RECHT UND KAPITALMARKT

Privatrechtliche Fallstricke bei Equity Token Offering

Emittenten und Anleger müssen Besonderheiten berücksichtigen

Privatrechtliche Fallstricke bei Equity Token Offering

Von Thomas Winkemann *)Der Kapitalmarkt muss sich immer stärker den Herausforderungen durch Fintechs und blockchainbasierte Innovationen stellen. Aktuell macht die Ausgabe sogenannter Token von sich reden, die unter anderem Beteiligungen an Unternehmen jeder Art repräsentieren sollen. In Anlehnung an den Begriff Initial Public Offering (IPO) spricht man von sogenannten Equity Token Offerings (ETO), die es Investoren künftig ermöglichen sollen, Unternehmensanteile virtuell über das Internet zu erwerben.Die Token repräsentieren dabei als digitale Wertmarken die Vermögenswerte. Ähnlich wie bei den Kryptowährungen bildet auch hier die Blockchain-Technologie die Basis. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei der Blockchain um eine chronologisch aufgebaute, dezentralisierte und kryptografisch gesicherte Datenbank, in der öffentlich einsehbar Informationen in unveränderlicher Weise gespeichert werden.Das Konzept des ETO sieht vor, dass der Anbieter zunächst über soziale Medien Angebote von Anlegern einholt, die sich an einem bestimmten Unternehmen, der Zielgesellschaft, über den Erwerb von Tokens beteiligen möchten. Sofern genügend Angebote abgegeben werden, wird bei der Zielgesellschaft eine entsprechende Kapitalerhöhung durchgeführt. TreuhandverhältnisDie neuen Anteile werden von einer hierfür gegründeten Zweckgesellschaft gezeichnet und eingezahlt. Diese gibt die Tokens dann über die Blockchain gegen Zahlung mittels Kryptowährungen, insbesondere Ether, oder konventioneller Währungen an die Anleger aus. Die Anleger können ihre Tokens über die Blockchain weiterverkaufen, eine Übertragung erfolgt dann automatisiert über bestimmte digitale Algorithmen, sogenannte Smart Contracts.Bisher konzentriert sich die Diskussion insbesondere auf Fragen der kapitalmarktrechtlichen Zulässigkeit solcher Gestaltungen. Der ETO wirft aber auch privatrechtliche Fragen auf.Das Verhältnis zwischen der Zweckgesellschaft und den Anlegern ist rechtlich bei der gängigen Gestaltung als Treuhandverhältnis einzuordnen. So bleibt die Zweckgesellschaft Gesellschafterin der Zielgesellschaft, handelt nach Erhalt der Zahlung von den Anlegern aber für deren Rechnung. Steuerlich betrachtet, können die Anteile und die späteren Gewinnbezugsrechte den Anlegern zugerechnet werden – dies sieht die Abgabenordnung vor dem Hintergrund der sogenannten wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor.Kritisch dürfte allerdings die Durchsetzbarkeit der gegenseitigen Ansprüche zwischen der Zweckgesellschaft und den Anlegern sein. Handelt es sich bei der Zielgesellschaft um eine GmbH, dürfte die Begründung und Übertragung der Rechtsposition die Einhaltung der notariellen Form erfordern. Dies verbietet sich bei einer Veräußerung über die Blockchain naturgemäß. Als Folge der Verletzung der notariellen Form wären gegenseitige Ansprüche zwischen Anlegern und Zweckgesellschaft rechtlich nicht durchsetzbar. Dies betrifft sowohl den Anspruch des Anlegers auf Übertragung der Anteile als auch den Anspruch der Zweckgesellschaft auf Zahlung der Einlage.Auch für den Weiterverkauf der Tokens, der wirtschaftlich eine Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH bedeutet, ist nach herrschender Meinung notarielle Form erforderlich – die Veräußerung über die Blockchain wäre also rechtlich unwirksam. Bei einer Aktiengesellschaft hingegen ließe sich dieses Problem vermeiden, wenn auf eine Verbriefung verzichtet wird, da in diesem Fall weder die Begründung einer Treuhandgesellschaft noch die Veräußerung der Aktien formbedürftig wären.Auch der Umgang mit Weisungen ist bei ETOs mit offenen Fragen verbunden. So sollten die Anleger nach erfolgter Emission berechtigt sein, der Zweckgesellschaft als Treuhänderin Weisungen für die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung der Zielgesellschaft zu erteilen. Dies stellt zum einen ein organisatorisches Problem für die Zweckgesellschaft dar, da sie die unterschiedlichen Weisungen richtig zuordnen und verwalten muss. Zum anderen würde dies rechtlich nur dann funktionieren, wenn ein Token jeweils einem Geschäftsanteil bzw. einer Aktie entspräche. Entsprechen mehrere Tokens einem Geschäftsanteil bzw. einer Aktie, wären unterschiedliche Weisungen der Anleger nicht umsetzbar, da das Stimmrecht nur einheitlich, also auf einen Geschäftsanteil bezogen, ausgeübt werden kann. Wenig beachtete VorschriftEine weitere Fragestellung ist die Anwendbarkeit des Verbraucherschutzrechts zugunsten der Anleger. So besagt eine wenig beachtete Vorschrift des deutschen internationalen Privatrechts, dass neben dem deutschen Recht auch nach dem Heimatrecht des Anlegers Ansprüche gegen die Zweckgesellschaft bestehen könnten. Dies wiederum ließe sich in der Praxis nur vermeiden, wenn man bei Ausgabe der Tokens über Verifizierungsverfahren sicherstellte, dass die Anleger keine Verbraucher sind.Zusammenfassend sind beim ETO also auch privatrechtlich noch grundlegende Fragen ungeklärt. Emittenten wie Anleger sollten dies bei Investments berücksichtigen.—-*) Dr. Thomas Winkemann ist Rechtsanwalt und Partner, Steuerberater und Notar bei Görg Rechtsanwälte.