ANLAGEPRODUKTE

Produkte mit konstantem Hebel

Faktor-Zertifikate erobern den Markt - Abbildung nicht immer linear - Sensibilität gegenüber Volatilität

Produkte mit konstantem Hebel

Der Handel mit strukturierten Derivaten wird von den Hebelprodukten wie Optionsscheinen und Knock-out-Zertifikaten dominiert. Zuletzt haben insbesondere die Faktor-Zertifikate an Beliebtheit gewonnen. Immer mehr Emittenten kommen daher mit entsprechenden Produkten auf den Markt. Anleger schätzen den konstanten Hebel und das fehlende Knock-out-Risiko. Doch die Struktur bildet die Indexveränderungen nicht immer linear ab.Von Armin Schmitz, FrankfurtEine neue Generation von Hebelprodukten scheint den Markt zu erobern: Faktor-Zertifikate. Nach der Deutschen Bank kommt nun in kurzem Abstand auch die Raiffeisen Centrobank mit den Zertifikaten auf den Markt, die einen konstanten Hebel bieten, keine Gefahr eines Knock-out bergen und ohne Laufzeitbegrenzung ausgestattet sind.Ungewöhnlich ist, dass diese Struktur eine recht lange Vorlaufzeit bis zur Akzeptanz bei den Anlegern benötigte. Obwohl bereits 2004 von Goldman Sachs (Rolling Turbos) eingeführt, fing die Erfolgsgeschichte erst mit der Einführung als Faktor-Zertifikate durch die Commerzbank 2009 an. In den vergangenen drei Jahren haben die Umsätze in diesen Produkten kontinuierlich zugenommen. Die Produktstruktur erzielte im zurückliegenden Jahr nach Informationen von Scoach, der Plattform für strukturierte Produkte der Deutschen Börse, einen beeindruckenden börslichen Handelsumsatz von 200 Mill. Euro.Während die Deutsche Bank den von der Deutschen Börse kreierten ShortDax oder Leverage-Dax als Basiswert nutzt, liegt den Zertifikaten ein von der Commerzbank berechneter Strategieindex zugrunde, der die Bewegungen des Basiswerts mit moderaten Hebeln (Faktor) verstärkt. Diese Hebel halten sich im Vergleich zu den seit Jahren am Markt befindlichen Mini-Futures, Waves oder Turbos jedoch in sehr engen Grenzen. Die angebotenen Faktoren bewegen sich zwischen 2 und 4 sowohl für Long- als auch für Short-Positionen, sodass sich das Risiko in Grenzen hält. Damit sprechen diese Produkte nicht nur spekulativ eingestellte Selbstentscheider, sondern auch konservative Anleger an. Tägliche AnpassungDer Faktor bzw. Hebel wird am Ende eines jeden Handelstages quasi wieder auf den Ausgangspunkt zurückgestellt. Damit unterscheidet sich das Produkt von den klassischen Hebelprodukten wie Optionsscheinen oder Knock-out-Zertifikaten, bei denen sich auch der Hebel verändert, sofern der Kurs des Basiswertes steigt oder fällt. Die Beliebtheit dieser Produkte erklärt sich auch durch die fehlende Knock-out-Schwelle, sodass Anleger auch Phasen größerer Volatilität überstehen können. Ob es sich bei den Faktor-Produkten letztlich um Hebelprodukte oder lediglich um Partizipationszertifikate handelt, werden die Arbeitsgruppen des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) in den kommenden Wochen klären müssen. Die Funktionsweise diese Produktstruktur macht das Beispiel des Faktor 2x ShortDax Index-Zertifikats der Deutschen Bank (DE000DE9SHT8) verständlich. Der Index basiert auf den täglichen Bewegungen des Index in gegenläufiger Richtung und bildet die Entwicklung des deutschen Leitindex gegenüber dem jeweiligen Vortag mit einer Hebelwirkung von – 2 ab. Fällt der Deutsche Aktienindex also beispielsweise um 4 %, müsste der ShortDax quasi spiegelverkehrt um 8 % steigen. Der Hebel bleibt auf Tagesbasis konstant. Basierend auf den täglichen Schlusskursen des Dax wird die Hebelwirkung an jedem Handelstag wieder auf – 2 zurückgesetzt. Zusätzlich zur gegenläufigen Entwicklung des Dax beinhaltet der ShortDax auch die durch die Anlagestrategie anfallenden Zinszahlungen in Höhe des doppelten Tagesgeldsatzes. So das Verhalten in der Theorie. Negative ÜberraschungenDoch wie bei den Leverage- und Short-ETF gesehen, bildet dieses Produkt wie auch andere Faktor-Zertifikate die Veränderungen der Indizes meist nicht linear ab. “Bei den Faktor-Zertifikaten kann die gleiche Problematik mit der sogenannten Pfadabhängigkeit auftreten, wie sie bei den Exchange Traded Funds (ETF), die gehebelt oder invers Indizes abbilden, kritisiert wird. Das kann bei einem längerfristigen Engagement zu negativen Überraschungen führen”, sagt Steffen Scheuble vom deutschen Indexanbieter Structured Solutions. Ein Umstand, den die US-Finanzmarktaufsicht Financial Industry Regulatory Authority (Finra) bereits 2009 bei den ETF kritisiert hat. “Bei der Nutzung dieser Produkte muss beachtet werden, dass die Abbildungsqualität von der Volatilität abhängig ist”, sagt Scheuble. In Zeiten geringer Marktvolatilität liefert ein Faktor-Zertifikat auf einen Short-Dax zwar dem Short-Index vergleichbare Renditen. Wegen der Eonia-Komponente kann das Zertifikat sogar den Index schlagen. Beziehung lässt nachSteigen die Marktschwankungen stark an, lässt allerdings die Beziehung zum Index (Pfadabhängigkeit) nach. Diese Performance-Verschlechterung nimmt mit steigender Volatilität zu und wird als negative Konvexität bezeichnet. Diese Eigenschaft macht eine Langzeitinvestition beispielsweise zur Absicherung eines Portfolios aufwendig. Es erfordert eine ständige Anpassung des Bestands.Zuungunsten des Anlegers entwickelt sich ein Faktor-Zertifikat auch in volatilen Seitwärtsmärkten, in denen sich der Index per saldo nicht bewegt. Aufgrund der täglichen Anpassung des Hebels, die die tägliche Kursentwicklung der Aktie bei der Indexberechnung berücksichtigt, kann es zu Verlusten in dem Faktor-Zertifikat kommen. Je höher der Hebel, desto stärker die Einbußen. Wie auch bei den Short- und Leverage-ETF gesehen, eignen sich die Faktor-Zertifikate am ehesten für erfahrene Anleger für den kurzfristigen Einsatz in Märkten, in denen ein eindeutiger konstanter Trend vorliegt.