RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HARALD GLANDER UND DANIEL LÜHMANN

Offenlegungsverordnung soll Transparenz schaffen

EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem - Umsetzung erst am Anfang

Offenlegungsverordnung soll Transparenz schaffen

Herr Glander, Herr Lühmann, Assetmanager müssen sich auf das Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung als Teil des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzsystem vorbereiten. Wer sind die Adressaten?Glander: Die Offenlegungsverordnung richtet sich an alle Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Adressaten sind regulierte Unternehmen wie AIF- und OGAW-Verwaltungsgesellschaften, Banken und Finanzdienstleistungsinstitute. Diese Unternehmen müssen einige der Offenlegungspflichten selbst dann beachten, wenn sie keine nachhaltigen Finanzprodukte herstellen oder vertreiben. Welche Ziele strebt die EU mit der Offenlegungsverordnung an?Lühmann: Die EU verfolgt das Ziel, dass Nachhaltigkeitsrisiken und die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen Eingang in die Investitionsentscheidungs- oder Anlageberatungsprozesse der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater finden. Damit steht die Verordnung im Zusammenhang mit den ambitionierten Klimaschutzzielen der EU, für deren Erreichen privates Kapital in nachhaltige Investments umgelenkt werden soll. Durch die Pflicht, Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken und nachteiligen Auswirkungen zu veröffentlichen, werden die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater dazu bewegt, die notwendige Transparenz für eine fundierte Investitionsentscheidung der Investoren herzustellen. Welche Informationen müssen künftig geliefert werden?Lühmann: Die Verordnung verpflichtet Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, unternehmensbezogene Informationen auf der Webseite zu veröffentlichen. So müssen sie Angaben zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei der Investitionsentscheidung und in der Anlageberatung veröffentlichen. Berücksichtigen sie zudem nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren im Investitionsentscheidungs- oder Anlageberatungsprozess, müssen sie grundsätzlich eine Erklärung über den Umgang mit diesen Auswirkungen veröffentlichen. Schließlich müssen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Informationen bekanntmachen, inwiefern ihre Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht.Glander: Finanzmarktteilnehmer müssen zudem in Bezug auf Finanzprodukte nachhaltigkeitsbezogene Informationen in den vorvertraglichen Informationen veröffentlichen. Entsprechende Erläuterungen sind gegenüber den Kunden vor Erbringung der Dienstleistungen Anlageberatung und Portfoliomanagement abzugeben. Der Umfang der produktbezogenen Informationen erweitert sich, wenn ein Finanzprodukt ESG-Merkmale fördern soll oder eine nachhaltige Investition als “Impact Investment” angestrebt wird. So müssen Kapitalverwaltungsgesellschaften in Verkaufsprospekten entsprechende Änderungen vornehmen. Wie weit sind die Betroffenen in der Branche mit der Umsetzung der neuen Vorgaben?Glander: Die Offenlegungsverordnung wurde am 9.12.2019 veröffentlicht und ist ab dem 10.3.2021 für die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater anwendbar. Die Konkretisierung der neu eingeführten Pflichten erfolgt durch Level-2-Maßnahmen, welche bis zum 30.12.2020 im Entwurf vorzulegen sind. Die zur Offenlegung verpflichteten Unternehmen stehen daher erst am Anfang dieses Prozesses. Welche Folgen drohen, wenn die neuen Offenlegungspflichten nicht eingehalten werden?Lühmann: Die Offenlegungsverordnung selbst sieht keine Rechtsfolgen für einen Verstoß gegen die Offenlegungspflichten vor. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass nach deutschem Recht entsprechende Ordnungswidrigkeitsvorschriften einschlägig sein werden.Glander: In der Praxis wesentlich bedeutender dürften die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Offenlegungspflichten sein. Wenn Investoren nicht oder nur fehlerhaft informiert werden, kann ein Schadenersatzanspruch gegen das zur Offenlegung verpflichtete Unternehmen entstehen. Die Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass die offenzulegenden Informationen akkurat sind und ihre Mitarbeiter im Umgang mit den neuen Pflichten geschult werden. Dr. Harald Glander und Daniel Lühmann sind Kapitalmarktrechtsexperten im Frankfurter Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.