Prospektfreie Zulassung von neuen Aktien einfacher möglich
Von Matthias von Oppen *) Seit Ausbruch der Finanzkrise und den damit einhergehenden Börsenturbulenzen haben viele Unternehmen ihren Finanzierungsbedarf nur sehr begrenzt, vornehmlich in Sanierungssituationen, über eine Eigenkapitalfinanzierung gedeckt. Aufgrund der Stabilisierung der Märkte seit März und zunehmend restriktiverer Kreditvergabe der Banken geraten Kapitalerhöhungen wieder ins Blickfeld notierter Gesellschaften. Dies betrifft nicht nur 10 %-Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts, sondern auch höhervolumige Bezugsrechtsemissionen. Zwei EbenenFür die Strukturierung von Bezugsrechtsemissionen ist es wegen des damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwands wichtig, ob eine Bezugsrechtsemission prospektpflichtig ist. Die Prospektpflichten sind im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) geregelt. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Wertpapiere, die in Deutschland öffentlich angeboten werden oder zum Handel an einem organisierten Markt einer deutschen Wertpapierbörse zugelassen werden. Jedoch definiert das Wertpapierprospektgesetz im Wege einer katalogartigen Auflistung einige Ausnahmetatbestände, die sowohl im Hinblick auf bestimmte Angebotsformen ( 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 WpPG) als auch in Bezug auf bestimmte Börsenzulassungen ( 4 Abs. 2 WpPG) Anwendung finden können. Es gilt daher sorgfältig zwischen Angebots- und Zulassungsebene zu differenzieren. Die Kompetenz für die Prüfung der Voraussetzungen einer Prospektbefreiung auf Angebotsebene liegt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Geschäftsführung der Börse ist zuständig, soweit es um die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel ohne vorangegangene Billigung und Veröffentlichung eines Prospekts geht.Auf Angebotsebene ist ein Prospekt bei Privatplatzierungen an einen beschränkten Personenkreis (weniger als 100 Privatanleger) oder an qualifizierte Investoren entbehrlich. Auch Bezugsrechtsangebote bereits notierter Aktien sind nach gefestigter Verwaltungspraxis der BaFin prospektfrei möglich, solange sie sich erkennbar nur an die Altaktionäre als begrenzten Personenkreis wenden. Für die Praxis bedeutet dies, dass entweder gar kein Bezugsrechtshandel organisiert werden darf oder nur ein eingeschränkter Handel innerhalb der Gruppe der Altaktionäre erlaubt ist. Darüber hinaus können die nicht bezogenen Aktien prospektfrei einem beschränkten Personenkreis oder qualifizierten Investoren angeboten werden (Rump Placement). Innerhalb eines JahresIm regulierten Markt sind neu begebene Wertpapiere gemäß 69 Börsenzulassungsverordnung erst innerhalb eines Jahres nach Begebung zulassungspflichtig. In der Transaktionspraxis werden die (bezugsberechtigten) Aktionäre jedoch regelmäßig verlangen, zum Abschluss der Transaktion börsennotierte Aktien geliefert zu bekommen. Bislang wurden jedoch die bei Bezugsrechtsemissionen begebenen neuen Aktien regelmäßig nur dann prospektfrei zugelassen, wenn in der Summe weniger als 10 % des zugelassenen Grundkapitals ausgegeben wurden ( 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG). Nach Auffassung der Frankfurter Wertpapierbörse soll jedoch nunmehr ein weiterer gesetzlicher Ausnahmetatbestand ( 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG), der in der Vergangenheit primär auf Aktienoptionsprogramme und Wandelschuldverschreibungen angewandt wurde, grundsätzlich auch auf Bezugsrechtsemissionen Anwendung finden. Die Besonderheit dieser Ausnahme liegt darin, dass keine volumenmäßige Beschränkung bei der Kapitalerhöhungsziffer vorgesehen ist. Nur an AltaktionäreJedoch soll der Anwendungsbereich nach Auffassung der Börse nur solche Bezugsrechtsemissionen erfassen, die ausschließlich an Altaktionäre platziert werden. Für die Transaktionspraxis bedeutet dies, dass entweder nur die Bezugsaktien im Wege einer “Bis-zu-Kapitalerhöhung” ohne anschließendes Rump Placement platziert werden oder die nicht bezogenen Aktien ausschließlich von Altaktionären erworben werden. Der Emittent trägt die Nachweis- und Beweislast.Zwar ist gemäß Auslegung der Börse die Ausnahmevorschrift 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG nur eingeschränkt auf Bezugsrechtsemissionen anwendbar, da der Zweck einer solchen Transaktion gerade darin bestehen kann, die nicht bezogenen Aktien auf Basis eines transparenten Wertpapierprospekts an neue Investoren zu platzieren und die Liquidität in der Aktie zu erhöhen. Jedoch gibt es auch Konstellationen, die sich aufgrund der Prospektbefreiung sinnvoll als Bezugsrechtsemissionen innerhalb der Altaktionäre strukturieren lassen. Dies gilt insbesondere, wenn die Transaktion zeit- und kosteneffizient umzusetzen ist, wie bei Sanierungen. Gerade für diese Fälle führt die prospektfreie Bezugsrechtsemission ohne volumenmäßige Beschränkung zu erheblichen Vereinfachungen, wenn man berücksichtigt, dass für die Prospekterstellung und -billigung mindestens zwei bis drei Monate einkalkuliert werden müssen und die Prospektkomponente neben dem Zeitaufwand auch einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen kann.—-*) Matthias von Oppen ist Partner bei Dewey & LeBoeuf in Frankfurt.