Immobilien - Interview mit Judith Hardt, Generalsekretärin der European Mortgage Federation

"Produkte gegenseitig anerkennen statt harmonisieren"

Berechnung des effektiven Jahreszinses vereinheitlichen, nicht aber die vorzeitige Tilgung von Hypokrediten

"Produkte gegenseitig anerkennen statt harmonisieren"

Hypothekarkredite werden in der EU nur in sehr geringem Maße grenzüberschreitend nachgefragt. Produktharmonisierung hält Judith Hardt, Generalsekretärin des Europäischen Hypothekenverbandes (European Mortgage Federation) zum Abbau von Marktzugangsbarrieren aber für ungeeignet. Besser wäre die Anerkennung nationaler Regeln. Der Verband prüft auch die Ausgestaltung einer Euro-Hypothek. Während er die Harmonisierung der vorzeitigen Tilgung bei Realkrediten ablehnt, hält er einheitliche Grundlagen für die Berechnung der effektiven Jahresverzinsung für sinnvoll. – Die Europäische Kommission arbeitet derzeit ihr Programm für die nächsten fünf Jahre aus. Was erwarten Sie von der Kommission in Richtung Hypothekarkredit? Das Ziel der Kommission ist es, über die Integration der Märkte die Preise weiter zu drücken und die Produktauswahl für den Verbraucher zu vergrößern. Wir sind nicht der Meinung, dass wir dieses Ziel mit einer Richtlinie erreichen können. Wir erwarten, dass die Diskussion vor allem die vielen Hindernisse im grenzüberschreitenden Hypothekargeschäft aufdeckt. Die Kommission wird voraussichtlich im Juli ein sogenanntes Green Paper vorlegen, in dem sie erste Überlegungen zur Integration des Hypothekarkreditmarktes aufzeigen wird. – Woran hapert es Ihrer Auffassung nach, dass es im Grunde kaum grenzüberschreitendes Hypothekargeschäft gibt? Zum einem ist die Nachfrage der Verbraucher relativ, abgesehen vom Kauf von Ferienhäusern im Ausland, gering. Fest steht, dass die Verbraucher in den meisten Mitgliedstaaten sehr aktiv suchen, auch im Internet, um die Darlehen verschiedener Banken zu vergleichen. Meistens jedoch bleiben sie bei ihrer Bank, oft weil diese auch den Immobilienmarkt vor Ort sehr gut kennt. Wir haben vor zwei Jahren eine Studie bei Mercer, Oliver und Wyman in Auftrag gegeben, um festzustellen, wie es um das Realkreditgeschäft steht. Diese Studie zeigt, dass die Margen im Hypothekarkreditgeschäft oft zu gering sind, um die zusätzlichen Kosten, die das Auslandsgeschäft mit sich bringt, zu decken. Der Hypothekarkredit wird in der heutigen Zeit sehr billig verkauft, um eine langjährige Beziehung zum Kunden aufzubauen. Der Hypothekarkredit ist für die Banken die Plattform, auch weitere Produkte zu offerieren. – Die Experten der Forum-Gruppe für Realkredite haben zahlreiche Vorschläge zur weiteren Integration des europäischen Hypothekargeschäfts vorgelegt. Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf seitens der Kommission?Wir begrüßen die Arbeit der Experten, die von der Kommission initiiert wurde. Es gibt auch heute noch im Europäischen Binnenmarkt zahlreiche rechtliche Hindernisse, die den Zugang zu den Märkten verhindern. Viele Mitglieder unseres Verbandes klagen zum Beispiel über Steuerbarrieren. Andere kritisieren, dass es schwierig ist, Informationen über Kunden im Ausland zu sammeln. Auch die Transparenz der Hypothekenregister lässt zu wünschen übrig. In einigen Ländern dauern zudem die Zwangsvollstreckungsverfahren so lange, dass viele Banken nicht bereit sind, die damit verbundenen Risiken einzugehen. – Sind Sie für Produktharmonisierung oder eher für den Ansatz gegenseitiger Produktanerkennung?Produktharmonisierung schafft aus unserer Sicht keinen echten Binnenmarkt. Diese Erfahrung hat die Kommission auch schon in der Vergangenheit gemacht, zum Beispiel bei den EU-Vorschriften für Investmentfonds. Außerdem schadet Harmonisierung der Produktvielfalt und der Innovation. – Sie sprechen sich also für die gegenseitige Produktanerkennung aus?Es gibt heute in Europa eine Vielzahl an Angeboten, die immer mehr Verbrauchern erlauben, ihre eigene Wohnung zu kaufen und flexibel zu finanzieren. Das sehr viel dynamischere Konzept ist in diesem Fall die gegenseitige Anerkennung der nationalen Regeln. Das bedeutet, dass die verschiedenen Systeme miteinander konkurrieren. Und Konkurrenz ist für die Verbraucher immer gut. Durch internationale Risikodiversifizierung, Optimierung der Refinanzierungsbedingungen und bessere Kapitalallokationen lassen sich Effizienzgewinne erzielen, die die Banken dann über günstigere Zinssätze an die Kunden weitergeben können. – Wie stehen Sie zur Schaffung einer “Euro-Hypothek”? Was sollten Mitgliedstaaten sonst noch unternehmen, um den grenzüberschreitenden Transfer von Hypothekendarlehen zu erleichtern?In vielen Ländern existiert die traditionelle Hypothek nur zusammen mit dem Darlehen. Sie kann also im Grunde nicht für andere Finanzierungszwecke gebraucht werden. Der Verbraucher profitiert deshalb auch nicht von den niedrigeren Zinsen. Die Euro-Hypothek ist ein flexibleres Instrument, und eine flächendeckende Einführung der Euro-Hypothek in Europa würde spürbar mehr Dynamik in den Markt bringen. Wir prüfen im Moment, wie ein solches Konzept am besten umgesetzt werden kann. Die Einführung einer Euro-Hypothek, die als eine Art 26. Regime den nationalen Sicherheiten zur Seite gestellt wird und in allen Mitgliedstaaten denselben Rechtsvorschriften unterliegt, könnte sicherlich für den grenzüberschreitenden Transfer der Hypothekendarlehen einen Durchbruch bringen. – Die Verbraucher, aber auch zahlreiche Industrievertreter sprechen sich im Bericht der Forum-Gruppe für eine Harmonisierung der vorzeitigen Tilgung bei Realkrediten aus. Wie ist die Position ihres Verbandes hier?Wir glauben nicht, dass eine europäische Harmonisierung der vorzeitigen Tilgung bei Realkrediten nötig ist. Die vorzeitige Kündigung ist bereits auf nationaler Ebene geregelt. Die meisten Mitgliedstaaten erlauben den Kunden, ihre Kredite vorzeitig zurückzuzahlen. Bei Festzinskrediten müssen die Darlehensnehmer jedoch die Banken bei eventuellen Verlusten entschädigen. Gesetzliche Regelungen in diesem Bereich würden bestimmte Produkte, die erfolgreich sind und auf ein hohes Kundeninteresse treffen, vom Markt verdrängen oder zu einer Verteuerung der Festzinsdarlehen führen. Auch der deutsche Festzinskredit wäre in seiner heutigen Ausprägung von möglichen europäischen Vorfälligkeitsregelungen negativ betroffen. – Wie steht es mit weiteren Harmonisierungsbestrebungen, etwa zum Jahreszins? Momentan hat jedes Land die Möglichkeit, verschiedene Kosten in die Berechnung des effektiven Zinses aufzunehmen. In Frankreich werden zum Beispiel die Kosten des Notars und der Bewertung der Immobilie in den effektiven Zins aufgenommen. In Deutschland ist das bei der Berechnung des Effektivzinses hingegen nicht der Fall. Das schafft Verwirrung, vor allem bei grenzüberschreitenden Geschäften. – Welche Fortschritte hat es beim Verhaltenskodex für Wohnungsbaukredite gegeben? Muss hier mit neuen Initiativen der Kommission gerechnet werden? Wir sind der Auffassung, dass ein hohes Verbrauchervertrauen im Zentrum aller Bemühungen für den erfolgreichen Aufbau eines grenzüberschreitenden Hypothekarkreditgeschäfts stehen muss. Das Ziel des Verhaltenskodex ist es, den Verbrauchern bei der Auswahl der Hypothekendarlehen zu helfen. Der Kodex ist ein wichtiger Baustein, da er Produkttransparenz anstrebt und in ganz Europa hohe Informationsstandards eingeführt hat. Diese umfangreiche und standardisierte Information wurde durch den Kodex schneller erreicht, als dies durch ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren möglich gewesen wäre. Wir erwarten, dass die Kommission den inzwischen von mehr als 3 800 europäischen Kreditinstituten gezeichneten Verhaltenskodex für wohnungswirtschaftliche Kredite auch weiterhin unterstützt. – Wie sieht es im Europäischen Pfandbriefgeschäft aus? Pfandbriefe und pfandbriefähnliche Produkte der europäischen Nachbarländer haben unter dem Begriff “Covered Bonds” einen angestammten Platz am europäischen Markt für festverzinsliche Wertpapiere. Das Geschäft läuft sehr gut, und das Interesse der Investoren, auch außerhalb Europas, ist groß. Mit einem Umlauf von mehr als 1,5 Bill. Euro und einschlägigen Gesetzen in mehr als 20 europäischen Ländern gehören die Covered Bonds zu den größten Segmenten des europäischen Kapitalmarkts. Institutionelle Investoren wie etwa Versicherungen, Pensionsfonds oder selbst die Zentralbanken schätzen insbesondere die großvolumigen Jumbo-Emissionen aufgrund ihrer Liquidität, die mit ihrer besonderen Sicherheit und attraktiven Verzinsung eine interessante Alternative zu den Staatsanleihen sind. Anfang des Jahres haben wir deshalb auf europäischer Ebene den European Covered Bond Council (ECBC) gegründet. – Was ist die Aufgabe des ECBC? Das ECBC ist eine offene Plattform für alle Marktteilnehmer, die, mit inzwischen mehr als 50 Mitgliedsinstituten, bestens angelaufen ist. Neben einem verbesserten Dialog unter den Marktteilnehmern und der Schärfung des Profils der Covered Bonds in der Öffentlichkeit soll der ECBC aber vor allem Stellungnahmen an die EU-Kommission und das Europaparlament formulieren, um Interessen europäisch zu bündeln und eine gemeinsame Position der Industrie zu erreichen. Die Umsetzung der neuen Baseler Eigenkapitalregeln in europäisches Recht hat gezeigt, dass die Interessen des Pfandbriefes besser vorgetragen werden können, wenn alle Marktteilnehmer gemeinsam auftreten und es gelingt, mit einer Stimme zu sprechen.Das Interview führte Christof Roche.