RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTOPH VON BÜLOW

"Niemand schätzt Hängepartien in Übernahmeverfahren"

Bieter reizen Fristen selten aus - "Scheintransparenz" durch Zwischenmeldungen

"Niemand schätzt Hängepartien in Übernahmeverfahren"

– Herr Dr. von Bülow, welche gesetzlichen Vorgaben gibt es für die Laufzeit öffentlicher Angebote?Bei öffentlichen Angeboten zum Erwerb börsennotierter Aktien kann die Annahmefrist nach Wahl des Bieters zwischen vier und zehn Wochen betragen. In der Regel entscheiden sich Bieter für eine Frist zwischen sechs und acht Wochen.- Was sind die Beweggründe dafür?Einerseits muss genügend Zeit für die Vermarktung des Angebots bestehen. Auf der anderen Seite sind Bieter – auch unter Finanzierungsaspekten – interessiert, das Verfahren zügig durchzuführen. Niemand schätzt “Hängepartien”.- Kann die Annahmefrist nachträglich noch verlängert werden?Nein, im Gegensatz zur Rechtslage zum Beispiel in den Vereinigten Staaten ist dies in Deutschland nicht möglich. Allerdings verlängert sich die Annahmefrist automatisch um zwei Wochen, wenn der Bieter sein Angebot in den letzten zwei Wochen vor Ablauf der Annahmefrist ändert, also etwa den Angebotspreis erhöht oder auf bestimmte Bedingungen verzichtet. So geschah es jüngst im Fall Daimler/Tognum. Bisweilen erfolgen Angebotsänderungen aber auch nur, um eine Verlängerung der Annahmefrist zu erreichen. Letztlich wird damit oft aber nur ein grundsätzlich bestehendes Akzeptanzproblem des Angebots auf die lange Bank geschoben.- Können Bieter durch Wahl einer besonders kurzen Annahmefrist Transaktionsdruck erzeugen?Eine kurze Annahmefrist könnte zwar gerade mögliche konkurrierende Bieter unter Zugzwang setzen. Denn sie müssten ihr Angebot bis zum Ablauf der Annahmefrist des Erstbieters durch die BaFin genehmigen lassen und veröffentlichen. Jedoch kann die Zielgesellschaft eine Hauptversammlung zur Beratung über das Angebot einberufen. Geschieht dies, beträgt die Annahmefrist immer zehn Wochen.- Können Angebote noch nach Ablauf der Annahmefrist angenommen werden?Dies ist nur bei Übernahmeangeboten und auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Aktionäre können dann das Angebot noch während einer sogenannten weiteren Annahmefrist annehmen. Sie beträgt zwei Wochen und läuft ab Bekanntgabe des Ergebnisses des Angebots. Eine solche weitere Annahmefrist gab es z. B. gerade im Fall Terex/Demag Cranes.- Warum gibt es die weitere Annahmefrist?Mit dieser sogenannten Zaunkönigregelung wollte der Gesetzgeber den Aktionären der Zielgesellschaft die Möglichkeit geben, noch nach Bekanntgabe der Annahmequote auf einen gegebenenfalls bevorstehenden Kontrollerwerb des Bieters zu reagieren.- Reicht es aus, wenn eine eventuelle Mindestannahmeschwelle erst in der weiteren Annahmefrist erreicht wird?Nein. Ist bei einem Übernahmeangebot bis zum Ablauf der regulären Annahmefrist eine vom Bieter festgelegte Mindestannahmeschwelle nicht erreicht worden, ist das Angebot endgültig gescheitert. Der Bieter ist dann grundsätzlich gehindert, binnen eines Jahres erneut für die Zielgesellschaft zu bieten.- Gibt es die weitere Annahmefrist auch dann, wenn das Übernahmeangebot bis zum Ablauf der Annahmefrist nur für weniger als 30 % der Aktien angenommen wurde?Ja, sofern der Bieter keine Mindestannahmeschwelle bestimmt hat.- Was gilt bei Pflichtangeboten?Bei Pflichtangeboten, wie etwa jüngst im Fall VW/MAN, gibt es keine weitere Annahmefrist. Pflichtangebote erfolgen ja erst nach einer bereits erfolgten Kontrollerlangung. Daher sah der Gesetzgeber keine Veranlassung, den Aktionären noch nachträglich in Reaktion auf den Ausgang des Angebots den Verkauf ihrer Aktien zu ermöglichen.- Welche Informationen haben Aktionäre über die Akzeptanz des Angebots während der Annahmefrist?Bieter müssen zunächst wöchentlich und in der letzten Woche der Annahmefrist sogar täglich sogenannte “Wasserstandsmitteilungen” veröffentlichen. Darin wird über den jeweiligen Stand der Annahme des Angebots berichtet. Institutionelle Investoren entscheiden allerdings regelmäßig erst in den letzten 24 Stunden der Annahmefrist über die Annahme des Angebots. Dies kann dann nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf der Annahmefrist an den Markt kommuniziert werden. Die “Wasserstandsmitteilungen” gewähren daher nur eine Scheintransparenz.—-Dr. Christoph von Bülow ist Partner im Frankfurter Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.