Pensionkassen müssen sich nach der Decke strecken
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt Die deutschen Pensionskassen haben auf die schwierigen Zeiten mit taktischen Anpassungen in ihrer Asset-Verteilung reagiert. Sie schichteten Mittel in Liquidität um, bauten ihre Bestände in Immobilien aus oder reduzierten zum Teil drastisch ihre Aktienengagements. Ihre grundsätzliche Anlagestrategie stellen sie wegen der Finanzkrise jedoch nicht auf den Prüfstand.”Das wäre auch bedenklich, wenn wir die Strategie hätten ändern müssen, dann hätten wir schließlich grundsätzlich etwas verkehrt gemacht”, erläutert Rainer Jakubowski, Vorstandsmitglied beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes. Schließlich sei das Ziel einer Pensionkasse, ihre Strategie an der Verpflichtungsseite zu orientieren, nämlich eine Mindestverzinsung für die Rentenanwärter zu erreichen. Diese liegt beim BVV bei 4 %. Deutschlands größte Pensionskasse verwaltet 20 Mrd. Euro. In diesem Jahr fällt es ihr jedoch schwer, die Mindestrendite zu erreichen. Die aktuelle Rendite mag Jakubowski nicht nennen. “Alle mit großen Vermögen müssen in diesem Jahr kämpfen, immerhin gibt es bei uns keine subprime-bedingten Abschreibungen”, hebt er hervor. Er ist aber zuversichtlich, das Mindestziel zu erreichen. Im zurückliegenden Jahr hatte der BVV 5,6 % Rendite erwirtschaftet. Die in den vergangenen Monaten getätigten Umschichtungen seien nur zum Teil Reaktionen auf die Finanzkrise gewesen. “Wir haben schon vor dem Ausbruch der Krise im vergangenen Jahr begonnen, die Aktienquote zu reduzieren, in Schritten von jeweils mehreren hundert Mill. Euro”, so der BVV-Vorstand. Zunächst habe die Pensionkasse sich mit Put-Optionen abgesichert. Diese sicherten etwa für den Euro Stoxx 50 ein Niveau ab, das 30 % über dem jetzigen Bereich liegt. Aktien drastisch gekappt Ab dem Spätherbst 2007 seien dann auch physisch Aktien abgebaut worden – im drastischen Umfang. Abzüglich der Derivate liegt die aktuelle Quote derzeit nur noch bei knapp über 0 %. In der Vergangenheit hatte der BVV eine Quote von bis zu 12 % Aktien ausgewiesen. Eine weitere Anpassung an die schwache Marktverfassung war das Umschichten von indirekten in direkte Anleihebestände. “Die Rentenfonds brachten eine zu schwache Performance”, sagt Jakubowski. Selektiv habe der BVV dafür Bankenanleihen gekauft, um auf mittlere und längere Sicht die Ertragskraft des Portfolios zu stärken. “Denn in Krisen gilt es, Chancen zu wahren und nicht verschüchtert in der Ecke zu sitzen.” Chancen bei HedgefondsIn Kürze soll auch die Hedgefonds-Quote, die zuletzt rund 0,6 % betrug, auf 2 % ausgeweitet werden. Dort böten sich interessante Chancen auf Sicht von ein bis zwei Jahren, meint Jakubowski. Etwa in den Fällen, in denen Hedgefonds zu Sonderangebotspreisen Bankenkredite aufgekauft hätten. Ungewohnt sei für den BVV – und das gilt für alle Pensionkassen – der hohe Bestand in liquiden Papieren. Mit dem Aufbau kurzfristiger Engagements reagierten jedoch viele Pensionkassen auf die Marktturbulenzen. So auch die Nestlé Pensionkasse. “Wir hatten die kurzfristigen Rentenpapiere aber schon vorher hochgefahren, weil wir mit steigenden Zinsen gerechnet hatten”, berichtet Vorstandsmitglied Peter Hadasch. Er ist zugleich auch Vorsitzender des Verbandes der Firmenpensionskassen (VFPK). Derzeit lägen rund 5 % der Nestlé-Kasse in den Kurzläufern. Risiko reduziertAnsonsten sei auch bei der Nestlé Pensionskasse die grundsätzliche Anlagestrategie wegen der Krise nicht geändert worden. Sie werde nur alle vier bis fünf Jahre angepasst. Aus taktischen Gründen sei aber der im Vergleich zu anderen Kassen relativ hohe Risikoanteil durch die Vorgabe eines 30-prozentigen Aktienanteils leicht auf 25 % reduziert worden. “Darunter soll die Quote jedoch nicht fallen, daher haben wir in schwachen Marktphasen regelmäßig eingekauft”, so Hadasch. Auch bei Renten gibt sich die Kasse, die 1,2 Mrd. Euro verwaltet, zurückhaltender. Demgegenüber fuhr Nestlé die Immobilienquote hoch, um die Schwankungen der anderen Marktsegmente auszutarieren. “Derzeit diskutieren wir auch darüber, ob wir neben den direkten Engagements auch im geringen Umfang in Immobilienfonds einsteigen”, sagt Hadasch. Dadurch soll die einseitige deutsche Ausrichtung bei den Gebäuden auch etwas europäisiert werden. Die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland erlauben den Pensionkassen eine Immobilienquote von bis zu 25 %. USA im AugeAngesichts des niedrigen Kursniveaus in den Vereinigten Staaten denkt Hadasch derzeit auch darüber nach, die Aktienbestände in den USA wieder auszubauen. Derzeit ist die Kasse mit 12,7 % dort deutlich untergewichtet, normal sind bei einer globalen Normalgewichtung 40 %. Zwei Drittel der Papiere sind derzeit in der Eurozone angesiedelt, 5,6 % im restlichen Europa. 1,6 % liegen in japanischen Aktien, 2,4 % in den Schwellenländern, 0,2 % im pazifischen Raum und 0,1 % in Nordamerika. Das Hedgefonds-Engagement hat Hadasch bei etwa 5 % stabil gehalten. Prinzipiell liebäugelt er auch mit Private-Equity-Anlagen. “Dies würde ich gerne zu Lasten der Aktien aufbauen, doch aus steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Gründen ist das bei der Pensionskasse leider nicht möglich.”Trotz der Anpassungen wird es nach Aussagen von Hadasch in diesem Jahr eng werden, das Mindestrenditeziel von 5 % zu erreichen. Dafür müssten voraussichtlich Reserven aufgelöst werden. “Aber wir müssen die Finanzkrise aussitzen, weil wir keine Alternativen sehen.” Dafür sieht Hadasch die Kasse breit genug aufgestellt. Renten übergewichtetMit einer taktischen Übergewichtung der festverzinslichen Wertpapiere (50,8 % statt 41,5 %) reagierte die Pensionskasse der Wacker Chemie auf die Marktverwerfungen. Auch hier gab es nach Angaben eines Sprechers keine grundsätzlichen strategischen Änderungen. Im Dezember fände jedoch turnusmäßig eine Überprüfung der grundsätzlichen Aufteilung statt. In der Diskussion sei, neu in die Assetklasse “Infrastruktur” einzusteigen. “Dies wäre eine gute Ergänzung für unser Portfolio, weil es hier attraktive Renditen gibt”, so der Sprecher.Die Aktienquote wurde in den vergangenen Monaten auf 15,8 % gegenüber der strategischen Vorgabe von 20 % reduziert. Zugleich ist die Kasse, die 1,2 Mrd. Euro verwaltet, aktuell auch bei Anlagen im Absolute-Return-Bereich untergewichtet. Statt eines Anteils von 6,5 % sind wegen der mageren, nicht gehaltenen Renditeversprechen nur 2,9 % der Mittel hier investiert. Die Wacker-Kasse hatte 2007, um die vorgegebene Buchrendite von 6,3 % zu erreichen, erstmals seit 2002 wieder stille Reserven auflösen müssen, weil nur eine Marktrendite von 3,3 % erreicht worden war. Die bislang erreichte Rendite für dieses Jahr will Wacker nicht nennen. “Wir berichten unterjährig weder über Performance noch über die Entwicklung des verwalteten Vermögens”, begründet der Sprecher diese Haltung.Angesichts strenger regulatorischer Vorgaben sind die deutschen Pensionskassen damit im internationalen Vergleich aber sehr konservativ aufgestellt. Die 15 Verbandsmitglieder des VFPK, die mehr als 3 300 Trägerunternehmen repräsentieren und etwa 39 Mrd. Euro verwalten, halten im Schnitt knapp 45 % in Darlehen und Schuldscheinforderungen, 27 % in Aktien oder Aktienfonds, 18 % in Renten, 6 % in Immobilien und 2 % in sonstigen Anlageformen. Dabei konzentrieren sich die deutschen Kassen sehr auf den europäischen Raum. Mit ihrer Strategie erreichten sie in den vergangenen Jahren im Schnitt eine Nettoverzinsung von 5,21 %. Internationaler Vergleich Schweizer Pensionsfonds investieren dagegen zum Beispiel 22 % in Immobilien. Der mit 239 Mrd. Dollar größte US-Pensionsfonds Calpers reduziert derzeit seine Aktien, um sein Engagement in notleidenden Krediten um 2,3 Mrd. Dollar auszuweiten. Allerdings lag der Fonds zum Halbjahr 2,4 % im Minus bei einer Vorgabe von mindestens 7,75 %. Dies war für das US-Schlachtschiff der erste Verlust beim Anlageergebnis seit 2002. Ein Gewinn von 19,6 % bei alternativen Investments reichte nicht aus, um Kursverluste von 10,7 % bei Aktien aufzufangen.Der niederländische ABP – mit 240 Mrd. Euro der größte europäische Pensionsfonds, der zum Halbjahr 5,1 % schwächer abschnitt – verwaltet seine Mittel zunehmend passiv, in dem er auf börsengehandelte Indexfonds (ETF) setzt. Je 5 % stecken die Niederländer in Hedgefonds und Beteiligungsfirmen, ein Drittel in Aktien, 17 % in Staatsanleihen, 23 % in Unternehmensbonds, 3 % in Rohstoffe, 9 % in Immobilien sowie den Rest in Wandelanleihen, Infrastruktur und innovative Anlagen wie Musikrechte.