ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Pensionsfonds sollten immer in Bewegung bleiben

Börsen-Zeitung, 6.12.2011 Die Vermögensallokation ist die wichtigste Einflussgröße für das Portfoliorisiko und die Erträge eines Multi-Asset-Fonds. Das bestätigen umfangreiche Forschungsdaten aus den vergangenen 20 Jahren. In diesem Zeitraum...

Pensionsfonds sollten immer in Bewegung bleiben

Die Vermögensallokation ist die wichtigste Einflussgröße für das Portfoliorisiko und die Erträge eines Multi-Asset-Fonds. Das bestätigen umfangreiche Forschungsdaten aus den vergangenen 20 Jahren. In diesem Zeitraum durchgeführte Studien kamen wiederholt zu dem Ergebnis, dass die strategische Gewichtung von maßgeblicher Bedeutung für die Portfoliorendite ist. Daher sollte man eigentlich annehmen, dass Vermögensallokation ganz oben auf der Prioritätenliste von Pensionsfondsmanagern und -beratern steht.Nach meiner Erfahrung ist häufig jedoch das genaue Gegenteil der Fall: Es wird viel Aufwand mit sogenannten “Beauty Parades” betrieben, und Investmentsitzungen werden von Diskussionen über relative Performance versus Benchmarks oder die Gründe für konkrete Über- oder Untergewichtungen bestimmt. Im Gegensatz dazu finden Diskussionen darüber, ob der strategische Mix im Lichte der jeweils aktuellen Marktereignisse überhaupt noch sinnvoll ist oder die Anlageentscheidungen angepasst werden müssen, nicht sehr häufig statt. Zwei BeispielrechnungenErst wenn ein deutlicher Markteinbruch die absoluten Erträge ins Rampenlicht rückt, wird diesem Aspekt mehr Bedeutung beigemessen. Um die Bedeutung der Vermögensallokation zu verdeutlichen, hat Aviva Investors eine Analyse durchgeführt, welche die Erträge eines dynamischen Portfolios mit denen eines eher statischen Portfolios vergleicht.Zu diesem Zweck wurden zwei hypothetische Portfolios zusammengestellt, die in der Gewichtung der Vermögensklassen dem Investitionsverhalten des durchschnittlichen britischen Pensionsfonds zu Beginn des Jahres 2001 nachempfunden wurden (71 % Aktien, 20 % Anleihen, 4 % Liquidität und 5 % Immobilien). Rückwirkend für die vergangenen zehn Jahre wurde für eines der beiden Portfolios ein dynamisches Management unterstellt – das heißt, es fand vierteljährlich eine zukunftsorientierte Prüfung der Vermögensallokation statt, in deren Rahmen die Gewichtung entsprechend der sich ändernden Rendite-, Risiko- und Korrelationsfaktoren angepasst wurde.Das zweite Portfolio wurde dagegen eher statisch verwaltet, Umschichtungen fanden hierbei nur alle zwölf Monate, entsprechend dem Turnus des durchschnittlichen britischen Pensionsfonds, statt.Das Ergebnis spricht für sich selbst: Die Rendite des dynamischen Portfolios übertraf die des statisch verwalteten während des gesamten Untersuchungszeitraums um bis zu 3,5 % pro Jahr. Darüber hinaus trug die dynamische Umschichtung dazu bei, die Gesamtvolatilität des Portfolios zu reduzieren, und begrenzte zudem das Verlustrisiko, wie sich am Maximalverlust innerhalb eines Quartals ablesen lässt, der etwa 4 % unter dem des statischen Portfolios lag. Optimale GewichtungenWeiterhin zeigt die Analyse, dass zukunftsorientierte Modelle einen Beitrag zur Bestimmung der optimalen Vermögensallokation leisten können. Nach der modernen Portfoliotheorie ergibt sich die optimale Portfoliogewichtung für ein bestimmtes Maß an Risikotoleranz aus drei Faktoren: der voraussichtlichen Rendite der verschiedenen Vermögensklassen über den Anlagehorizont, das mit diesen voraussichtlich verbundene Risiko und die Stärke der Wechselbeziehung zwischen diesen Faktoren.Obwohl alle drei Faktoren eine wichtige Rolle bei der Zusammenstellung optimaler Portfolios spielen, zeigen wissenschaftliche Studien doch, dass Renditeschätzungen bei Weitem die wichtigste Stellschraube für eine optimale Allokation sind.*)Dennoch verlassen sich viele der von Investoren verwendeten Modelle zur Portfoliooptimierung noch immer auf historische Ertragsdaten als die beste Schätzgröße für künftige Erträge – trotz der inzwischen überwältigenden Argumente gegen einen solchen Ansatz. Tatsächlich wird dieses vergangenheitsbezogene Verfahren immer noch von einigen Pensionskassen genutzt, die den strategischen Mix nur alle drei Jahre zusammen mit der versicherungsmathematischen Bewertung ihrer Verbindlichkeiten überprüfen. Bei diesem Ansatz werden Umschichtungen zwischen zwei Überprüfungen lediglich vorgenommen, um die für die einzelnen Asset-Klassen festgelegten Zielgewichtungen bis zum nächsten Termin konstant zu halten. Aktuelle Daten nutzenAnstatt also einfach historische Ertragszahlen hochzurechnen, wurden in unserer Analyse für das dynamische Portfolio aktuelle Messgrößen genutzt wie beispielsweise Kurs-Gewinn-Verhältnisse oder Dividendenrenditen (Aktien), das Verhältnis von Objektpreisen zu Mieterträgen (Immobilien), Rückzahlungsrenditen (Anleihen) und Kaufkraftparitäten (Devisen), um die Renditen der betreffenden Vermögensklassen zu prognostizieren und entsprechende Anpassungen in der Allokation vorzuschlagen.So erreichte das dynamische Portfolio im Anschluss an eine scharfe Marktkorrektur 2002 seine höchste Allokation in Aktien (64 %) Bis 2008 waren Aktien dann allerdings im Vergleich zu anderen risikoreichen Assets teuer geworden. Ihr Anteil wurde infolgedessen auf einen Tiefstand von 44 % reduziert. Während der durchschnittliche britische Pensionsfonds den Aktienanteil insgesamt auf einem ähnlichen Niveau hielt, konnte das dynamische Portfolio seine Performance erheblich verbessern, indem der sogenannte “Home Bias” verringert und entsprechend in ausländische Aktien diversifiziert wurde.Der Fokus lag dabei auf wachstumsstarken Regionen im asiatisch-pazifischen Raum sowie weiteren Schwellenländern. Auch die optimale Gewichtung festverzinslicher Anlagen variierte im Laufe der Zeit in Abhängigkeit von Renditeveränderungen und der relativen Attraktivität des britischen Pfunds im Vergleich mit anderen Währungen. Als das Pfund in den Jahren 2006/2007 überbewertet war, wurden im Portfolio ausländische Anlagen gegenüber inländischen übergewichtet. Diese Übergewichtung wurde später drastisch zurückgefahren, als das britische Pfund im Zuge der beispiellosen geldpolitischen Konjunkturmaßnahmen, die infolge der Finanzkrise umgesetzt wurden, erheblich abwertete.Auch die Gewichtung von Immobilien folgte einem antizyklischen Muster: Als die prognostizierten Erträge 2007 zunehmend durch niedrigere Mietrenditen und überzogene Bewertungen belastet wurden, sank der Anteil dieser Vermögensklasse am Portfolio. Dynamisch steuernKein Zweifel: Der Markt bietet ausreichend Indikatoren für zu erwartende Erträge in verschiedenen Vermögensklassen. Diese können dazu genutzt werden, Verschiebungen im Asset-Mix dynamisch zu steuern. Da die meisten dieser Indikatoren sich jedoch binnen kurzer Zeit relativ deutlich verändern können, sollten Vermögensverwalter die Allokation ihres Portfolios mindestens alle sechs Monate überprüfen. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Marktturbulenzen wichtig.Der Nutzen einer dynamischen Strategie der Vermögensallokation ist bedeutend und dürfte sich bei korrekter und systematischer Anwendung stärker positiv auf die langfristige Ertragsentwicklung auswirken als beispielsweise die Managerwahl. Anleger sollten daher vor der Methode nicht zurückschrecken.—-*) V. K. Chopra / W. T. Ziemba, The Effect of Errors in Means, Variances and Covariances on Optimal Portfolio Choice, Journal of Portfolio Management, Winter 1993