RECHT UND KAPITALMARKT - KANZLEIEN IM GESPRÄCH

Noerr will sich stärker in der Marktspitze verankern

Fokus auf qualitatives Wachstum - Applaus der Partner für Latham-Coup

Noerr will sich stärker in der Marktspitze verankern

Von Helmut Kipp, FrankfurtMit den vier Equity-Partnern, die von Latham & Watkins gekommen sind, will die Anwaltssozietät Noerr stärker im Geschäft mit großen deutschen und internationalen Konzernen wachsen. “Wir wollen uns noch mehr in der Marktspitze verankern”, kündigt Co-Sprecher Alexander Ritvay, der zusammen mit Torsten Fett die Kanzlei leitet, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung an. Seit Mitte Oktober ist das Team aus Harald Selzner, Martin Neuhaus, Natalie Daghles und Rainer Wilke bei Noerr an Bord. Es habe bereits “herausragende Mandate” bearbeitet wie für den Bund das Stabilisierungspaket für den Touristikkonzern TUI.In der Anwaltsszene gilt der Wechsel der renommierten M&A-Berater als Paukenschlag. “Die ganze Partnerschaft steht hinter der Hereinnahme der vier Partner”, versichert Ritvay. Die Entscheidung sei einvernehmlich gefallen und mit Applaus bedacht worden. Die vier Neuzugänge fänden sich im Vergütungssystem ganz normal wieder: “Wir haben dafür kein Extra-Geld in die Hand genommen.”Für Co-Sprecher Fett ist die personelle Verstärkung die logische Weiterentwicklung der unlängst abgeschlossenen Strategiediskussion. Der Fokus liege auf einem auf Qualität ausgerichteten Wachstum. Ein Element dieser Strategie sei, geeignete Verstärkung zu holen. Just am Ende des Diskussionsprozesses habe die Opportunität bestanden, das Latham-Team an Bord zu nehmen: “Das ist ein Perfect Fit.”Das vergangene Jahr sei trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gut gelaufen, versichern die Managing Partner. Umsatz und Mitarbeiterzahl seien gestiegen: “Wir liegen im Plan und zum Teil darüber.” 2019 kam die Kanzlei auf 252,4 Mill. Euro Umsatz.Noerr berate im Highend-Bereich, also bei komplexen und für Mandanten bedeutenden Problemstellungen, erläutert Ritvay. Hier sei die Nachfrage ungebrochen. In einzelnen Bereichen habe es Schwankungen gegeben, etwa weil M&A-Transaktionen und Börsengänge verschoben wurden. Auf Jahressicht habe sich das aber nivelliert. Eine verstärkte Nachfrage registriert die Kanzlei in den Rechtsgebieten Regulierung, Arbeitsrecht, digitale Transformation, Konzernrecht, Litigation (große Rechtsstreitigkeiten) und Refinanzierung. Feste MandatsbeziehungenFür 2021 wird weiteres Wachstum erwartet. “Wir gehen zuversichtlich in das neue Jahr”, heißt es. Die Sprecher erwarten, dass es mehr Distressed-M&A-Geschäft geben wird, also Übernahmen von Unternehmen, die in der Krise stecken. Auch könne es verstärkt zur Abtrennung von Konzernteilen kommen. Gerade in der Pandemie profitiere die Kanzlei, die jetzt als Partnerschaftsgesellschaft mbH (bisher als LLP nach britischem Recht) firmiert, von ihren gewachsenen, festen Mandatsbeziehungen. “In solch einer Situation greifen Mandanten auf Bewährtes zurück”, sagt Fett, der seit Anfang 2019 das Sprecher-Duo mit Ritvay bildet. Rechtsberatung sei zwar ein personenbezogenes Geschäft, doch hätten Anwälte und Mandanten sich schnell darauf eingestellt, dass persönliche Treffen nicht oder nur eingeschränkt möglich seien. “Das flexible Arbeiten tut der Qualität und der Leistungsfähigkeit keinen Abbruch”, versichert Fett. Diese Erfahrung wolle Noerr nutzen, um eine agile Arbeitskultur zu schaffen: “Das hat was Revolutionäres. Der Anwalt sitzt nicht mehr im Einzelbüro mit Diktiergerät und Papierbergen links und rechts, sondern arbeitet digital und flexibel.”Neue Büros plant Noerr derzeit nicht. “Wir wollen nicht geografisch expandieren, nur geschäftlich”, sagt Ritvay. Derzeit hat die Kanzlei 16 Niederlassungen. Das Geschäft konzentriert sich stark auf Deutschland; das Ausland, also Mittel- und Osteuropa, trug 2019 etwa 8 % zum Umsatz bei. “Natürlich werden wir als vorwiegend deutsche Kanzlei wahrgenommen”, sagt Ritvay.”Aber wir sind auch international sehr aktiv, etwa in den USA, Südamerika und Asien.” Noerr arbeite dann jeweils mit Top-Kanzleien zusammen. An dem Konzept, vor allem aus sich selbst heraus zu wachsen, will Noerr festhalten. “Die Strategie ist, die eigenen Talente in die Partnerschaft hinein zu entwickeln”, sagt Fett. “Diesen Ansatz werden wir weiterverfolgen.” Quereinstiege habe es immer gegeben, aber eher klein und punktuell, so dass die Einstellung der Latham-Partner schon außergewöhnlich sei. “Falls sich künftig abermals solche Chancen ergeben, sind wir dafür offen. Das gilt insbesondere für den Finanzplatz Frankfurt.”