Finanzen persönlich

Pflege-Zusatzversicherung schützt vor einem Finanzdesaster

Wahl zwischen festen Tagessätzen und Übernahme der tatsächlichen Kosten - Großes Angebot - Pflege-Pflichtversicherung im Ernstfall unzureichend

Pflege-Zusatzversicherung schützt vor einem Finanzdesaster

Von Ellen Bocquel Die Regierungsparteien streiten über die Finanzierung der Pflegereform, die 2008 in Kraft treten soll. Unterdessen kämpfen die Bundesbürger gegen eine schwer zu bewältigende Pflegekostenlawine an. Trotzdem sind sie sich der Dramatik des Themas Pflegerisiko selten bewusst. Die Situation ist an Brisanz kaum zu überbieten: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt von Jahr zu Jahr in immer größeren Schüben – zuletzt um 2,5 % auf derzeit mehr als 2,1 Millionen offiziell registrierte Pflegefälle; gleichzeitig erhöhen sich die Pflegekosten pro Fall. Keine Anhebung seit 1995Die Leistungen der Pflegepflichtversicherung sind seit ihrer Einführung im Jahr 1995 nie angehoben worden. Als Folge müssen Betroffene und ihre Familien immer mehr selbst zahlen. Außen vor bleibt dabei, dass es jeden treffen kann. Niemand ist gefeit, selbst in jüngeren Jahren zum Pflegefall zu werden. Doch erst 800 000 Bundesbürger haben mit einer privaten Pflegezusatzversicherung vorgesorgt, um hier finanzielle Belastungen abzufedern. Darin können entweder fest vereinbarte Tagessätze oder die Übernahme der tatsächlichen Pflegekosten versichert werden.Als Pflegezusatzversicherung werden drei Varianten angeboten. – In der Pflegekostenversicherung werden die nach Vorleistung der gesetzlichen oder privaten Pflichtversicherung verbleibenden Kosten erstattet. Es gibt Tarife, die die Restkosten ganz oder teilweise übernehmen. Ein Nachweis ist erforderlich. – In der Pflegetagegeldversicherung wird gegen Nachweis der Pflegebedürftigkeit ein vereinbarter fester Geldbetrag für jeden Pflegetag gezahlt. Das Tagegeld wird unabhängig von den tatsächlichen Belastungen durch die Pflege überwiesen. – Die dritte Variante, die Pflegerentenversicherung, wird als Lebensversicherung angeboten und zahlt, wenn der Versicherte pflegebedürftig wird, je nach Hilfebedarf eine monatliche Rente aus. Bei dieser Versicherungsart gibt es viele Vertragsvarianten. In der gesetzlichen Pflegeversicherung, für die jeder Arbeitnehmer 1,7 % Beitrag (im Rahmen der Pflichtversicherungsgrenze) seiner Sozialabgaben zahlt, sind Monatssätze für die häusliche Pflege unterteilt in Selbst- und Fremdhilfe. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes besitzen derzeit rund 80 Millionen Bundesbürger den obligatorischen Versicherungsschutz für den Fall, dass sie eines Tages zu Hause oder in einer stationären Einrichtung gepflegt werden müssen. Jeder Bundesbürger ist dort pflegeversichert, wo er auch krankenversichert ist. Verdiener mit Einkünften über der Pflichtversicherungsgrenze schließen die obligatorische Pflegeversicherung bei ihrem privaten Krankenversicherer ab. Verschiedene PflegestufenDas Gesetz unterscheidet drei Stufen der Pflegebedürftigkeit, die den jeweiligen Umfang des Pflegebedarfs beschreiben. Die Pflegestufe I für erheblich Pflegebedürftige beinhaltet einmal täglich Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für mindestens zwei Verrichtungen. In der Pflegestufe II erhält der schwer Pflegebedürftige dreimal täglich Hilfe zu verschiedenen Tageszeiten. Pflegestufe III für schwerst Pflegebedürftige gewährt Hilfe rund um die Uhr, auch nachts.Höhere Leistungen im Pflegefall können mit einer Pflegezusatzversicherung gedeckt werden. Sie lässt sich separat oder als Tarifbestandteil privat vereinbaren. “Da eine Pflegerentenversicherung nicht konsequent genug auf den Bedarf ausgerichtet und dabei noch ziemlich teuer ist, kann man sie nicht empfehlen”, sagt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Mit einer Pflegetagegeldversicherung lasse sich die Lücke im Falle der Vollpflege besser stopfen.Vom Bund der Versicherten, der den meisten privaten Versicherungsangeboten kritisch gegenübersteht, sagt Torsten Rudnik, ein Muss sei die Pflegezusatzversicherung nicht – aber immerhin “weit wichtiger als private Extras für Chefarztbehandlung oder die Brillen- und Zahnpolice”. Wie bei einer Risikolebensversicherung steht auch die Pflegepolice nur für den Schadensfall bereit. Bleibt der Kunde gesund, sind die Beiträge vieler Jahre verloren. Beitrag nach RisikoDie Prämien für die privaten Zusatzpolicen werden nicht nach dem Einkommen des Versicherten berechnet, sondern hängen von der abzuschließenden Versicherungssumme ab. Die Beitragshöhe variiert von Anbieter zu Anbieter. Als Faustregel gilt jedoch: Wenn ein über 50-Jähriger einen privaten Pflegetarif abschließt, sollte er mit mindestens 50 Euro Monatsbeitrag rechnen, um im späteren Pflegefall monatlich etwa 1 600 Euro ausbezahlt zu bekommen. Mindestens dieser Betrag sei auch nötig, um die Versorgungslücke zu schließen, rechnen die privaten Versicherer vor. Und je früher die Absicherung erfolgt, um so preiswerter bleiben auch später die monatlichen Beitragszahlungen. Vor Billigangeboten zur Pflegeversicherung wird gewarnt. Nicht die Prämienhöhe, sondern der Leistungskatalog sei entscheidend. Von den Kosten für einen Heimplatz, der sich in der Regel auf mindestens 3 000 Euro beläuft, übernimmt die Pflegepflichtversicherung höchstens 1 432 Euro. Vorsicht bei BilligangebotenBei preiswerteren Offerten geht oft unter, dass hier für einige Versicherer der Leistungsfall erst eintritt, wenn der Kunde als Schwerstkranker in Pflegestufe III ist. Doch nur ganz wenige Pflegebedürftige landen nach Gutachten des medizinischen Dienstes in der höchsten Pflegestufe. Das macht das Risiko Pflegefall auch nicht einfacher. Die Statistiker rechnen seit langem vor, dass mit der demografischen Entwicklung und steigendem Lebensalter der Bevölkerung auch die Zahl der Pflegebedürftigen zunimmt. In einer Anfang dieses Monats veröffentlichten Studie rechnet Reinhold Schnabel von der Universität Duisburg-Essen 2020 mit 2,7 bis 2,8 Millionen Pflegebedürftigen. 2050 dürfte sich diese Zahl sogar auf 4 bis 4,7 Millionen erhöhen, hieß es.