Niedrigzinsen bedrohen Stiftungen
Von Gerhard Bläske, Stuttgart Jeden Tag entstehen in Deutschland zwei neue Stiftungen. Mit knapp 20 000 Stiftungen des öffentlichen Rechts ist die Bundesrepublik bei Neugründungen Europameister. Die meisten Stiftungen müssen die Erfüllung ihres Stiftungszwecks aus den Erträgen ihres Vermögens sicherstellen. Das aber wird angesichts der Niedrigzinsen immer schwieriger.Laut Bundesverband Deutsche Stiftungen haben vor allem kleinere Stiftungen zunehmend Probleme, weil durch die niedrigen Zinsen die Ausschüttungen zurückgehen. Schätzungen zufolge können 15 % der Stiftungen ihren Zweck nicht mehr erfüllen, weil unter dem Strich nicht genug übrig bleibt. Um ihre Kosten zu decken, brauchen sie eine Rendite aus ihren Anlagen von mindestens 4 %, weiß Anita De Bellis, Senior Portfoliomanagerin Investments bei der Stuttgarter Südwestbank. Mehrere Stiftungen haben der schwäbischen Privatbank ein Mandat für die Anlage ihres Vermögens gegeben. Halbierte AusschüttungZwar sind die meisten Stiftungen gehalten, eine möglichst zeitnahe Mittelverwendung zur Erreichung des Stiftungszwecks zu gewährleisten. Doch um eine Dauerhaftigkeit ihres Engagements sicherzustellen, müssen sie die Gelder auch möglichst attraktiv anlegen. Dabei müssen sie darauf achten, einerseits zeitlich flexibel zu bleiben, andererseits zu große Risiken zu vermeiden und dennoch eine interessante Rendite zu erreichen. Das ist jedoch angesichts der geringen Rendite “sicherer Anlagen” wie etwa von Bundesanleihen kaum noch zu schaffen.Die Evangelische Gesellschaft (Eva) in Stuttgart verfügt über 11 Mill. Euro von 170 Stiftern und Zustiftern. Sie schüttete 2012 mit 140 000 Euro nur halb so viel aus wie in früheren Jahren. Immerhin fand sie einen Ausgleich durch höhere Spendeneinnahmen. Die Caritas-Stiftung, das sind 20 größere Treuhandstiftungen mit einem Vermögen von 25 Mill. Euro, investiert verstärkt in Sozialimmobilien, um unabhängiger von Kapitalmärkten und der Finanzkrise zu werden. Die Robert-Bosch-Stiftung, eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland, hat allein für 2011 in Form von Dividenden 73,2 Mill. Euro vom Bosch-Konzern erhalten. Dazu kamen Zinseinnahmen von 3,8 Mill. Euro. Der Großteil dieser Einnahmen wird zur Erfüllung kultureller oder sozialer Ausgaben ausgeschüttet. Die meisten Mittel werden vom Zeitpunkt der Bewilligung an komplett reserviert. Nicht abgeflossene Gelder werden angelegt. Dabei bediene man sich in Abhängigkeit von der Laufzeit verschiedener Anlageformen bei Banken, heißt es auf Anfrage. Die Zinseinnahmen seien in den letzten Jahren “nur sehr gering angestiegen”. Doch für die Bosch-Stiftung, die 92 % des Stammkapitals des Technologiekonzerns hält, sei das niedrige Zinsniveau “von untergeordneter Bedeutung, da wir unsere Fördertätigkeit im Wesentlichen nicht aus Zinserträgen, sondern aus der Dividende bestreiten, die uns aus unserer Beteiligung an der Robert Bosch GmbH zufließt”. Bei der Anlage achte man auf “hohe Sicherheit und Werterhalt”. Der Renditeaspekt sei im Vergleich dazu “nachrangig”.Einen Sonderfall in Deutschland stellt die Zeppelin-Stiftung, 1908 als Zeppelin-Stiftung des deutschen Volkes zur Förderung des Luftschiffbaus, gegründet, dar. Sie hält 93,8 % der Aktien des Autozulieferers ZF AG, ihr gehört aber auch die Zeppelin GmbH. Aus den Erträgen der beiden Unternehmen fließen ihr jährlich etwa 25 Mill. Euro zu. Über die Verwendung der Mittel entscheidet die Stadt Friedrichshafen, der die Stiftung gehört und die sie für wohltätige, aber auch für kulturelle und künstlerische Zwecke verwendet. Bislang ist die Dividendenzahlung noch nie ausgefallen, theoretisch ist dies jedoch möglich. Bei der Anlage der Mittel ist man relativ eingeschränkt: Termingelder, Schuldscheindarlehen, Pfandbriefe und Staatsanleihen sind die gängigen Anlageformen. Man profitiere davon, in der Vergangenheit Gelder längerfristig angelegt zu haben und von daher noch hohe Renditen zu erwirtschaften. Bei Neuanlagen setzt man ebenfalls auf längere Fristen. Aktive AnlagepolitikDie Südwestbank hat mehrere Mandate von Stiftungen. In ihrer Anlagepolitik setzt De Bellis auf ein “aktives professionelles Chance-Risiko-Management”. Was sie darunter versteht? Unternehmensanleihen mit klassischem Investment Grade von mindestens “BBB”, aber auch solche außerhalb des Investment Grade wie Fresenius, die höher verzinst sind, trotz des schlechteren Investment Grade aber als Dax-Unternehmen über eine tiefgreifende Kapitalstruktur und ein solides Cash-Vermögen verfügen. Dazu kämen Hybridanleihen, die in ihrer Struktur so ausgelegt sein sollen, dass sie über sehr lange Laufzeiten verfügen, aber auch kündbar seien. Als gutes Investment betrachtet sie diesbezüglich etwa Telecom Italia. Wette auf Italien-BondsAußerdem setzt De Bellis auf Staatsanleihen der Euro-Peripherie, etwa spanische oder italienische. “Allein mit Bundesanleihen oder Anleihen von Unternehmen bester Bonität ist angesichts des Niedrigzinsumfeldes kein Stiftungsvermögen aufzubauen”, sagt sie. Man müsse zum Teil kalkulierbare Risiken mit aufnehmen, wenn man überdurchschnittliche Renditen erzielen wolle. Das Szenario eines Defaults Spaniens oder Italiens hält sie für gering, und Aktien sind nach ihrer Ansicht volatiler, weshalb sie den Aktienanteil bei der Verwaltung von Stiftungsgeldern auch jetzt nicht über 25 bis 30 % erhöht hat. “Stiftungen brauchen Planbarkeit und Kalkulierbarkeit”, erklärt sie dazu.