Finanzen persönlich

Policendarlehen für Wagemutige

Anleger können kapitalbildende Lebensversicherungen beleihen, um noch vor Einführung der Abgeltungsteuer in Wertpapiere zu investieren

Policendarlehen für Wagemutige

Von Heino Reents Die Uhr tickt. In wenigen Monaten wird die Abgeltungsteuer in Deutschland eingeführt. Doch mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind nur unzureichend über die neue Steuer informiert, wie eine repräsentative Umfrage des Nürnberger Meinungsforschungsinstituts GfK im Auftrag der Dresdner Bank jüngst ergab. Lediglich 8 % der Befragten fühlen sich “sehr gut” und 22 % “gut” über die Abgeltungsteuer informiert. 40 % der Befragten wissen “gar nichts”, 30 % “etwas” über die Steuer. Auswirkungen immens Dabei sind die Auswirkungen immens, die Renditen vieler Produkte schmelzen dahin. Denn ab 2009 werden sämtliche Kapitalerträge pauschal mit 25 % besteuert, zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer – unabhängig davon, wie lange der Anleger ein Wertpapier hält. Anlageexperten raten daher unbedingt dazu, noch bis Ende des Jahres in Wertpapiere zu investierenEs gilt: Nur wer bis Ende 2008 investiert, sichert sich noch die Steuerfreiheit auf Kursgewinne. Aus diesem Grund kann es für Anleger sinnvoll sein, zukünftig geplante Kapitalanlagen bereits in dieses Jahr vorzuziehen. Wird beispielsweise eine Lebensversicherung in den kommenden Jahren fällig, die ohnehin in Wertpapiere investiert werden soll, bietet es sich unter Umständen an, diese Investition jetzt schon zu tätigen. “Es kann für Anleger von Vorteil sein, die Summe aus einer Versicherung, die etwa 2010 fällig wird, jetzt schon in Aktien zu investieren”, sagt Lothar Behrens, Vorstandsmitglied der Augsburger Aktienbank.Diese Fremdfinanzierung kann durch ein sogenanntes Policendarlehen erfolgen. Dabei wird eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung verpfändet, der jeweilige Anbieter stellt einen Darlehensrahmen zur Verfügung, der vom Anleger ganz oder teilweise in Anspruch genommen werden kann. Der Anleger zahlt dieses Darlehen zurück, wann er möchte, spätestens jedoch bei Fälligkeit der verpfändeten Versicherung. Das heißt also, der Anleger erhält einen Kredit aus seinem eigenen Versicherungsguthaben – quasi als Vorauszahlung, die er bald wieder einzahlen oder später mit der Versicherungsleistung verrechnen kann. Die Vorteile gegenüber anderen Kreditarten: Altersvorsorge und Todesfallschutz bleiben erhalten, vorübergehend reduziert um die Darlehenssumme. Zudem ist der Kredit durch die Abtretung der Police abgesichert, es sind also keine weiteren Sicherheiten zu stellen. Damit erfolgt auch kein Schufa-Eintrag, ebenso wird kein Einkommensnachweis oder eine Selbstauskunft benötigt.Neben den Versicherungsgesellschaften bieten auch unabhängige Vermittler und einige Banken solche Policendarlehen an. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Konditionen zu vergleichen. Entscheidend ist immer der Effektivzins, denn der enthält bereits alle Gebühren. Im Gegensatz zu den Versicherungsgesellschaften sind bei unabhängigen Anbietern oft die maximal möglichen Auszahlungen höher, es können auch beitragsfrei gestellte Policen beliehen werden, und das Darlehen ist ohne Zusatzkosten flexibler zu tilgen.Generell gilt aber: “Je länger der Anlagehorizont, desto mehr lohnt sich das Policendarlehen”, sagt Behrens. Folgende Beispielrechnung soll den positiven Effekt verdeutlichen: Ein Anleger besitzt eine Lebensversicherung, die bis 2011 läuft. Der aktuelle Rückkaufswert der Police beträgt 30 000 Euro. Die Ablaufleistung liegt bei 35 000 Euro. Nach Ablauf der Police 2011 investiert der Anleger diese 35 000 Euro in Aktienfonds, die durchschnittlich 7 % Rendite pro Jahr erzielen. Im Jahr 2021 hätte er somit ein Kapital von 68 900 Euro, auf das nun aber die Abgeltungsteuer mit 28 % (25 % Abgeltungsteuer plus 5,5 % Solidaritätszuschlag) zugreift. 9 500 Euro gehen somit an das Finanzamt, es bleiben dem Anleger 59 400 Euro.Sollte der Anleger jedoch noch in diesem Jahr auf seine Lebensversicherung ein Policendarlehen aufnehmen, fällt die Rechnung günstiger aus. So kann er bereits heute 27 000 Euro (90 % des aktuellen Rückkaufswertes) investieren. Das Darlehen – nach drei Jahren müssen bei einem unterstellten Zinssatz von 6 % p. a. 31 860 Euro zurückgezahlt werden – wird mit der Ablaufleistung von 35 000 Euro abgelöst. Im Jahr 2021 erhält der Anleger (bei einer angenommenen jährlichen Rendite von 7 %) eine Summe von 68 400 Euro – und das abgeltungsteuerfrei, da er das Geld noch im Jahr 2008 angelegt hat. Somit hat der Anleger einen finanziellen Mehrwert von 9 000 Euro. Entwickeln sich die Märkte allerdings deutlich schlechter als erwartet, schlagen die Darlehenszinsen negativ zu Buche. Von einer vorzeitigen Kündigung der Versicherung, um das Geld anzulegen, raten Experten eher ab. Denn kurz vor Vertragsablauf würden dem Versicherungsnehmer die Schlussgewinnanteile durch die Lappen gehen. Auch die Aufnahme eines normalen Konsumentenkredites ist nicht empfehlenswert. Aktien, Zertifikate und Fonds sollten normalerweise nicht “auf Pump” gekauft werden. Steuerschädliche BeleihungWas außerdem zu beachten ist: Investoren sollten auf jeden Fall im Vorfeld der Inanspruchnahme eines solchen Darlehens einen Steuerberater um Rat zu fragen, ob es sich möglicherweise um eine sogenannte steuerschädliche Beleihung handelt. In diesem Fall entfällt der Sonderausgabenabzug. Grundsätzlich meldet die Bank die Beleihung einer Police an das zuständige Finanzamt des Kunden, wenn der Versicherungsvertrag vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurde und der Beleihungswert den Betrag von 25 000 Euro übersteigt. Das Finanzamt erlässt nach Prüfung dann einen entsprechenden Feststellungsbescheid.Nach Angaben der Augsburger Aktienbank liegt eine steuerschädliche Beleihung aber nur dann vor, wenn das Darlehen für berufliche Zwecke aufgenommen wird. Wird das Darlehen dagegen für private Zwecke aufgenommen, bleibt der Sonderausgabenabzug erhalten, und eine spätere Besteuerung ist ausgeschlossen.Die Zinsaufwendungen für den Kredit – der Zinssatz liegt in der Regel zwischen 6 und 8 % – können ab dem 1. Januar 2009 steuerlich nicht mehr als Aufwendungen geltend gemacht werden. Dies ist Bestandteil der Neuregelung durch die Einführung der Abgeltungsteuer. Vorsicht gebotenEin Policendarlehen kann schließlich für Anleger, die in Wertpapiere investieren wollen, durchaus sinnvoll sein. Vorsicht ist aber angebracht, weil Berater oder Finanzdienstleister ein solches Policendarlehen gerne anbieten. Denn sie profitieren bei der Vermittlung des Produkts meist von einer stornofreien Provision. Zusätzlich winkt eine Provision bei einer Wiederanlage.