Post-Corona-Banking - Neue Zeit für Finanzdienstleister

Banken, die bereits ein überzeugendes digitales Kundenerlebnis mit einer hohen Kosteneffizienz kombinieren, dürften gestärkt aus der Krise hervorgehen

Post-Corona-Banking - Neue Zeit für Finanzdienstleister

Die Corona-Pandemie wird Deutschland als Exportnation besonders hart treffen und die rezessiven Tendenzen der vergangenen Monate weiter verstärken. Es ist inzwischen leider von einem sehr deutlichen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes und einem Abrutschen in eine spürbare Rezession auszugehen. Ein Aufschwung dürfte wohl erst im zweiten Quartal 2021 einsetzen. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind noch nicht in vollem Umfang abzuschätzen, dennoch kristallisieren sich bereits jetzt auch die Banken als Verlierer der aktuellen Coronakrise und des staatlich verordneten, nahezu weltweiten Shutdown heraus: Nicht umsonst sind die Kurse von Bankinstituten an den Weltbörsen auf Talfahrt gegangen und in Europa teilweise noch unter die Tiefststände der Finanzkrise 2009 gefallen.Die Auswirkungen auf deutsche Banken sind vielfältig. Nach einem Rekordtief der Privat- und Firmeninsolvenzen im Jahr 2019 dürfte die Anzahl der Insolvenzen 2020 und in den Folgejahren auf ein Rekordhoch hochschnellen. Der Crash an den Kapitalmärkten dürfte deutliche Spuren in den Depot-A- und Depot-B-Beständen der Banken hinterlassen. Die Abschreibungen und Risikokosten dürften die Bankergebnisse auf Dauer deutlich belasten. Die deutliche Kurskorrektur der Assets under Management reißt ein tiefes Loch in die fest eingeplanten Positionen von an die Bestände gekoppelten Provisionserlösen.Das von Niedrig- und Negativzinsen geprägte Umfeld gleicht einer “Japanisierung”, dürfte durch die weltweite Rezession auf die kommenden Jahre hinweg zementiert sein und die Zinsergebnisse weiter abschmelzen lassen. Ertragsmöglichkeiten im Dienstleistungsgeschäft werden sich durch die Beschränkungen im Vertrieb, die Verschiebung der Kundenprioritäten und eine sich verschlechternde Einkommenssituation weiter reduzieren. In Summe bedeutet dies eine Verstärkung der bisherigen, bereits negativen Ergebnisentwicklung. Dadurch dürften sich Konsolidierungsaktivitäten, die Reduktion des Filialnetzes und der Personalabbau weiter verstärken.Die deutsche Bankenlandschaft wird bereits im Jahr 2022 in wesentlichen Dimensionen deutlich geschrumpft sein. So ist durch Zusammenschlüsse von einer Verringerung der Anzahl der Banken und Sparkassen von bis zu einem Drittel auszugehen. Das Filialsterben wird sich durch die Coronakrise und die forcierte und notwendige digitale Interaktion zwischen Kunden und Banken weiter beschleunigen und die Reduktion von Bankstellen ebenfalls in ähnlicher Größenordnung zwischen 30 und 40 % anstoßen. Wir werden erkennen, dass einige während des Corona-Shutdown geschlossene Filialen schlicht nicht mehr öffnen oder alsbald wieder schließen werden.Bei der Anzahl der Beschäftigten in der Bankenbranche ist ebenfalls von einem massiven Rückgang von etwa einer halben Million auf unter 400 000 auszugehen. Dem bereits erkennbaren Tsunami in der Start-up-Szene insgesamt werden sich auch die Fintechs nicht entziehen können. Hier rechnen wir damit, dass bis zu acht von zehn Unternehmen bedingt durch die Coronakrise vom Markt verschwinden werden. Risiken neu bewertenDer zehnjährige Aufschwung hat in allen Asset- und Risikoklassen zu deutlich sinkenden Risikokosten geführt. Rückläufigen Zinsmargen wurde mit steigenden Kreditvolumina begegnet, das Rekordtief von Insolvenzen hat zu einer Kultur geführt, die jetzt korrigiert werden muss. Die Auswirkungen der Pandemie müssen nun in der Geschäfts- und Risikostrategie, der Gestaltung der Governance, der Portfoliosteuerung und den Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden. Risiken sind neu zu bewerten und wo notwendig und möglich zu reduzieren. Dabei müssen im Kreditgeschäft “Corona- und Post-Corona-Szenarien” und deren Auswirkungen auf globale Lieferketten für einzelne Industriezweige entwickelt und simuliert werden, da eine recht heterogene Branchenentwicklung zu erwarten ist. In der Intensivbetreuung von Kreditengagements sowie in der Problemkreditbearbeitung sind die Prozesse und Strukturen zu modernisieren und Kapazitäten und Fähigkeiten zielgerichtet wieder aufzubauen. Kosten senken, aber richtigKosten können von allen Unternehmen direkt und unmittelbar gesteuert werden, Erträge nur bedingt. Banken müssen ihre Kostenbasis kurzfristig spürbar senken und ihr Projekt- und Sachkostenportfolio im Sinne eines Zero-Based-Budgeting-Ansatzes neu priorisieren und reduzieren. Die aktuelle Situation wird den generellen Trend des Filialfrequenzrückgangs weiter verstärken und bietet daher wie bereits ausgeführt die Chance einer weiteren und dauerhaften Reduktion der Fili-aldichte. Dies dürfte Spielräume für eine dauerhafte Anpassung der Mitarbeiterkapazitäten öffnen. Neueinstellungen sind zu stoppen oder zumindest nur für geschäftskritische Funktionen zuzulassen. Mitarbeitern sollte unbezahlter Urlaub angeboten werden, staatlich geförderte Kurzarbeit sollte generell nicht ausge-schlossen werden und in den Entscheidungshorizont miteinbezogen werden.Das gesamte Betriebsmodell ist an die neuen Post-Corona-Realitäten im Sinne eines Ziel-Betriebsmodells anzupassen. Wir erleben diesbezüglich derzeit einen deutlichen Paradigmenwechsel in der Frage der Kollaboration von Topmanagement und Arbeitnehmervertretungen. Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse, die bis vor kurzem noch auf Monate oder gar Jahre ausgelegt waren, werden nun innerhalb von Tagen oder Wochen zu einem konstruktiven Ergebnis geführt. Das Homeoffice hat den Echttest überstanden und kann in vielen Fällen als Dauerlösung etabliert werden. Ein nicht unrealistischer Umfang von bis zu einem Drittel der aktuellen Heimarbeitsplätze könnte erhalten bleiben und sollte den Banken Optionen geben, ihre Standorte, Bürokonzepte und Flächen zu überdenken und nachhaltig zu optimieren.Die bereits etablierte Arbeitsteilung in den großen Verbundorganisationen der Sparkassenorganisation sowie der genossenschaftlichen Finanzgruppe sollte unter Nutzung von Synergiepotenzialen systematisch weiterentwickelt und forciert werden. Auch säulenübergreifende Kooperationslösungen dürfen vor dem Hintergrund der dramatischen Herausforderungen kein Tabu sein. Die Potenziale klassischer Konzepte von Shared-Services-Ansätzen oder Outsourcing sind bei den privaten Geschäftsbanken bei weitem noch nicht in vollem Umfang gehoben. In Kombination mit den Möglichkeiten intelligenter Prozessautomation und algorithmenbasierter Entscheidungsunterstützung ergeben sich attraktive Maßnahmenoptionen zur drastischen Senkung der Kostenbasis. Digitale Assets monetarisieren!Gleichzeitig hat sich durch die Coronakrise die Online- und Mobile-Banking-Nutzung deutlich erhöht und in kürzester Zeit Akzeptanz und Nutzung in allen Kundengruppen gefunden beziehungsweise in Teilen sogar erzwungen. Die Erhöhung der Online- und Mobile-Quoten und die Verbesserung der digitalen Beratungsmöglichkeiten sind Erfolgsfaktoren, um in Zeiten während und nach der Pandemie weiter Beratungsgespräche führen zu können und Abschlüsse zu generieren.Bankprodukte werden heute zwar oftmals in der Anbahnung digital angeboten, aber nur wenige Produkte werden vollautomatisiert zum Verkaufsabschluss geführt. Ein echter digitaler Verkauf von Banking- (und Non-Banking-)Produkten findet kaum statt. Hier besteht im europäischen und weltweiten Vergleich ein erheblicher Nachholbedarf in der deutschen Bankenlandschaft. Deutsche Bankinstitute verfügen über hohe, derzeit leider unzureichend eingesetzte digitale Assets beziehungsweise Potenziale. Das im Vergleich immer noch hohe Kundenvertrauen, die schiere Kundenbasis an sich, der digitale Zugang und generierte Traffic sowie die Verfügbarkeit von Stamm- und Transaktionsdaten sind nur einige Beispiele.Banken sollten und können diese digitalen Assets besser nutzen und von der wachsenden Bedeutung von E-Commerce profitieren. Banken mit einem exzellenten Online- und Mobile-Banking-Angebot und einer hohen digitalen Kundendurchdringung werden die Krise am besten meistern. Die digitale Kundenbeziehung und die hohe Frequenz sind wesentlicher Hebel, um den Kunden neue Bank- und Drittleistungen zu offerieren und damit neue Ertragsquellen zu adressieren. Wer sind die Gewinner?Wir leben nun in einer Zeit, in der die Karten in allen gesellschaftlichen Bereichen und allen Branchen der Wirtschaft neu gemischt werden. Welche Spieler werden die Gewinner sein? Die Coronakrise hat als einen quasi Nebeneffekt einen “digitalen Schock” ausgelöst. Banken, die bereits heute Vorreiter in der Digitalisierung sind und ein überzeugendes digitales Kundenerlebnis mit einer hohen Kosteneffizienz kombinieren, dürften gestärkt aus der Krise hervorgehen. Der Imperativ in diesem Kontext lautet: Banken mit einem höheren Nachholbedarf sollten und müssen letztendlich diese Krise als Chance begreifen und ihren (digitalen) Transformationsprozess massiv beschleunigen, um in einer Post-Corona-Landschaft dauerhaft überlebensfähig zu sein. Rainer Zierhofer, Partner, Leiter Financial Industries und Leiter Horváth Digital bei Horváth & Partners Management Consultants