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Privatpatienten haben Anspruch auf teure Behandlung

BGH-Urteil erhöht Chance auf Erstattung für gekürzte Rechnungen - Versicherer zahlen oft schon vor dem Richterspruch

Privatpatienten haben Anspruch auf teure Behandlung

Von Elke Dolle-Helms Patienten, die eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben, machen diese Erfahrung immer wieder: der Versicherer akzeptiert zwar die Rechnung vom Arzt oder von der Klinik, übernimmt aber nur einen Teil der Kosten. Den Rest muss der Versicherte aus der eigenen Tasche bezahlen. In diesem Zusammenhang hat der Bund der Versicherten mit seinem Rechtsanwalt Joachim Bluhm jetzt ein wichtiges Urteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erstritten (IV ZR 130/06). Danach können privat Krankenversicherte, deren Versicherer Heilbehandlungen in den Jahren 2006 und 2007 nicht vollständig übernommen haben, einen Nachschlag erwarten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Versicherung bereits vor Mitte 2003 abgeschlossen wurde. Entscheidend ist auch, dass der Versicherer seine Zahlung mit dem Hinweis auf veränderte Versicherungsbedingungen verweigert hat. Beklagte im Prozess vor dem BGH war die Axa Krankenversicherung stellvertretend für einige andere Versicherer. Nach den damaligen Versicherungsbedingungen hatten Kunden einen Anspruch auf volle Kostenerstattung, wenn die Behandlung medizinisch notwendig war. Der Versicherer muss also zahlen, wenn keine günstigere Behandlung zur Verfügung steht, die eine vergleichbare Wirksamkeit verspricht. Dies hatte der Axa und den anderen Anbietern nicht ausgereicht. Gemeinsam mit einem Treuhänder hatten sie ihre Versicherungsbedingungen so verändert, dass die Leistungen auf eine “angemessene” Kostenerstattung begrenzt werden sollten. Dieses Verfahren ist im Prinzip erlaubt. Die privaten Krankenversicherer können in laufenden Verträgen Bedingungen umgestalten, wenn sich Grundlegendes im Gesundheitswesen ändert und ein Treuhänder dies bestätigt. Mindestens fünf VertragsjahreDer Anwalt des Bundes der Versicherten (BdV) Bluhm klagte vor allem dagegen, dass Versicherer ihre Bedingungen ohne Einverständnis ihrer Kunden einfach aus wirtschaftlichen Gründen verändert hatten. Der BGH-Richter gab ihm recht und erklärte die veränderten Versicherungsbedingungen für unwirksam. Danach müssen die Versicherer teure Behandlungen auch weiterhin bezahlen, wenn der Kunde einen mindestens fünf Jahre alten Versicherungsvertrag hat. Neue Verträge enthalten oftmals bereits eingeschränkte Zahlungsmodalitäten, gegen die sich der Kunde im Nachhinein nur schwer wehren kann.Kunden mit Altverträgen, die auf hohen Arzt- oder Klinikkosten sitzen geblieben sind, sollten sich nicht scheuen, gegen ihre Versicherer vor Gericht zu ziehen. Immer wieder entscheiden Richter im Sinne der Verbraucher. So wurde ein privater Krankenversicherer vom Landgericht Koblenz verpflichtet, für eine Leistung zu zahlen, die erst nach Erlass der Gebührenordnung für Zahnärzte neu entwickelt worden war (14 S 388/03). Voraussetzung für die Kostenübernahme ist nach Ansicht der Richter, dass sich die Heilmethode bereits in der Praxis bewährt hat, keine höheren Kosten verursacht als die bislang vorhandenen Methoden und ihre Anwendung auch beim jeweiligen Patienten sinnvoll ist. Dies reiche für die Pflicht zur Kostenübernahme aus. Geklagt hatte ein Privatpatient, dessen Versicherer die Kosten für eine neuartige kieferorthopädische Behandlung nicht bezahlen wollte und anführte, die Leistung sei erst nach Einführung der Gebührenordnung für Zahnärzte entwickelt worden.Auch in diesem Fall entschieden die Richter zugunsten des Kunden: Der BGH verurteilte einen Versicherer dazu, für eine Rückenoperation 50 000 Euro zu zahlen (IV ZR 278/01). Der Versicherer wollte nur die Kosten für einen 10 000 Euro teuren Standardeingriff bezahlen. Der Patient sollte 40 000 Euro selbst übernehmen. Auch hier waren die Richter der Ansicht, dass ausschließlich die medizinische Notwendigkeit über die Höhe der Versicherungsleistung entscheide. Wirtschaftliche Gesichtspunkte dürften keine Rolle spielen. Wer eine Nachzahlung geltend machen will, sollte aber auf Verjährungsregeln achten. Die Frist beträgt meist zwei Jahre ab dem Jahr, in dem die Behandlungskosten entstanden sind. Die Frist kann um den Zeitraum verlängert werden, der zwischen der Einforderung der Kosten und dem Ablehnungsbescheid des Krankenversicherers liegt. Naturheilverfahren schwierigAuch Anhänger von Naturheilverfahren machen immer wieder die Erfahrung, dass der Versicherer nicht alle Kosten für natürliche Medizin übernimmt. Anders als Kassenpatienten können privat Versicherte zwar auf Kosten ihrer Versicherung zum Heilpraktiker gehen, doch die privaten Krankenversicherer kommen nicht für alle Behandlungen auf. Oftmals nicht einmal für alle Verfahren, die im Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker (GebüH) aufgeführt sind. Hier lautet die Begründung meist, die Behandlung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Zuweilen wird auch angeführt, die Methode sei wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichert. “Die Begründung einer medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung ist im Falle von besonderen Therapieverfahren nach wie vor schwierig”, erläutert Frank A. Stebner, Rechtsanwalt aus Salzgitter. Ob ein Gerichtsverfahren Erfolg verspreche, richte sich nach dem Einzelfall. Zunehmend mehr Kunden gelingt es inzwischen jedoch, ihr Recht Versicherern gegenüber zu erstreiten. In vielen Fällen zahlen die Versicherer bereits vor einem Gerichtsurteil, weil sie die Sache schnell vom Tisch haben wollen. Lehne die Versicherung eine Kostenerstattung ab, so Stebner, solle der Patient möglichst schriftlich mit ärztlicher Bescheinigung begründen, dass die Ablehnung nicht rechtmäßig war.Hilfreich sei es, wenn der Arzt anführen könne, dass bisherige Behandlungen erfolglos waren, dass eine schulmedizinische Methode bei diesem Patienten nicht angezeigt ist und dass es sich bei der Behandlung um ein erprobtes Verfahren handelt. Bleibt die Versicherung bei ihrer Ansicht, kann Klage vor dem örtlich zuständigen Zivilgericht erhoben werden. Je nach Streitwert ist das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig.