RECHT UND KAPITALMARKT

Offenlegungspflicht für Aktienderivate naht

Bestandsmitteilungen zum 1. Februar 2012 - Bereichsausnahmen erforderlich - Unklarheiten und Regelungslücken

Offenlegungspflicht für Aktienderivate naht

Von Christoph von Bülow und Michael Herwig *)Am 1. Februar 2012 treten erweiterte Mitteilungspflichten für unmittelbare oder wirtschaftliche Beteiligungen an deutschen börsennotierten Unternehmen in Kraft. Die Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG erfasst ab diesem Zeitpunkt auch Lieferansprüche aus Wertpapierleih- und Repogeschäften. Nach der neu in das Wertpapierhandelsgesetz eingefügten Vorschrift des § 25a WpHG können dann beispielsweise auch Aktienderivatgeschäfte, die ausschließlich zum Barausgleich berechtigen, sowie Stillhalterpositionen bei Put-Optionen offenlegungspflichtig sein. Rechtsverordnung überfälligDer Anwendungsbereich des neuen § 25a WpHG ist außerordentlich weit gefasst. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass dies zu einem Information Overload oder sogar irreführenden Mitteilungen zu wesentlichen Beteiligungen führen kann. Er hatte daher die Verwaltung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Rückausnahmen von der Mitteilungspflicht festzulegen. Ausdrücklich genannt wurden beispielsweise Positionen im Handelsbestand von Wertpapierdienstleistungsinstituten sowie Kontrakte, die von diesen lediglich im Zusammenhang mit Kundengeschäften oder nur vorübergehend zur Abrechnung und Abwicklung von Geschäften gehalten werden.Allerdings ist bis heute kein Entwurf einer entsprechenden Rechtsverordnung konsultiert worden. Wegen der großen praktischen Bedeutung und Komplexität der erforderlichen Ausnahmeregelungen wäre es wünschenswert, wenn dies nunmehr unverzüglich erfolgen würde. Schließlich müssen die Marktteilnehmer rechtzeitig vor Inkrafttreten des § 25a WpHG Klarheit über den Umfang ihrer Mitteilungspflichten haben. Deshalb hatte sich der Gesetzgeber entschlossen, die bereits im Frühjahr 2011 beschlossene Gesetzesänderung erst im Frühjahr 2012 wirksam werden zu lassen. Diese Intention würde konterkariert, wenn sich der Erlass der Rechtsverordnung weiter verzögert.Um Transparenz auch hinsichtlich bereits bestehender Positionen zu erreichen, müssen Bestandsmitteilungen zum 1. Februar 2012 abgegeben werden. Dies gilt allerdings nicht für alle Positionen, die ab diesem Zeitpunkt erstmals mitteilungspflichtig sein können. Nur Altbestände, die unter den neu in das Gesetz aufgenommenen § 25a WpHG fallen, sind bei Erreichen der Eingangsschwelle von 5 % offenzulegen.Aber auch insoweit hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Bestandsmitteilung enger gefasst als die die fortlaufende Mitteilungspflicht regelnde Norm des § 25a WpHG. Im Gegensatz zu jener Vorschrift erfasst der für die Bestandsmitteilung maßgebliche § 41 Abs. 4d WpHG nicht lediglich “mittelbar”, also beispielsweise von Tochterunternehmen gehaltene Positionen.Festzustellen ist ferner, dass § 25a WpHG auch Geschäfte erfasst, bei denen nicht dem Berechtigten, sondern einem Dritten der Aktienerwerb ermöglicht wird. Eine korrespondierende Erweiterung des Tatbestands im Rahmen der Pflicht zur Bestandsmitteilung fehlt. Dass diese Diskrepanzen gesetzgeberisch beabsichtigt waren, darf bezweifelt werden. Sie führen zu Erfassungslücken und stehen dem gesetzgeberischen Ziel entgegen, den Markt über noch im Vorfeld der Gesetzesänderung aufgebaute größere Positionen zu informieren.Ungleich schwerer wiegt jedoch, dass eine Pflicht zur Abgabe einer Bestandsmitteilung nur denjenigen trifft, der am Stichtag 1. Februar 2012 Rechte hält, die in den Anwendungsbereich des neu eingeführten § 25a WpHG fallen. Hingegen müssen Positionen, die ab diesem Zeitpunkt erstmals unter den erweiterten Tatbestand des § 25 WpHG fallen, nicht stichtagsbezogen offengelegt werden. Eine umfassende Offenlegung relevanter Altbestände ist somit nicht gewährleistet. Vielmehr ist es möglich, auch noch nach dem 1. Februar 2012 verdeckt wesentliche Positionen in Bezug auf börsennotierte Aktien deutscher Gesellschaften zu halten. Dies gilt insbesondere für Rechte aus Wertpapierleihgeschäften, die bislang oftmals zur Umsetzung eines verdeckten Beteiligungsaufbaus eingesetzt wurden.Nach einhelliger, auch von derBaFin in ihrem Emittentenleitfaden geteilter Auffassung sind Rücklieferungsansprüche aus solchen Geschäften nach gegenwärtig geltendem Recht nicht offenlegungspflichtig. Dies wird sich zwar zum 1. Februar 2012 auf Grund einer entsprechenden Erweiterung des § 25 WpHG ändern. Da Wertpapierleihen und Repo-Geschäfte jedoch nicht von dem neu in Kraft tretenden § 25a WpHG erfasst sind, muss für diese auch keine Bestandsmitteilung abgegeben werden. GestaltungsspielräumeDie gesetzliche Regelung eröffnet somit sogar Gestaltungsspielräume, die noch vor dem 1. Februar 2012 genutzt werden können. Hält jemand beispielsweise gegenwärtig eine synthetische Aktienposition in Form eines Total Return Equity Swaps, könnte deren Offenlegung dadurch vermieden werden, dass diese aufgelöst und durch eine physische Beteiligung ersetzt wird. Werden die im Zuge dessen erworbenen Aktien unmittelbar weiterverliehen, wäre für diese Position auf keinen Fall eine Bestandsmitteilung abzugeben, wenn der Mitteilungspflichtige nicht parallel dazu noch unter § 25a WpHG fallende Geschäfte hält. Eine Mitteilungspflicht würde vielmehr erst dann entstehen, wenn nachfolgend eine schwellenrelevante Positionserhöhung erfolgt.Unklar ist noch immer, ob auch gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorkaufs-, Vorerwerbs- und Mitveräußerungsrechte bzw. -pflichten unter den neu in Kraft tretenden § 25a WpHG fallen und deshalb ggf. zum Stichtag 1. Februar 2012 offengelegt werden müssen. Wäre dies der Fall, müssten zum Beispiel bestehende Poolverträge auf entsprechende Regelungen durchgesehen werden.Gegen ein entsprechend weites Verständnis der Norm spricht zwar, dass solche Regelungen zwischen koordiniert agierenden Aktionären langfristiger Natur und marktüblich sind, während der Gesetzgeber mit dem neuen § 25a WpHG das gezielte “Anschleichen” an börsennotierte Unternehmen ausschließen wollte. Angesichts des sehr weit gefassten Gesetzeswortlauts verbleiben insoweit jedoch Unsicherheiten. Diese sollten durch Aufnahme einer entsprechenden Bereichsausnahme in die anstehende Rechtsverordnung beseitigt werden.Bestandsmitteilungen müssen unverzüglich, spätestens binnen 30 Handelstagen nach dem 1. Februar 2012 abgegeben werden. Die Verletzung der Pflicht kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden, führt jedoch nicht zu einem Rechtsverlust aus den betreffenden Aktien. Ein Handel in Aktien des Emittenten trotz unterlassener Bestandsmitteilung kann ein verbotenes Insidergeschäft darstellen. Wird eine Bestandsmitteilung bewusst zur Verheimlichung einer bestehenden Position nicht abgegeben, legt dies den Verdacht marktmanipulativen Handelns nahe.Die Komplexität des erweiterten Mitteilungsregimes erfordert es, rechtzeitig vor dem 1. Februar 2012 durch unternehmensinterne Nachforschungen relevante Positionen bzw. Rechte zu identifizieren und ggf. erforderliche Bestandsmitteilungen vorzubereiten. Daran ändert auch nichts, dass die EU-Kommission Ende Oktober 2011 Vorschläge zur Änderung der Transparenzrichtlinie vorgelegt hat, die die Pflichten zur Offenlegung wesentlicher Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften erneut ändern werden.Zur Vereinheitlichung der Rechtslage in der EU sollen die Mitgliedstaaten zukünftig an einer Überumsetzung gehindert werden. Nur niedrigere Schwellenwerte sollen noch zulässig sein. Da die am 1. Februar 2012 in Kraft tretenden Regelungen teilweise weit über das hinausgehen, was somit schon bald europaweit verbindlich gelten dürfte, könnten die jetzt abzugebenden Mitteilungen schon bald wieder Makulatur sein. Das Kapitalmarktrecht bleibt im Fluss.—-*) Dr. Christoph von Bülow ist Partner, Michael Herwig Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.