssen zumindest die Fundamente der Offshore-Anlage und die für die Offshore-Anlage vorgesehene Umspannanlage stehen. Auf Projekte, die bis zum 29.8.2012 eine unbedingte Netzanbindungszusage erhalten haben oder eine bedingte Netzanbindungszusage vorweisen können, finden ebenfalls die neuen Haftungsregelungen Anwendung, soweit die restlichen Anbindungskriterien bis zum 1.9.2012 erfüllt wurden.Die Regelungen sehen außerdem eine Deckelung der Haftung der Übertragungsnetzbetreiber pro Jahr auf 110 Mill. Euro und auf 17,5 Mill. Euro pro Schadensereignis vor, soweit sie die Verzögerung oder Störung der Anbindung nicht grob fahrlässig verursacht haben.Die Übertragungsnetzbetreiber, allen voran Tennet, haben sich damit zu Recht gegen die diskutierten, aber in Anbetracht der Renditeerwartungen für Offshore-Anbindungsleitungen überzogenen Haftungsvorstellungen durchgesetzt. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war noch eine Haftung für die fahrlässige Verursachung von Schäden bis zu 100 Mill. im Jahr vorgesehen. Die ins Gesetz aufgenommene generelle Vermutung einer groben Fahrlässigkeit des Übertragungsnetzbetreibers im Falle einer Verzögerung oder Störung der Anbindung, die dieser zu widerlegen hat, geht allerdings zu weit und wird Investitionen in Anbindungsleitungen erschweren.Alle Summen, die die Haftungshöchstgrenzen übersteigen, werden auf den Verbraucher umgelegt. Die Höchstsumme der Umlage pro Jahr ist jedoch gedeckelt, sodass ein Anstieg des Strompreises aufgrund der Umlage um deutlich mehr als 0,25 Cent pro Kilowattstunde für Verbraucher verhindert wird. Entschädigungsbeträge, die in einem Jahr durch diese Umlage nicht gedeckt werden können, werden ins darauffolgende Jahr übertragen. Die Zwischenfinanzierungskosten der Übertragungsnetzbetreiber fließen in die Umlage ein.Die Neuregelung ist zu begrüßen, da sie Investitionssicherheit für die Offshore-Windparkbetreiber schafft und die Belastungen auf Übertragungsnetzbetreiber und Verbraucher nachvollziehbar verteilt. Gelingt es, durch den Offshore-Netzentwicklungsplan die Planung und den Bau der Anbindung für alle Beteiligten vorhersehbar und verlässlich zu machen, spielt die Regelung der Haftungsfrage in Zukunft nur noch eine Rolle bei Störungen der Anbindung während des laufenden Betriebs. Diese dürften zu keiner unverhältnismäßigen Belastung der Verbraucher führen. Positive ReaktionenGenau beobachtet werden muss allerdings die Entwicklung der Finanzierung der Offshore-Anbindung. Führt insbesondere die Vermutung grob fahrlässigen Handelns des Übertragungsnetzbetreibers bei einer verspäteten Anbindung oder einer Störung zu einem Engpass bei dringend erforderlichen Investitionen in die Offshore-Anbindung, muss diese Regelung neu überdacht werden.Die ersten Reaktionen der großen Offshore-Windparkbetreiber bestätigen die positive Einschätzung der gesetzlichen Neuregelung. So hat Dong bereits kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes die Suche nach Investoren für die Windparkprojekte Gode Wind I, II und III angekündigt.Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen dürften damit der Offshore-Windindustrie zu einem Neustart verhelfen und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Ausbauziele, wenn auch mit Verzögerung, erreicht werden können.—-*) Dr. Hermann Ali Hinderer und Dr. Heiko Haller sind Partner bei Baker & McKenzie.