Recht und Kapitalmarkt

Politische Beruhigungspillen für Sparer

Garantieerklärung der Bundesregierung soll für Vertrauen sorgen - Keine Rechtsverbindlichkeit

Politische Beruhigungspillen für Sparer

Von Olaf Müller-Michaels und Matthias Kleffner *) Die Erklärungen der Bundesregierung zur Finanzmarktkrise, dass sie dafür einstehe, dass keine Sparerinnen und Sparer um ihre Einlagen fürchten müssten, geben Anlass, die Reichweite der gesetzlichen und freiwilligen Einlagensicherungssysteme in Deutschland zu untersuchen. Trotz der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, “und ich sage, diese Erklärung gilt”, stellt sich auch die Frage nach der rechtlichen Natur und Reichweite einer solchen staatlichen Garantie. Angst vor KettenreaktionErste Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Umfeld der Äußerungen der Bundesregierung und des Bundesfinanzministeriums. So erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, man möge sich nicht in Detailfragen verlieren, die Bundesregierung habe eine politische Erklärung abgegeben. Ausdruck sei, dass die deutsche Einlagensicherung sich im europäischen Vergleich durchaus sehen lassen könne. Die Sprecherin des Finanzministeriums Jeannette Schwamberger erklärte ferner, “es ist ein politisches Versprechen, das stärkere Vertrauensstörungen verhindern soll”.Dahinter steht die Sorge vor einer Kettenreaktion, die zum Zusammenbruch einer Reihe von Banken führen würde. Anleger ziehen ihr Geld ab, da sie Angst um ihre Einlagen haben. Dadurch spannt sich die Liquiditätssituation an, was wiederum die Angst der Anleger verstärkt. Ein Teufelskreis. Offenbar reichen die bestehenden Sicherungssysteme nicht aus, um diese Angst zu beseitigen.Einlagen sind gesetzlich und darüber hinaus durch freiwillige Maßnahmen der Bankbranche geschützt. Ein direktes gesetzliches Sicherungssystem begründet das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) aus dem Jahre 1998. Der deutsche Gesetzgeber setzte damit die europäischen Vorgaben zum Mindestschutz der Einlagensicherung um. Die bei der KfW gebildeten Entschädigungseinrichtungen sind nach privatrechtlichen Instituten, öffentlich-rechtlichen Instituten sowie anderen Instituten gegliedert und finanzieren sich durch Beiträge der angeschlossenen Institute.Für die privaten Banken ist dies die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB), für die öffentlichen Institute die Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes öffentlicher Banken Deutschland GmbH sowie für Wertpapierhandelsunternehmen die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW). Die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Genossenschaftsbanken erfüllen ihre Sicherungspflicht gem. § 2 EAEG dagegen bereits durch eigene systemimmanente Sicherungssysteme. Der Entschädigungsanspruch gem. § 4 Abs. 2 EAEG ist begrenzt auf 90 % der Einlagen bzw. 90 % der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften sowie einen Gegenwert von 20 000 Euro. Einlagen sind gemäß § 1 Abs. 2 EAEG Kontoguthaben (Sicht-, Termin- und Spareinlagen) und Forderungen gegen das Bankinstitut, die sich im Rahmen der Geschäftstätigkeit ergeben, sowie Forderungen, die das Institut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat. Inhaberschuldverschreibungen und Verbindlichkeiten aus eigenen Wechseln des Instituts unterliegen dagegen nicht der Sicherung. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften im Sinne des EAEG sind Verpflichtungen des Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Eine Sicherung von Aktien und Fondsanteilen durch das EAEG besteht darüber hinaus nicht, da Wertpapiere durch die Bank lediglich im Auftrag des Kunden verwahrt werden. Auch im Insolvenzfall bleibt das Eigentum der Kunden bestehen.Der Entschädigungsanspruch des EAEG steht allen Privatpersonen, Personengesellschaften sowie kleinen Kapitalgesellschaften offen. Ausgeschlossen sind demgegenüber insbesondere Ansprüche von Bankinstituten, Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, öffentlichen Körperschaften sowie mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften im Sinne des HGB. MindeststandardÜber den gesetzlichen Mindeststandard hinaus sind die Kunden der Mehrzahl der Kreditinstitute durch freiwillige Sicherungssysteme abgesichert. Im Falle der Unfähigkeit zur Einlagenrückgewähr steht einem großen Teil der deutschen Bankkunden ein rechtsgeschäftlicher Anspruch auf Entschädigungszahlung aus freiwilligen Einlagensicherungsfonds zu.Der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) sichert das Guthaben der Kunden privater Banken. Abgesichert ist der Anleger bis zu einer Höhe von 30 % des maßgeblichen haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses. Auch Guthaben von Wirtschaftsunternehmen und öffentlichen Stellen sind geschützt. Der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken kann aufgrund seiner limitierten Größe jedoch beim Kollaps einer ganzen Branche keinen zusätzlichen Schutz liefern. Daran ändert auch die unter den angeschlossenen Banken bestehende Nachschusspflicht nichts, da ein Nachschießen in zwei- oder dreistelliger Milliardenhöhe weitere Banken in die Zahlungsunfähigkeit treiben würde. Hier setzen gemäß dem “Too-big-to-fail-Grundsatz” die “politischen Sicherungsmittel” an. Neben der Gewährung staatlicher Kredite oder Einlagen an krisengefährdete Institute oder Branchen könnte auch die von der Bundesregierung erklärte Staatsgarantie für private Guthaben ein solches “politisches Sicherungsmittel” darstellen. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Garantie mit einem geschätzten Volumen von mehr als 1 Bill. Euro durch bloße Erklärung der Bundesregierung begründet werden kann. Die Kompetenz zur Feststellung des Bundeshaushalts liegt gemäß Art. 110 Abs. 2 Grundgesetz (GG) beim Gesetzgeber. Die Exekutive darf lediglich Ausgaben tätigen, die im Haushaltsgesetz bzw. Haushaltsplan vorgesehen sind. Maßnahmen, die den Bund zur Leistung von Ausgaben in diesem und künftigen Haushaltsjahren verpflichten können, dürfen nach Art. 112 GG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 37 Abs. 1, 38 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zwar grundsätzlich auch von der Bundesregierung unter Zustimmung des Finanzministers vorgenommen werden, setzen jedoch ein unvorhersehbares und unabweisbares Bedürfnis voraus. Die Mehrausgabe muss so eilbedürftig sein, dass die Einbringung eines Nachtrags- oder Ergänzungshaushaltplans als nicht mehr vertretbar anerkannt werden kann. Art. 112 GG darf dabei nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss aus dem Gefüge der finanzrechtlichen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes ausgelegt werden. Zu beachten ist dementsprechend auch die Differenz zwischen dem Gesamtbundeshaushalt 2008 in Höhe von 280 Mrd. Euro gegenüber der Höhe der Garantie von geschätzten 1 Bill. Euro. Maßnahmen, die den Bund zu einer Leistung in dreifacher Höhe des aktuellen Gesamthaushalts verpflichten können, können rechtmäßig nicht in Abweichung der verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundsätze zustande kommen.Wie bereits erwähnt lassen die im Umfeld der Garantieerklärung abgegebenen Äußerungen von Bundesregierung und Bundesfinanzministerium jedoch erkennen, dass eine rechtlich wirksame Garantie von der Bundesregierung gar nicht abgegeben werden sollte. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass eine wirksame Staatsgarantie ohne Mitwirkung des Gesetzgebers rechtmäßig nicht hätte ergehen können. VertrauensfrageAuch eine politische Erklärung der getätigten Art bzw. eine Absichtserklärung zur Stellung einer Staatsgarantie für den Fall der Zahlungsunfähigkeit von Finanzinstituten und des gleichzeitigen Versagens der freiwilligen Einlagensicherungssysteme kann jedoch geeignet sein, die Ansteckungsgefahr auf dem Kapitalmarkt zu bremsen. Das Bewertungskriterium der Garantieerklärung kann daher nicht ihre juristische Wirksamkeit, sondern vielmehr ihr Erfolg bei der Schaffung und Stabilisierung von Vertrauen in die Einlagensicherungssysteme und Stabilität der Finanzmärkte sein.*) Dr. Olaf Müller-Michaels ist Partner und Matthias Kleffner wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Orrick Hölters & Elsing in Düsseldorf.