Recht und Kapitalmarkt

Rechtliche Bedenken gegen die Bankenabgabe

Zweifel an der Bemessungsgrundlage - Welle an Klagen gegen Jahresbescheide zu erwarten - Musterverfahren angeraten

Rechtliche Bedenken gegen die Bankenabgabe

Von Mathias Hanten *)Am 6. März ist die Verordnung über die Erhebung der Beiträge zum Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (RStruktV) durch das Bundeskabinett beschlossen worden. Hierzu wurde die Bundesregierung durch das Restrukturierungsfondsgesetz (RestruktFG) vom 1. Januar 2011 ermächtigt. Der europäische Hintergrund dieses Regelwerks ist die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 26. Mai 2010, in der zur europaweit koordinierten Schaffung und Finanzierung von Bankenrettungsfonds aufgerufen wird.Zuständig für die Organisation der Beitragserhebung ist die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Wenige AusnahmenDer Jahresbeitrag, erwartet werden 1,3 Mrd. Euro Beitragsaufkommen, ist von allen gemäß § 2 RestruktFG beitragspflichtigen Kreditinstituten zu leisten, für die am 1. Januar des Beitragsjahres eine Erlaubnis nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) bestand. Ausgenommen von der Beitragspflicht sind damit nur Zweigniederlassungen und Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute nach §§ 53 und 53b KWG, was nachvollziehbar ist, da sie überwiegend bereits nach Heimatlandrecht von der jeweils nationalen Bankenabgabe betroffen sein dürften.Zur Vermeidung von Doppelbelastungen deutscher Kreditinstitute durch zusätzliche Belastungen ihrer Zweigstellen und Zweigniederlassungen im Ausland sind bislang keine Regelungen, etwa über Anrechnungsverfahren, getroffen worden.Alle anderen Kreditinstitute, ohne Rücksicht auf deren Zugehörigkeit zu bestimmten Institutsgruppen, etwa Sparkassen, Genossenschaftsbanken, private oder öffentliche Banken, sind von der Beitragspflicht erfasst. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es, wie vielfach moniert, auch nicht auf die “Systemrelevanz” des jeweiligen Kreditinstituts an.Die Bemessungsgrundlage wird mit den Beitragskomponenten “relevante Passiva” und “relevante Derivate” bestimmt. Diese Beitragskomponenten sollen dem Geschäftsvolumen, der Größe und der Vernetzung der Kreditinstitute im Finanzmarkt Rechnung tragen.Mit diesem Katalog der Beitragskomponenten weicht der deutsche Gesetzgeber vom Vorschlag der Europäischen Kommission ab, die zwar auch die Verbindlichkeiten der Bank, aber genauso deren Risikoaktiva sowie deren Erträge und die gewährten Boni als Parameter der Bemessungsgrundlage vorsieht.Bei der Berechnung des Jahresbeitrags steigt der Abgabensatz für die Beitragskomponente “beitragserhebliche Passiva” progressiv, während die Beitragskomponente “Derivate” mit einem einheitlichen Tarif belastet ist. Die “beitragserheblichen Passiva” umfassen, mit einer Reihe von Ausnahmen, alle Passivpositionen. Ausgenommen von der Bemessungsgrundlage sind zunächst die “Verbindlichkeiten gegenüber Kunden”, mit der Unterausnahme “Verbindlichkeiten gegenüber Kunden, an welchen das Kreditinstitut beteiligt ist”. Auf Grundlage dieses Systems scheidet das Einlagengeschäft der Kreditinstitute grundsätzlich aus der Bemessungsgrundlage aus.Ausgenommen ist ferner der Passivposten “Genussrechtskapital”, mit Ausnahme des Genussrechtskapitals, das vor Ablauf von zwei Jahren fällig wird. Damit wird zumindest eine Komponente des Ergänzungskapitals im Sinne von § 10 Abs. 2b KWG nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Ausgenommen aus der Bemessungsgrundlage sind ferner Passivposten 11 “Fonds für allgemeine Bankrisiken” sowie der Passivposten 12 “bilanzielles Eigenkapital”.§ 3 Abs. 1 der RestrFV sieht für den jeweiligen Jahresbeitrag eine Zumutbarkeitsgrenze von 15 % des “Jahresergebnisses” vor, wobei Gewinnabführungen an beteiligte Unternehmen wieder zum Jahresergebnis hinzuzurechnen sind. Die Kreditinstitute haben, auch wenn die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird, nach § 3 Abs. 2 RestrFV einen Mindestjahresbeitrag von 5 % des ohne die Zumutbarkeitsgrenze berechneten Jahresbeitrags zu leisten. Daneben werden die Jahresbeiträge, soweit sie die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten oder nur der Mindestbeitrag erhoben wird, in den Folgejahren nacherhoben. Diese Regelung hat zu besonderer Kritik geführt, da für die infolge der Zumutbarkeitsgrenzen nicht erhobenen Beiträge Rückstellung zu bilden sind, welche sich auf das Jahresergebnis auswirken. Soweit die Jahresbeiträge zur Deckung des festgestellten Mittelbedarfs nicht ausreichen, kann die FMSA Sonderbeiträge erheben, die ebenfalls einer Zumutbarkeitsgrenze unterliegen.Rechtlich bestehen gegen die zu erwartenden Jahresbeitragsbescheide eine Reihe von Bedenken:Ähnlich wie in den Verfahren nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) ist die Frage zu stellen, ob die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion durch die Bankenabgabe erfüllt sind. Hiergegen wurden bereits zahlreiche Argumente eingeführt: So sei die Berechnung der Mindestbeiträge bedenklich, es fehle an einer – gesetzlichen – Höchstgrenze für den Umfang des Fonds. BlankettnormAuch sei – dies gelte besonders für die Sonderbeiträge – kein ausreichender Zusammenhang zwischen Höhe der Beiträge und der Finanzierungsverantwortung des Instituts begründet. Die fehlende Abzugsfähigkeit der Beiträge sei mit dem abgaberechtlichen Nettoprinzip nicht vereinbar, was spätestens im Rahmen der Steuerbescheide für das Steuerjahr 2011 zu Einspruch Anlass geben müsse.Schließlich lässt sich noch vortragen, dass das Gesetz eine Blankettnorm vorgibt, die meisten Details dem Verordnungsgeber anheimstellt, insbesondere ohne den Umfang der Abgabe im Gesetz so festzulegen, dass die wirtschaftlichen Folgen für Betroffene zumindest annähernd abgeschätzt werden können. Die Bemessungsgrundlage, insbesondere die “beitragserheblichen Passiva”, wird sich finanzverfassungsrechtlich am Ziel des Gesetzes, also daran messen lassen müssen, ob Vermeidung von “Ansteckungsgefahren, die bei einer Existenzgefährdung von einem Kreditinstitut auf die Gesamtheit der anderen Kreditinstitute ausgehen können” wirksam verfolgt wird.Dies lässt sich mit guten Gründen in Zweifel ziehen. So ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum längerfristige, nachrangige Verbindlichkeiten in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, während Genussrechtskapital, obwohl gleichrangiges Ergänzungskapital, außen vor bleibt. Auch lässt sich kein überzeugender Grund dafür finden, “Rechnungsabgrenzungsposten” und “Rückstellungen”, also bilanzielle Vorsichtsposten oder “Treuhandverbindlichkeiten”, die immer den aktivischen Gegenposten “Treuhandvermögen” haben, in die Bemessungsgrundlage aufzunehmen.Da Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide nach § 12 Abs. 8 RestruktFG keine aufschiebende Wirkung haben, müsste, um eine sofortige Zahlung zu vermeiden, ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden. Bei den materiellen Kriterien wird hier die Frage der offensichtlichen Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids im Vordergrund stehen.Ein Zinsrisiko der antragstellenden Kreditinstitute ist gering, da eine Verzinsungspflicht für diese Rechtsmaterie, anders als etwa für die Abgabenarten, die der Abgabenordnung (AO) unterliegen, oder nach den Vollstreckungsgesetzen der Länder bislang nicht geregelt wurde. Allenfalls könnte man daran denken, dass sich die FMSA über das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes und den dortigen Verweis auf § 344 AO über die Ersatzvornahme die anderweitige Mittelbeschaffung ersetzen lässt. Finanzgerichte außen vorZuständig für ein eventuelles Klageverfahren wäre wegen des Sitzes der FMSA das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main und dort nach aktuellem Geschäftsverteilungsplan dessen 1. Kammer. Eine Sonderzuständigkeit der Finanzgerichte nach der Finanzgerichtsordnung ist in diesen Fällen nicht gegeben.Da die Legislative, eingestandenermaßen, schon ein paar Lehren aus den Verfahren nach dem EAEG gegen die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) gezogen hat, wäre es naheliegend, wenn die Exekutive hier folgte:Aus den bisherigen Verfahren lässt sich etwa die Lehre ziehen, dass zur Vermeidung eines übergroßen Kostenaufwands sowohl für die Institute als auch für die öffentliche Hand – und damit die Steuerzahler – ein oder mehrere ordentlich strukturierte Musterverfahren (im untechnischen Sinne) zielführend sind. Derartige gut kommunizierte Verfahren würden verhindern, dass sich alle Kreditinstitute (etwa 1 990 an der Zahl!) gegen den ersten Jahresbeitragsbescheid zur Wehr setzen müssten. Die FMSA und ihre Rechts- und Fachaufsicht wären also gut beraten, die Möglichkeit der Musterverfahren zu verfolgen und die Vollziehung der Bescheide bis zur Entscheidung über diese Verfahren auszusetzen.—-*) Dr. Mathias Hanten ist Rechtsanwalt und Partner in der Finance und Projects Gruppe von DLA Piper im Frankfurter Büro und leitet dort den aufsichtsrechtlichen Bereich.